„Die Aussichten im Iran sind düster“
Verbreitete Armut, begleitet von Wirtschaftssanktionen, sorgt für eine harte Lebenssituation der iranischen Bevölkerung. Ein politischer Ausweg wäre nur durch eine freie direkte Wahl möglich. Die Wahlen aus Sicht der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.
Das Recht auf freie Wahlen existiert im Iran nicht. Zwar sieht die Verfassung der Islamischen Republik direkte Wahlen vor. Doch nach einem Gesetz, das ein paar Jahre nach der Gründung der Republik vom Parlament verabschiedet wurde, finden die Wahlen in zwei Etappen statt. Erst werden die Kandidaten durch den Wächterrat vorgewählt. Dieser Rat, der nicht vom Volk gewählt wird (*), prüft die Eignung der Kandidaten, bevor sie vom Volk gewählt werden. Seine Entscheidungen muss der Wächterrat nicht erklären. Seine Bestimmungen sind willkürlich. Sie hängen von jeweiliger Tagespolitik und persönlichen Beziehungen ab. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2009 haben von etwa 300 Bewerbern nur vier die Auswahl bestehen können, einer von ihnen der derzeit amtierende Präsident Mahmoud Ahmadinedschad. Auch die anderen drei Kandidaten hatten zuvor wichtige Ämter in der Islamischen Republik inne.
Trotzdem gingen die Menschen 2009 an die Urnen und versuchten, aus den Vorausgesuchten den Besten zu wählen. Schon vor dem endgültigen Auszählen der Stimmen wurde damals der Sieg Ahmadinedschads verkündet. Auf friedliche Proteste der Wähler reagierte das Regime dann mit Gewalt und Gefängnis. Die Kandidaten Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karubi wurden ohne Haftbefehl und Rechtsbelehrung verhaftet. Sie stehen seit zwei Jahren unter Hausarrest.
Der iranischen Regierung scheint Zensur die beste Maßnahme, um die Menschen ruhig zu halten. Informationen werden der Bevölkerung vorenthalten. Breitbandinternet existiert nicht. Nachrichtenportale werden gefiltert und gesperrt. Selbst die Website der Stiftung Baran, die dem ehemaligen Präsidenten Mohammad Khatami gehört, wurde gefiltert. Nicht ohne Grund bezeichneten die Reporter ohne Grenzen das islamische Regime in einer Erklärung 2012 als „Feind des Internets“.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist der erste Schritt zur Demokratie. Deshalb werden Journalisten von diktatorischen Regierungen angefeindet. Der Iran hat weltweit die zweithöchste Anzahl von inhaftierten Journalisten.
Die Aussichten im Iran sind düster. Verbreitete Armut, begleitet von Wirtschaftssanktionen, sorgt für die harte Lebenssituation der iranischen Bevölkerung. Ein politischer Ausweg wäre nur durch eine freie direkte Wahl möglich – die Wahl einer Regierung, die imstande wäre, das Land aus seiner politischen Isolation herauszuholen und den Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen.
Zwar scheinen solche Aussichten im Augenblick nicht in Reichweite, doch existieren bedeutende Kräfte in der Bevölkerung, die eine grundlegende Veränderung herbeiführen werden. Die zivile Gesellschaft, vor allem die Jugend, die Arbeiter- und Frauenbewegung, werden im passenden Moment die Basis der Demokratie im Iran vorbereiten.
Shirin Ebadi
Quelle: Deutsche Welle/Persisch
(*) Die zwölf Mitglieder des Wächterrats sind zur Hälfte Geistliche und zur Hälfte Juristen. Die sechs geistlichen Mitglieder werden vom Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei direkt ernannt. Die Juristen werden vom Parlament gewählt, wobei nur vom obersten Richter vorgeschlagene und genehmigte Personen vom Parlament gewählt werden dürfen. Der oberste Richter wird wiederum vom Staatsoberhaupt ernannt.