Die Not der iranischen ArbeiterInnen
Millionen von iranischen Werktätigen arbeiten unter widrigen Umständen. Vielen werden Lohn und Arbeitsrechte verweigert. Besonders die weiblichen Arbeitskräfte leiden unter den prekären Arbeitsbedingungen.
„In vielen iranischen Betrieben ist es mittlerweile üblich, dass die Arbeitgeber ihre ArbeiterInnen um den Lohn und die Rechte betrügen, die ihnen eigentlich zustehen. Die Arbeitskräfte müssen leere Blätter unterschreiben, die erst später von den Arbeitgebern mit einem Text versehen werden. Die Belegschaft stimmt damit ungewollt Arbeitsbedingungen zu, die für sie untragbar sind.“ Das sagt Mohammad Ahmadi, ein Vertreter des staatlichen Iranischen Arbeiterrates aus der nordwestiranischen Provinz Qazvin, der Nachrichtenagentur ILNA.
Laut Ahmadi schreckt eine wachsende Zahl von Arbeitgebern nicht mehr davor zurück, die finanzielle Not und die Unkenntnis ihrer Rechte mancher ArbeiterInnen auszunutzen, um mehr Profit zu machen. „Selbst Frauen werden täglich Doppelschichten zugemutet. Und dafür wird vielen von ihnen noch nicht einmal der Mindestlohn gezahlt“, sagt der Arbeitervertreter.
Debatte unter Verantwortlichen
Lange ist die iranische Politik einer Auseinandersetzung mit der prekären Situation der Arbeiterschaft aus dem Wege gegangen. Die zunehmende wirtschaftliche Not vieler ArbeiterInnen in den letzten Jahren wurde selbst von Teilen der Hardlinern innerhalb des Systems kritisiert und hat unter Verantwortlichen eine Debatte über die Situation der iranischen ArbeiterInnen ausgelöst.
Jüngsten Schätzungen zufolge wird die Kaufkraft iranischer ArbeiterInnen im diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr stark sinken, und das, obwohl Teile der internationalen Sanktionen, die in der Vergangenheit der Wirtschaft des Iran enormen Schaden zugefügt haben, aufgehoben sind. Laut Alireza Mahjoub, dem Vorsitzenden der „Arbeiterfraktion“ im iranischen Parlament und Vorsitzenden der staatlichen Gewerkschaft Haus der Arbeiter, hat sich die Kaufkraft der Arbeiterschaft in den vergangenen acht Jahren halbiert. In einer Rede im Parlament wies Mahjoub kürzlich darauf hin, dass auch der Arbeitsminister über „die unwürdige Situation“ der ArbeiterInnen informiert sei und versuche, mit „netten Worten“ die Betroffen zu trösten. „Die Regierung täte gut daran, endlich zu handeln, denn Versprechungen alleine füllen die Teller der ArbeiterInnen nicht“, so Mahjoub in seiner Rede.
Frauen schwer betroffen
Groß ist die Not vor allem bei weiblichen Arbeitskräften, zeigt eine jüngst von Teheraner StudentInnen durchgeführte wissenschaftliche Studie. Ihr zufolge arbeiten Frauen größtenteils in Kleinbetrieben. Doch Unternehmen mit weniger als zehn Angestellten fallen im Iran nicht unter das Arbeitsrecht, was der Studie zufolge katastrophale Folgen für die Arbeiterinnen hat. So haben sie unter anderem weder Versicherungsansprüche noch Ansprüche auf Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall.
Und laut Mahjoub leiden die Frauen nicht nur in den Kleinbetrieben. Auch in vielen Großbetrieben – staatlich oder privat – ist die Situation für Arbeiterinnen mitunter unerträglich. So arbeiten Tausende Frauen aufgrund ihrer finanziellen Not bis zu 15 Stunden am Tag in Ziegeleien in unmittelbarer Nähe von Hochöfen, in Minen, Schlachthöfen und Schmelzhütten, obwohl sie laut Arbeitsrecht den Bedingungen an solchen Arbeitsplätzen nicht ausgesetzt werden dürfen, kritisieren ArbeitnehmervertreterInnen.
Die Folgen zeigen zwei Studien der Universitäten Jazd und Isfahan aus dem Jahre 2012. Demnach leiden viele Arbeiterinnen unter Haut-, Muskel- und Atemwegserkrankungen. Vor allem Beschäftigte der iranischen Teppichindustrie sind von diesen Erkrankungen betroffen. Viele von ihnen seien unter 16 Jahr alt und würden täglich 12 bis 16 Stunden arbeiten. Laut beider Studien sind sie extrem gesundheitsschädlichen Chemikalien ausgesetzt. In der Teppichindustrie des Iran arbeiten laut inoffiziellen Erhebungen bis zu 90 Prozent Frauen.
Sepehr Lorestani
Aus dem Persischen: Jashar Erfanian