Drogen verbrennen, Süchtige vergessen
Während die Vereinten Nationen die iranischen Bemühungen zur Bekämpfung des Drogenschmuggels loben, nimmt im Iran die Zahl der Drogenabhängigen zu. Auch die Zahl der Hinrichtungen im Zusammenhang mit Drogendelikten steigt.Am 8. August wurden in der Stadt Urmia im iranischen Nordwesten drei Männer wegen Drogenhandels erhängt. Damit hat sich nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen die Zahl der Hinrichtungen in den vergangenen sechs Monaten auf über 140 erhöht. Die meisten dieser Hinrichtungen fanden aufgrund von Drogendelikten statt.
Menschenrechtsaktivisten kritisieren seit Jahren die steigende Zahl von Todesurteilen im Iran. Die Praxis habe gezeigt, dass die harten Strafenmaßnahmen das Drogenproblem nicht lösten.
Und in der Tat unterstreichen die offiziellen Statistiken der iranischen Regierung den Einwand der Menschenrechtler. Ende August gaben die zuständigen Behörden bekannt, dass im vergangenen iranischen Jahr (21. März 2010 – 20. März 2011) rund 320.000 Menschen wegen das Handels oder des Konsums von Drogen verhaftet wurden. Das ist eine Steigerung von etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Kritische Nachfragen nicht erlaubt
Die im Iran lebende Sozialforscherin A. M. arbeitet seit vielen Jahren mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) zusammen, die sich mit der Drogenproblematik befassen. Sie lobt in einem Interview mit TFI zwar die iranischen Bemühungen im Kampf gegen den Drogenschmuggel. Doch zugleich weist die Sozialforscherin darauf hin, dass die Regierungsmaßnahmen bei der Lösung des Drogenproblems im Iran selbst bislang wenig genützt haben.
Der Iran investiere fast alle Mittel in den Kampf gegen Drogenschmuggel, so die Expertin: “Die Regierung sollte darüber hinaus aber auch Maßnahmen fördern, die die Verbreitung des Drogenproblems verhindern“, fordert sie. Für solche Maßnahmen zur Prävention, Schadensminderung und Behandlung von Drogenabhängigkeit sei aber nicht genug Geld vorhanden. Aber darüber dürfe man nicht laut reden, erklärt die Forscherin. Die Behörden hätten inländischen Experten verboten, mit ausländischen Medien über dieses Problem zu sprechen.
Dafür kann sich die iranische Regierung mit internationalem Lob für ihren Kampf gegen den Drogenhandel schmücken. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad schlug kürzlich sogar den NATO-Truppen in Afghanistan eine Kooperation im Kampf gegen Drogen in dem Nachbarland Irans vor.
Die iranischen Behörden beschlagnahmen regelmäßig große Mengen an Drogen, vor allem Opium und Heroin. Nach ihren Angaben verbrennt sie jährlich rund 60 Tonnen konfiszierten Rauschgifts. Ob das die gesamte jährliche Beute ist, weiß allerdings niemand.
Rehabilitationsmaßnahmen nutzlos
A. M. beklagt zudem, dass iranische Gefängnisse „extrem wenig Möglichkeiten für die Rehabilitierung aus der Haft in die Gesellschaft zurückkehrender Gefangener“ böten. Nach ihren Informationen würden die Inhaftierten während der Haftzeit oft eher noch krimineller.
Zwar hätten Experten vor fünfzehn Jahren ein umfassendes Programm zur Wiedereingliederung drogensüchtiger Gefangener in die Gesellschaft vorgeschlagen. Doch das habe aus langer Sicht nicht viel genützt, so die Sozialforscherin: „Wir haben lange um eine Erlaubnis zur Eröffnung eines Drogentherapie-Zentrums gekämpft. Wir haben Maßnahmen zur Prävention, Schadensminderung und Behandlung von Drogenabhängigkeit vorgeschlagen, die auch nach und nach angenommen wurden.“
Die Zusammenarbeit mit der reformorientierten Regierung von Mohammad Khatami sei für Sozialaktivisten und NGOs einfacher gewesen, so die Expertin. „Wir haben unser Programm bis vor neun Jahren weiterentwickeln und sogar Lebenskompetenzprogramme für die Grundschulen hinzufügen können“, berichtet sie. Diese Programme wendeten sich an Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 15 Jahren. Sie beinhalteten Themen wie den Umgang mit drogenabhängigen Freunden oder Suchtprävention.
Die Regierung von Ahmadinedschad halte aber wenig von solchen Programmen und investiere so gut wie nichts in sie. Nach Informationen der Sozialforscherin wurden die Lebenskompetenzprogramme in nur sieben Prozent der Teheraner Schulen eingeführt: „Und über andere Städte brauchen wie erst gar nicht zu reden.“