Türkei und Iran: Alte neue Freunde?

Nach der Lockerung der Sanktionen gegen den Iran kommen sich Teheran und Ankara näher. Die neue Zusammenarbeit bedeutet für beide Länder vor allem wirtschaftlichen Gewinn. Allerdings drohen der Türkei dadurch kräftige Einbußen bei ihrer hervorgehobenen Stellung im Nahen Osten.
Ob es um Irak, Syrien oder andere Konflikte in der Region ging: Bisher standen sich immer der Iran und die Türkei mit gegensätzlichen Interessen gegenüber. Doch in Zukunft soll es anders werden. Ende Januar reiste der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan nach Teheran und verhandelte mit den Führern der Islamischen Republik über neue Wege der Zusammenarbeit, Hilfe für Syrien und Bekämpfung der islamistischen Terrorgruppen. Dabei wurden fünf Vereinbarungen getroffen. Das bilaterale Handelsvolumen beider Staaten werde im nächsten Jahr von derzeit weniger als 20 Milliarden auf 30 Milliarden US-Dollar steigen, ließ der iranische Kommunikationsminister Mahmoud Vaezi wissen. Die Zusammenarbeit soll vor allem in den Bereichen Telekommunikation, Transport, Öl und Gas stattfinden. Weitere Schritte zur Annäherung sollen bald folgen.
Hoffen auf Handelserfolg

Das bilaterale Handelsvolumen beider Staaten soll vorerst auf 30 Milliarden US-Dollar steigen
Das bilaterale Handelsvolumen beider Staaten soll vorerst auf 30 Milliarden US-Dollar steigen

Der Iran deckt über 25 Prozent des Gasbedarfes und 15 Prozent des Ölbedarfes der Türkei. IranerInnen benötigen kein Visum, um in die Türkei einzureisen. Deshalb reisen jährlich mehr als 2 Million IranerInnen ins Nachbarland. Trotz wirtschaftlicher Sanktionen war 2012 der Iran der drittgrößte Handelspartner der Türkei. Die türkische Halkbank unterstützte den Iran dabei, die internationalen Sanktionen gegen das Land zu umgehen. Nach der Lockerung der Sanktionen hofft die Türkei nun auf einen Handelsausbau.
Nach Meinung von Professor Mehmet Seyfettin, Direktor der „Zentrums für internationale strategische Sicherheitsstudien“ (UGSAM) in Ankara, wird dieser Wunsch der Türkei in Erfüllung gehen. „Das Ziel, ein Handelsvolumen von 100 Milliarden US-Dollar zu erreichen, ist möglich“, sagt er. Pläne, die wegen wirtschaftlicher Sanktionen auf Eis gelegt worden waren, sollten reanimiert werden: „Öl und Gas vom Kaspischem Meer, aus Zentralasien und dem Kaukasus können billig und über kürzere Transitwege über den Iran nach Europa transportiert werden“, so der Direktor der UGSAM. Dazu fehle allerdings noch die amerikanische Zustimmung.
Türkei als Gewinner
Auch Yasar Aydin von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin ist zuversichtlich, dass die türkisch-iranischen Handelsbeziehungen ausbaufähig sind und beide Länder Vorteile daraus ziehen können. Der Iran brauche einen Absatzmarkt, die Türkei benötige Erdgas, damit sie ihre Abhängigkeit von Russland verringern könne, so der Türkeiexperte. China ist der größte Handelspartner des Iran, daher könne die Türkei die Chinesen nicht ersetzen, die im Iran günstige und billige Produkte anbieten. Deswegen müsse die Türkei auf Produkte setzen, die China nicht anbiete – etwa Autos. „Dafür gibt es im Iran einen Markt.“ Aydin sieht die Türkei als Gewinnerin bei der Normalisierung der Beziehung zwischen dem Iran und dem Westen.
„Türkei verliert ihre Bedeutung“
Jährlich reisen mehr als 2 Million IranerInnen in die Türkei!
Jährlich reisen mehr als 2 Million IranerInnen in die Türkei!

Arif Keskin von „Zentrum für Internationale Beziehung und Strategische Analyse“ (TURKSAM) in Ankara, ist anderer Meinung: die Annäherung des Iran an den Westen werde die Türkei als Verliererin dastehen lassen. „Die Türkei wird ihre strategische und geopolitische Bedeutung in der Region verlieren, der Iran als regionale Macht hervortreten.“ Keskin weist darauf hin, dass der iranische Präsident Hassan Rouhani am Rande des Weltwirtschaftsforums in der Schweiz Gespräche mit Managern westlicher Konzerne geführt habe: „Rouhanis Regierung lud westliche Investoren in den Iran ein, nicht türkische.“
Er betrachte den Iran als „zweite Heimat“, sagte der türkische Premier Erdogan in Teheran. Neben den fünf unterzeichneten Vereinbarungen ließ auch die Hoffnung aufkommen, dass der geplante „oberste Kooperationsrat“ bald seine Arbeit aufnimmt. Der Rat soll durch Maßnahmen wie etwa gemeinsame Kabinettssitzungen beider Regierungen die Beziehungen vertiefen.
Nach den Spannungen in den letzten Jahren sieht es jetzt also danach aus, dass sich die Beziehung der beiden Länder verbessert. Der geplante Gegenbesuch von Hassan Rouhani in Ankara im Februar soll eine weitere Weichenstellung in diese Richtung sein.
  Taher Shir Mohammadi