"Leere Drohungen aus Teheran"

Iranische Politiker und Militärs hatten in Erwägung gezogen, im Falle eines Öl-Embargos die strategisch wichtige Wasserstraße von Hormus zu sperren. Doch die Reaktionen aus Teheran sind in den letzten Tagen viel schwächer als angekündigt. Experten sind sich einig: Das Regime befindet sich in seiner schlimmsten Krise.
 
„Das iranische Volk“ werde nicht tatenlos zusehen, wenn „die verdorbenen Mächte“ ihm drohten, hatte im November letzten Jahres das iranische Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei in Bezug auf das bevorstehende Ölembargo seitens der Europäischen Union (EU) verkündet. „Wir werden auf jede Drohung mit Drohung antworten“, so Khamenei.
Andere iranische Politiker und hochrangige Militärs eiferten ihrem Führer nach. „Sollte der Westen das iranische Öl boykottieren, wird kein Tropfen Öl die Straße von Hormus passieren“, ließ Mohammad Reza Rahimi, Irans Vizepräsident, die Weltöffentlichkeit wissen. Damit sind die Öllieferungen Saudi-Arabiens, Kuweits und der Vereinigten Arabischen Emirate an die EU gemeint, die diesen Seeweg nutzen. Der Westen sollte auf seine Drohungen verzichten, sonst werde der Iran ihn „mit aller Entschiedenheit in die Schranken weisen.“
Im November 2011 waren sich viele politischen Beobachter einig, dass Teheran nur bluffe und damit die EU-Sanktionen verhindern wolle. Sie wiesen auch auf die Tatsache hin, dass sich die Verantwortlichen des Gottesstaates, in Bezug auf Drohungen gegen die westlichen Staaten, nicht einig waren. Während manche mit Säbeln rasselten, traten andere als moderat auf. Ali Akbar Salehi etwa übernahm die Rolle des Schlichters und versicherte, das seien persönliche Meinungen einzelner Verantwortlichen. Wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Außenpolitik werde das Außenministerium mitteilen, so der Minister.
Das Öl-Embargo in Kraft

Die Straße von Hormus. Foto: psyop.ir.
Die Straße von Hormus. Foto: psyop.ir.

Am Sonntag, den 01. Juli, sind die neuen Sanktionen der EU in Kraft getreten. Danach sind sämtliche Öl- und Kraftstoffeinfuhren aus dem Iran verboten. Außerdem dürfen europäische Firmen iranisches Öl nicht mehr transportieren. Auch die Versicherungsunternehmen dürfen entsprechende Schiffe nicht versichern. Daher haben die wichtigsten asiatischen Abnehmer des iranischen Öls, Südkorea, Japan und China angekündigt, kein Öl mehr aus dem Iran zu beziehen, beziehungsweise  ihre Erdöleinfuhren aus dem Iran stark reduzieren zu wollen.
Die EU will mit diesen Maßnahmen die Islamische Republik zur Abkehr von ihrem Atomprogramm bewegen. Die USA und ihre Verbündeten werfen dem Iran vor, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung von Kernenergie an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Teheran hat bis jetzt diesen Vorwurf bestritten.
Dasselbe Szenario
Als Antwort auf die Sanktionen der EU wiederholen seit Tagen iranische Politiker und Militärs die Drohungen vom letzten Jahr. Ein Tag vor dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen teilte der einflussreiche Parlamentsausschuss für nationale Sicherheitsfragen und Außenpolitik mit, einen Gesetzentwurf als Gegenmaßnahme vorgelegt zu haben. Danach soll die Wasserstraße von Hormus für Tanker gesperrt werden, die Erdöl in Länder transportieren wollen, die die Sanktionen gegen den Iran mittragen.
„Wir setzen unsere Pläne zur Abwehr der Sanktionen um“, sagte Mahmoud Bahmani, Chef der iranischen Nationalbank am Sonntag. Der Iran werde eine angemessene Antwort auf  „diese böswillige Politik“ geben, so Bahmani.
Am Montag, den 02. Juli, startete die Revolutionsgarde ein militärisches Manöver, bei dem auch  Raketentests stattfinden. Es werden Raketen sämtlicher Reichweiten ausprobiert, schreiben iranische Nachrichtenagenturen.
„Leere Drohungen“
Wie im letzten Jahr sind sich auch jetzt viele Experten einig, dass die Drohungen aus Teheran nur einem innenpolitischen Zweck dienten, aber keine außenpolitische Relevanz hätten. Man versuche mit solchen Aktionen das eigene Image krampfhaft aufrecht zu erhalten.
Der in Berlin lebende politische Analyst Mehran Barati ist der Meinung, dass die Islamische Republik gar nicht in der Lage sei, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen. Das Regime stecke in einer schweren Krise und sei sich den verheerenden Folgen der neuen Sanktionen bewusst, so der Iran-Experte. Was Teheran sich insgeheim wünsche, sei die Aufhebung der Sanktionen gegen die iranische Zentralbank, die den iranischen Geldtransfer fast zum Erliegen gebracht haben, betont Barati. Doch der Westen habe bis jetzt abgewunken.
Transparency for Iran

„Leise Töne“ der Hardliner
Wieder einmal präsentiert sich der Außenminister Salehi als moderater Politiker: „Wir setzen mehr auf gegenseitiges Verständnis als auf Konfrontation“, sagte er am Montag in Bezug auf die Atomgespräche.
Die letzten Gesprächsrunden in Bagdad und Moskau waren ergebnislos verlaufen. Die kommenden sollen endlich zur Lösung des Problems beitragen. „Bei den Verhandlungen hat es Höhen und Tiefen gegeben, doch ich bin der Meinung, dass wir dabei sind, den Atomkonflikt zu lösen“, beschwichtigt Salehi.
Auch der Vizepräsident Mohammad Reza Rahimi schlägt nun leise Töne an und verzichtet auf harte Gegenmaßnahmen wie die Sperrung der Wasserstraße, die den Persischen Golf mit dem arabischen Meer verbindet und dem indischen Ozean verbindet. „Wir sollten die Sanktionen begrüßen“, sagte er am Sonntag. Er sieht die Sanktionen als eine Chance für den Iran, seine wirtschaftliche Autonomie stärker auszubauen. Der Iran gehöre „zu den 20 größten Wirtschaftsmächte der Welt“ und könne die neuen Sanktionen verkraften, verkündete Rahimi der Weltöffentlichkeit.
Doch sofort wiesen viele iranische Internetuser den hochrangigen Politiker auf die Angaben mancher Parlamentarier und staatlicher Arbeiterfunktionäre hin, die vor dem baldigen wirtschaftlichen Kollaps des Landes warnen. Zuletzt hatte Anfang Mai der Leiter des staatlichen Arbeiterverbands, Fatollah Bayat, gegenüber der Nachrichtenagentur ILNA die Situation der iranischen Wirtschaft als „besorgniserregend“ bezeichnet. Da vorgesehene staatliche Fördergelder nicht an die Banken gezahlt wurden, fehle jetzt den Banken das Kapital für die Kreditvergabe an Unternehmen. Bayat griff die Regierung wegen der „ökonomischen Instabilität des Landes“ scharf an und wies auch darauf hin, dass „mehr als 50 Prozent der iranischen Arbeiter unter der Armutsgrenze“ lebten.
Nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur haben iranische Ölexporte stark abgenommen und sind von 2,5 Millionen Barrel täglich im Dezember 2011 auf  1,5 Mio. Barrel gefallen. Das bedeutet für den Iran einen Verlust von mindestens 50 Millionen US-Dollar pro Tag.