Das gebrochene Versprechen
Allein in den vergangenen drei Monaten haben nicht weniger als acht europäische Staaten dem Iran vorgeworfen, Terrorakte in Europa ausgeführt oder geplant zu haben. Die Europäische Union verhängte deshalb Anfang Januar Sanktionen gegen den iranischen Geheimdienst. Aus Teheran folgten wie zu erwarten Dementis und Drohungen.
Von Ali Sadrzadeh
Die Geschichte wiederholt sich – ob als Tragödie oder als Farce, werden wir noch erfahren. Und zwar höchstwahrscheinlich bereits in diesem Jahr: Denn das Jahr 2019 geht schwanger mit wichtigen und dramatischen Ereignissen.
Allen Differenzen mit US-Präsident Donald Trump zum Trotz positioniert sich Europa wegen neuer Terrorpläne und alter Terrorakte gegen den Iran neu. Man will sich nicht mehr alles gefallen lassen, was die Machthaber der Islamischen Republik auf europäischem Territorium anstellen.
Hocherfreut über diese neue Haltung Europas gegenüber Teheran, beschleunigen die USA den angelaufenen Prozess. Schon in drei Wochen soll in Europa eine große Anti-Iran-Konferenz stattfinden. Ort der Veranstaltung ist Polen, ein Land, das mit der US-amerikanischen Außenpolitik bekanntlich weniger Probleme hat als mit der europäischen. Schon haben zehn Länder ihre Teilnahme an dieser Konferenz zugesagt. Und auch der Iran hat reagiert: Vergangenen Sonntag hat das iranische Außenministerium den polnischen Botschafter in Teheran einbestellt, um gegen die geplante Konferenz zu protestieren.
Man veranstalte im eigenen Land Konferenzen mit wem man wolle und zu welchem Thema auch immer, war die Reaktion aus Warschau.
Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen hatte Europa eigentlich nicht alle Brücken zum Iran einreißen wollen. Man verteidigte das Abkommen und sucht immer noch Wege, um die US-Sanktionen gegen die Islamische Republik zu umgehen. Doch diese Gratwanderung droht zu scheitern – wie einst, als Europa mit seinem „kritischen Dialog“ versuchte, irgendwie mit dem Iran in Kontakt zu bleiben.
Ein altes Stück, neu inszeniert
Ein Stück, das wir aus jüngerer Vergangenheit kennen, wird damit offenbar neu inszeniert. Es geht so: Erst wird der Islamischen Republik vorgeworfen, iranische Oppositionelle in Europa durch Terroranschläge und Morde liquidiert zu haben oder liquidieren zu wollen. Dem folgen gemeinsame Proteste, Solidaritätsbekundungen und Sanktionen der einzelnen europäischen Länder. Daraufhin melden sich US-Politiker zu Wort und zeigen sich erfreut darüber, dass Europa endlich lerne, Position gegen die „terroristischen Machthaber“ im Iran zu beziehen.
Das obligatorische Dementi, gepaart mit Drohungen, kommt als vorläufig letzter Auftritt dieses Aktes aus Teheran.
Denn die Vorstellung ist damit noch keineswegs zu Ende. Es beginnt der zweite und spannendere Teil der Inszenierung: Europa will es sich trotz allem mit dem Iran nicht ganz verderben. Eine Hintertür muss offen bleiben. Gleichwohl will man sich von der brachialen Iran-Politik der USA irgendwie absetzen. Und damit beginnen die Rückzugsgefechte und Deeskalationsübungen – verbunden mit der Hoffnung, es werde bald wieder eine gewisse Normalisierung einkehren.
Der erste Akt
Die erste Arbeitswoche des neuen Jahres begann mit dem ersten Auftritt. Anfang der Woche teilte der dänische Außenminister Anders Samuelsen per Twitter mit, die EU-Staaten hätten sich auf neue Sanktionen gegen den iranischen Geheimdienst geeinigt. „Starkes Signal der EU, dass wir solches Verhalten in Europa nicht akzeptieren“, so Samuelsen in seinem Tweet. Der dänische Geheimdienst hatte dem Iran Ende Oktober vorgeworfen, einen Anschlag auf drei Iraner in Dänemark geplant zu haben.
Doch es blieb nicht dabei. Noch am selben Tag kamen die Niederlande mit weiteren Vorwürfen. Wenige Stunden nach Samuelsen trat der niederländische Außenminister Stef Blok vor die Presse und teilte mit, es gebe klare Hinweise, dass die iranische Regierung in die Ermordung von zwei niederländischen Bürgern iranischer Herkunft verwickelt sei.
Ein politischer Racheakt
Fortsetzung auf Seite 2