Ernüchterung bei iranischen Frauen
Viele Iranerinnen gaben Hassan Rouhani bei den Präsidentschaftswahlen 2013 ihre Stimme, um etwas für die Geschlechtergleichberechtigung zu tun. FrauenrechtlerInnen zeigen sich nach 365 Amtstagen des neuen Präsidenten jedoch überwiegend enttäuscht über dessen bisherige Bilanz.
Seit nunmehr einem Jahr ist Hassan Rouhani Staatspräsident des Iran. Der moderate Kleriker wurde von vielen IranerInnen in erster Linie mit dem Auftrag gewählt, das Land aus der internationalen Isolation und aus seiner dramatisch schlechten Wirtschaftslage herauszuführen. Nicht wenige seiner WählerInnen waren jedoch auch von Rouhanis Positionierung zu gesellschaftspolitischen Themen angetan. Besonders die Frauen wählten in Scharen den 65-jährigen Geistlichen, der in seinen Reden immer wieder betonte, der weiblichen Bevölkerung zu mehr Rechten und Einfluss in der iranischen Gesellschaft verhelfen zu wollen. Ein Jahr nach seinem Erdrutschsieg hält Rouhani zwar noch ähnliche Reden. Auch wurde in einer „Charta der Bürgerrechte“, die seine Regierung vergangenen Herbst veröffentlichte, auf die Verbesserung der Chancen von Frauen in Bildung und Berufswelt sowie auf die Beseitigung geschlechtsspezifischer Diskriminierung verwiesen. Doch wirklich viel hat sich für die Frauen im Iran nicht verändert, klagen KritikerInnen.
Regierung enttäuscht Frauen
Zu diesen KritikerInnen gehört die Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Mansoureh Shojaee. Gegenüber TFI zeigt sich Shojaee von der bisherigen Regierungspolitik enttäuscht: „Die iranischen Frauen haben Rouhani ein klares Mandat gegeben, nach acht Jahren ultrakonservativer Vorherrschaft das Land in ihrem Sinne zu verändern. Doch ihre Erwartungen wurden bis jetzt enttäuscht.“ Der erste Unmut sei geweckt worden, als Rouhani entgegen seines eigenen Versprechens keiner einzigen Frau einen Ministerposten angeboten habe. Die wenigen Frauen, die in seiner Administration mitwirkten, hätten lediglich beratende Funktionen und nur wenig Einflussmöglichkeiten, sagt Shojaee: „Rouhanis Beraterin in Frauen- und Familienangelegenheiten, Shahindokht Molavardi, hat zum Beispiel durchzusetzen versucht, dass das Besuchsverbot für iranische Frauen in Fußballstadien aufgehoben wird – vergebens!“
In der Tat gibt es derzeit viele Baustellen auf dem Feld der Gleichstellung von Frauen und Männern: Immer noch wird an vielen Universitäten Frauen der Zugang zu bestimmten Studiengängen – vor allem technischen – verwehrt, obwohl Rouhani selbst in seiner Wahlkampagne mit Verweis auf die iranische Verfassung die Gesetzmäßigkeit einer solchen Einschränkung angezweifelt hatte. Auch könnten bald viele Iranerinnen – zumindest jene, die in der Teheraner Stadtverwaltung beschäftigt sind – ihren Job verlieren. Laut einer Anordnung des Teheraner Oberbürgermeisters, Mohammad Bagher Ghalibaf, muss die Stadt Teheran künftig Männer und Frauen am Arbeitsplatz voneinander trennen. Wie groß die Zahl der Frauen ist, die von Ghalibafs Maßnahme betroffen sind, ist unbekannt. Kündigungen von Frauen aufgrund der neuen Anordnung wurden bis dato von städtischer Seite nicht bestätigt. Frauen, die bisher als Assistentinnen oder Telefonistinnen für Leitungskräfte tätig waren, seien in andere Abteilungen versetzt worden, gab das Rathaus bekannt.
Und auch sonst würden Frauen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, klagen KritikerInnen: „Viele Unternehmen ziehen es vor, Männer statt Frauen einzustellen. Auch dieser Problematik wollte Rouhani gesetzlich entgegentreten. Bis jetzt ist aber nichts passiert – möglicherweise wegen des Drucks aus dem konservativen Lager“, sagt Shojaee. Der konservative geistliche Führer des Iran und das De-facto-Staatsoberhaupt Ali Khamenei habe sich dafür ausgesprochen, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Bevölkerungszahl des Iran ergriffen würden. Arbeitslose Frauen könnten sich dann ganz auf ihre von dem tradtionell-patriarchalischen Teil der Gesellschaft geforderten Rolle als Hausfrau und Mutter konzentrieren. „Wie sehr das Regime entschlossen ist, Khameneis Forderung zu realisieren, sieht man auch daran, dass den Frauen die Beschaffung von Antibabypillen erschwert wird. Das ist für mich ein deutlicher Eingriff in das Recht der Frau, über ihren Körper zu entscheiden“, so Shojaee.
Druck aus konservativem Lager
Shojaee ist der Überzeugung, dass die Regierung Rouhani ihre fortschrittliche Frauenpolitik der Außen- und Wirtschaftspolitik, die für sie klare Priorität habe, geopfert hat: „Rouhani musste manche seiner gesellschaftspolitischen Vorhaben begraben oder auf Eis legen, um vom konservativen Lager um Khamenei die Genehmigung zu erhalten, im Atomkonflikt mit dem Westen Kompromisse einzugehen.“ Die Macht der Regierung sei teilweise so gering, dass sie fast wie eine Oppositionskraft dastehe, sagt die Frauenrechtlerin: „Für die Passivität der Regierung haben die Menschen aber kein Verständnis. Sie wollen Taten sehen.“ Die Frauenrechtsbewegung sei jedoch gewillt, die Regierung wieder auf die richtige Spur zu bringen, so Shojaee. Die Frauen sei entschlossen, ihre Positionen selbstbewusst an die iranische Politik heranzutragen: „Wir sitzen keineswegs tatenlos herum und warten ab, dass sich die Regierung von selbst bewegt.“
NAHID FALLAHI und JASHAR ERFANIAN