„Recht und Gesetz mit Füßen getreten“

Iranische MusikerInnen fordern Staatschef Hassan Rouhani auf, gegen gesetzeswidrige Restriktionen vorzugehen. Dessen Kulturminister wiederum spricht sich dagegen für deren Aufrechterhaltung aus. Kulturnachrichten aus dem Iran. 

Als Reaktion auf die jüngsten Konzertverbote sowie die Diskussionen, die anschließend in Regierung und iranischer Geistlichkeit geführt wurden, haben iranische MusikerInnen vergangenen Mittwoch einen offenen Brief an Irans Staatspräsidenten Hassan Rouhani verfasst. Darin loben die Verfasser ihn für seinen Aufruf, nicht im Namen der Religion „über Nacht irgendwelche neuen Entscheidungen zu treffen“, die den Gesetzen des Landes widersprächen.

„Die willkürlichen Konzertverbote durch Staatsanwaltschaft und Freitagsprediger geben uns Anlass zur Sorge um unsere berufliche Zukunft im Iran“, ist in dem offenen Brief zu lesen, der von über 3.000 MusikerInnen unterzeichnet wurde. Rouhani müsse unterbinden, dass „Recht und Gesetz mit Füßen getreten werden“, heißt es weiter. Die Musik sei nur ein Vorwand jener, die die Verfassung des Landes aushebeln wollten. Weitere Bereiche der Gesellschaft würden folgen, so der Verdacht der MusikerInnen, wenn die Regierung nicht dagegen vorgehe, dass „jeder nach seinem eigenen Gutdünken handelt“. Letzteres zu akzeptierten sei ein „schwerer Fehler“ und Kulturminister Ali Jannati habe sich dessen bereits schuldig gemacht.

„Verfassungswidriges Handeln beginnt manchmal nur mit einer Rede eines Freitagspredigers. Aber die passende Antwort darauf ist nicht, eine Gegenrede zu halten. Sie, Herr Rouhani, müssen praktisch zeigen, dass Sie ein Verteidiger der iranischen Verfassung sind, wie Sie es während des letzten Präsidentschaftswahlkampfs angekündigt haben. Irans MusikerInnen erwarten, dass Sie ernsthaft gegen jene vorgehen, die den Gesetzen zuwider handeln, und dafür sorgen, dass solche Dinge sich künftig nicht mehr wiederholen. Wir möchten nichts weiter als dass wir wie jeder normale Bürger des Iran unserer Arbeit in Ruhe nachgehen können“, so die MusikerInnen.

In den letzten Jahren haben die Hardliner ihre Angriffe gegen Konzerte verstärkt - Foto: Hizbollah-Anhänger stören ein Konzert in der Stadt Bushehr
In den letzten Jahren haben die Hardliner ihre Angriffe gegen Konzerte verstärkt – Foto: Hizbollah-Anhänger stören ein Konzert in der Stadt Bushehr

Der konservative Freitagsprediger der Pilgerstadt Mashhad in der Provinz Khorasan, Ahmad Alamolhoda, hatte sich jüngst für ein Konzertverbot ausgesprochen. Daraufhin hatte der Staatsanwalt der Provinz ein im August geplantes Konzert des Musikers Salar Aghili verboten. Die Behörde untersagte zudem zunächst alle in Khorasan geplanten Konzerte. Die Erklärung von Kulturminister Jannati, er wolle dies akzeptieren, sorgte für Empörung und stieß auch bei Staatschef Rouhani auf Ablehnung.

Eine neue Eskalation in dem Streit zwischen MusikerInnen auf der einen und konservativen iranischen Behörden und Geistlichen auf der anderen Seite stellt die jüngste Verhaftung des iranischen Rappers Amir Tataloo dar.

Keine Lizenz für BBC Farsi

Der iranische Kulturminister Ali Jannati hat Gerüchten widersprochen, der britische Fernsehsender BBC Persian könne vom iranischen Staat eine Genehmigung erhalten, um in Teheran eigene Büros zu eröffnen. „BBC Persian wird keine Lizenz erhalten, um vom Iran aus zu arbeiten“, so der Politiker gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur Mehr News.

Offen ließ Jannati aber, ob BBC World eine Arbeitslizenz bekommen kann: „Die Berichterstattung von BBC World über den Iran unterscheidet sich deutlich von der BBC Persians. Die Anfrage wird im Ministerium diskutiert werden und es ist nicht ausgeschlossen, dass BBC World die Erlaubnis erhält, in Teheran Büros zu eröffnen“, so Irans oberster Kulturchef.

