Clean bleiben mit Hilfe aus dem Exil

Wie hat es also Mohammad geschafft, von seiner Sucht loszukommen? „Anfang 2010 habe ich Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe in Teheran aufgenommen, die sich aus Drogenabhängigen und ehemaligen Süchtigen zusammensetzt. Sie arbeitete nach dem System der Narcotics Anonymous (NA). Die Teilnehmer standen füreinander ein und haben ihre Erfahrungen geteilt. Wenn man in Versuchung kam, rückfällig zu werden, konnte man sicher sein, dass die Gruppenmitglieder einem halfen. Durch NA habe ich es irgendwann geschafft, von meiner Sucht wegzukommen“, erzählt Mohammad und lächelt.
Inhaltlich großen Einfluss auf die Gruppe hatte Mohammad zufolge die in Kalifornien ansässige Ayeneh Foundation, die im Jahr 2000 von dem iranischen Star-Sänger Dariush Eghbali gegründet wurde, um IranerInnen im In- und Ausland bei der Bekämpfung ihrer Drogensucht zu unterstützen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Dazu werden von der Organisation weltweit Seminare für Suchtkranke angeboten. Zudem erreicht sie über den Fernsehsender Ayeneh TV und ihr Radioprogramm Millionen von IranerInnen.
Mohammad, der in einem Kölner Bürgerzentrum eine eigene NA-Gruppe gegründet hat, ist voll des Lobs für die Ayeneh Foundation: „Die Organisation hat durch ihr Engagement einen großen Anteil daran, dass sich im Iran viele Selbsthilfegruppen gebildet haben. Auch Dariush Eghbali war früher süchtig. Seine Bekanntheit und die Tatsache, dass er selber durch NA von seiner Sucht weggekommen ist, verleihen ihm und der Foundation große Glaubwürdigkeit“, sagt er. Wie viele IranerInnen Ayeneh tatsächlich erreicht, ist unklar. Laut Eghbali nehmen aber an einigen NA-Gruppen bis zu einhundert Drogenabhängige teil. Etwa 40.000 IranerInnen sollen ihm zufolge bislang so von ihrer Sucht befreit worden sein.
„Bedeutende Alternative zu kostspieligen Angeboten“

Star-Sänger Dariush kämpft von seinem amerikanischen Exil aus gegen die Drogensucht im Iran
Star-Sänger Dariush kämpft von seinem amerikanischen Exil aus gegen die Drogensucht im Iran

Neben Ayeneh hat der Sänger im Jahr 2003 zudem die Webseite Behboudi Chat ins Leben gerufen, auf der Drogensüchtige mit anderen Abhängigen und ehemaligen DrogennutzerInnen, die als ExpertInnen fungieren, chatten können.
Sowohl Ayeneh als auch der Behboudi Chat seien „gesellschaftlich sehr wertvoll“, findet der Teheraner Soziologe Mehrdad Arjmand. „Die Fernseh- und Radiosendungen von Ayeneh konnten insbesondere Menschen helfen, die drogensüchtige Familienmitglieder haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass Drogensucht eine Krankheit ist. Menschen, die mit Drogenkranken leben, laufen Gefahr, selbst zu erkranken. Dies kann geschehen, indem sie selbst abhängig werden oder psychische Schäden erleiden“, so Arjmand gegenüber dem Iran Journal. „Zum ersten Mal erhält die iranische Bevölkerung die Gelegenheit, wissenschaftlich und umfassend über die Krankheit Sucht informiert zu werden. Früher war dies nicht möglich, weil das Thema im Iran tabuisiert wurde. Durch Satellitenfernsehen und Internet können die IranerInnen nun viel lernen.“ Besonders für Drogensüchtige selbst seien die Angebote von Ayeneh und Behboudi Chat eine „bedeutende Alternative zu kostspieligen staatlichen und privaten Angeboten“, sagt der Soziologe weiter.
Der Neu-Kölner Mohammad blickt dennoch skeptisch in die Zukunft: „Es ist zu hoffen, dass das System der NA-Selbsthilfe durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Ayeneh und Behboudi Chat im Iran immer bekannter wird“, sagt er und warnt: „Es wäre aber fatal, sich auf den NA-Gruppen auszuruhen.“ Auch von staatlicher Seite müssten „flächendeckende, günstige und effiziente Hilfsmöglichkeiten“ bereitgestellt werden: „Die Drogenhilfe im Iran muss weiter professionalisiert werden“, so Mohammad.
 NAHID FALLAHI und JASHAR ERFANIAN
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