Eine mühsame Suche

Die iranisch-amerikanische Künstlerin Shirin Neshat hat einen Film über die Grande Dame der ägyptischen Musik Oum Kulthum fertiggestellt. Ein schwieriges Unterfangen, denn es ist wenig über das private Leben der Sängerin bekannt.
Eigentlich hätte es ein Biopic werden sollen über die Sängerin, die bis heute im Orient verehrt wird wie keine andere. Doch die jahrelangen Recherchen und Reisen zur Familie des Stars war so unergiebig,  dass Shirin Neshat und ihr Co-Autor Shoja Azari beschlossen, sich dem Mythos Oum Kulthum auf eine andere Weise zu nähern.
Der Film erzählt die Geschichte von Mitra, einer iranischen Künstlerin, Mutter und Ehefrau, die einen Film über Oum Kulthum drehen möchte. Sie will herausfinden, was deren Erfolg in einer patriarchalen Gesellschaft ermöglicht hat. Doch die Probleme auf dem Weg zu diesem Ziel sind so zahlreich, dass Mitra zusammenbricht. Erst durch die Hilfe von Ghada, einer Schauspielerin und Sängerin, die die Rolle der Oum Kulthum in Mitras Film spielt, gelingt Mitra der künstlerische Durchbruch und internationaler Ruhm. Doch dieser Erfolg wird ihr zum Verhängnis, denn sie kann nicht mehr in ihre Heimat Iran zurückkehren.
Im Gespräch mit der persischen Redaktion der Deutschen Welle erzählt Shirin Neshat, warum sie diesen Film gemacht hat, welche Schwierigkeiten sie dabei hatte, und warum deutsche Filmfans ihn anschauen sollten. Iran Journal veröffentlicht Auszüge des Interviews.

Frau Neshat, wenn Sie heute Ihr Filmprojekt „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ für einen Filmproduzenten in zwei Minuten erklären müssten, was würden Sie sagen?

Shirin Neshat: Der Film handelt von dem Versuch einer im Exil lebenden iranischen Regisseurin, einen Film über Oum Kulthum zu drehen. Dabei geht es im Grunde um das Porträt zweier Frauen in zwei verschiedenen Epochen: Die eine ist eine Iranerin, die eigentlich auf der Suche nach Selbsterkenntnis ist. Die andere gilt als die bedeutendste Künstlerin des Nahen Ostens im 20. Jahrhundert. Kern der Geschichte ist das Dasein als Frau und Künstlerin in patriarchalen Gesellschaften. Welchen Preis zahlen Frauen in männerdominierten Gesellschaften für ihren Erfolg?

Gibt es auch autobiographische Züge in diesem Film?

Ja. Manches bezieht sich auf meine eigenen Erfahrungen als eine aus dem Orient stammende Frau, die immer ein nicht-traditionelles Leben geführt hat, und mit einem Kind ihrem künstlerischen Schaffen nachgegangen ist. Für mich war es wichtig zu wissen, wie Oum Kulthum es zu diesem Maß an Ruhm und Erfolg geschafft hat.

Und wissen Sie es jetzt?

In etwa.

Shirin Neshat and Shoja Azari, 2009 - © Manfred Werner
Shirin Neshat and Shoja Azari, 2009 – © Manfred Werner

Warum sind Sie jetzt auf den Gedanken gekommen, diesen Film zu drehen, und nicht etwa vor zwanzig Jahren?

Meine künstlerischen Tätigkeiten waren bis jetzt stets in irgendeiner Weise mit kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Themen des Iran verbunden. Nach Jahren der Trennung vom Iran war ich der Nostalgie überdrüssig geworden und habe mich entschlossen, die Richtung meiner künstlerischen Tätigkeit zu ändern und mich nicht mehr nur auf den Iran zu konzentrieren. Zudem habe ich mich in meinen künstlerischen Tätigkeiten mit erfolgreichen Frauen, die ein außergewöhnliches Leben geführt haben, wie etwa Forough Farrokhzad* oder Shahrnoush Parsipour** befasst. Hinzu kommt, dass die Musik in meiner Kunst immer eine wichtige Rolle gespielt hat und noch spielt. Mir schien, dass Oum Kulthum geeignet wäre, mir den künstlerischen Abstand zum Iran zu ermöglichen.

Maria Callas oder Miriam Makeba wären dafür auch geeignet. Weshalb haben Sie sich für Oum Kulthum entschieden?

Vor acht Jahren waren der iranische Filmemacher Bahman Kiarostami und ich auf einem Filmfestival. An einem Abend saßen wir irgendwo, und da lief ein Lied von Oum Kulthum. Ich sagte, dass ich die Stimme dieser Frau sehr liebe. Ich kenne ihre Musik seit meiner Kindheit. Ich erinnere mich, dass ihre Musik damals in iranischen Geschäften und Reisebussen gespielt wurde. Bahman fragte mich, warum ich nicht einen Film über ihr Leben drehen würde. Zuerst dachte ich, dass ein arabischer Filmemacher diesen Film machen müsste. Aber später änderte ich meine Meinung.

Welche Eigenschaft von Oum Kulthum schätzen Sie am meisten?

Fortsetzung auf Seite 2