Die iranische Führung betrachtet insbesondere persischsprachige Sender wie BBC Persian, Voice of America Persian und DW Persian seit Jahren als feindlich und „konterrevolutionär“ und wirft ihnen vor, einen so genannten „sanften Krieg“ gegen den Iran zu führen. Die Webseiten dieser Sender werden vom Ministerium für Information und Kommunikationstechnologie gefiltert und sind für IranerInnen im Internet nur über Umwege zu erreichen.

Sänger wirft beliebtem Auslandssender Nähe zu Israel vor

Kritisch beäugt wird von der iranischen Führung auch der noch junge iranisch-türkische Fernsehsender GEM TV, der in letzter Zeit für viele aufgrund der im Iran bestehenden künstlerischen Restriktionen abwanderungswillige iranische SchauspielerInnen immer attraktiver zu werden scheint.

Iranische Schauspielerinnen werden von den regimetreuen Medien kritisiert, weil sie im Iran mit Kopftuch und bei GEM TV ohne auftreten - Foto: tasnimnews.com
Iranische Schauspielerinnen werden von den regimetreuen Medien kritisiert, weil sie im Iran mit Kopftuch und bei GEM TV ohne auftreten – Foto: tasnimnews.com

Nun könnte GEM TV noch mehr ins Visier der Zensoren geraten. Grund dafür sind Aussagen des Sängers Rahim Shahriari, der den Entertainmentsender bei einer Pressekonferenz vergangene Woche mit israelischen Unternehmen in Verbindung brachte. Die von GEM TV organisierten iranischen Konzerte im türkischen Antalya würden von israelischen Unternehmen gesponsert. „Ich bekomme jedes Jahr mehrere Angebote, in Antalya aufzutreten. Ich lehne diese jedoch ab, weil ich nicht mit den israelischen Geldgebern einverstanden bin. Unter diesen Umständen werde ich niemals in Antalya auftreten“, so Shahriari. Israelische Firmen würden die Konzerte finanzieren, um iranische TouristInnen nach Antalya zu locken, das in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Reiseziele von IranerInnen aufgestiegen ist.

Neandertalersiedlung entdeckt

Ersten Hinweis auf eine mögliche Siedlung habe eine junge Archäologiestudentin entdeckt
Ersten Hinweis auf eine mögliche Siedlung habe eine junge Archäologiestudentin entdeckt – Foto: aus dem Archiv

In der nordiranischen Provinz Mazandaran haben Ausgrabungsarbeiten die Existenz von Neandertalersiedlungen in der Region bewiesen. Einen ersten Hinweis auf eine mögliche Siedlung soll kürzlich eine junge Archäologiestudentin der Nowshahr-Universität entdeckt haben, die bei einem Spaziergang auf Steinwerkzeuge gestoßen sei, berichtet der archäologische Expeditionsleiter Hamed Vahdatinasab von der Universität Mazandaran. „Untersuchungen der Fundstätte liefern deutliche Hinweise, dass die Region Heimat von Neandertalern war“, so der Wissenschaftler. „Die altsteinzeitliche Siedlung ist die erste ihrer Art am nördlichen Elbursgebirge. Weitere Funde im Rahmen unserer einwöchigen Expedition legen nahe, dass das Ausbreitungsgebiet der Neandertaler ziemlich groß war“, wird Vahdatinasab von Mehr News zitiert.

Die an der Expedition beteiligten Archäologen schätzen die Zahl der Steinwerkzeuge, die möglicherweise in der Region Mazandaran vergraben liegen, auf mehrere Hunderttausend. „Die meisten Werkzeuge, die gefunden wurden, stammen aus der Zeit des Mittelpaläolithikums von 250.000 bis 40.000 v. Chr., die eine Hochzeit der Neandertaler darstellte“, so Vahdatinasab. Es wird vermutet, dass die Besiedlung der Gegend wegen der hohen Zahl an Rohstoffen und Grundnahrungsmitteln erfolgte. Bereits in der Vergangenheit hatten Höhlenfunde in verschiedenen Regionen des Iran belegt, dass das Land in der Epoche des Moustérien, die mit der Kultur der Neandertaler assoziiert wird, besiedelt wurde.

  JASHAR ERFANIAN

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