Verseuchte Grundnahrung

Die Anzahl der KrebspatientInnen im Iran hat in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Neben giftigen Autoabgasen, die den GroßstädterInnen die Luft zum Atmen nehmen, warnen Experten vor ungesunden Lebensmitteln und ungesundem Lebensstil. Ausgerechnet über den Reis als eines der beliebtesten Nahrungsmittel im Iran gibt es besorgniserregende Berichte.
Ein Lebensmittel darf in der iranischen Küche nicht fehlen: Reis. Laut offiziellen Angaben werden im Iran jährlich mehr als 3 Millionen Tonnen Reis verzehrt. Um den großen Bedarf zu decken, werden über eine Million Tonnen davon importiert. Seit einiger Zeit aber beunruhigen Berichte über „verseuchte Reiskörner“ die VerbraucherInnen.
In einigen Sorten des importierten Reises sollen erhöhte Mengen des chemischen Elements Arsen festgestellt worden sein, in einigen anderen Spuren des Pilzgiftes Aflatoxin oder von Schwermetallen wie beispielsweise Quecksilber, berichten Medien. Das der Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenportal Tasnim veröffentlichte kürzlich sogar „Beweismaterial“ und warf der Regierung vor, in staatlichen Lagerräumen deponierten faulen und verseuchten Reis in manchen Provinzen zum Verkauf angeboten zu haben. Der Reis soll unter anderem aus Indien, Thailand, Uruguay, Argentinien und den USA stammen.
Das Ministerium für Landwirtschaft weist die Vorwürfe zurück. Auch die importierten Lebensmittel unterlägen strengen Kontrollen, so Vizeminister Ali Ghanbari. Die Berichte seien bloß Gerüchte und Propaganda gegen die Regierung.
Reisverbot für Kinder
Die Berichterstattung über „kontaminierte Reiskörner“ ist allerdings älter als die Regierung Hassan Rouhanis. Bereits im August 2008 berichteten Medien über Ermittlungen gegen die Geschäftsführer einiger Genossenschaften, die mit krebserregendem Aflatoxin befallenen Reis verkauft haben sollen. Die Geschäftsführer wollen den Reis vom Handelsministerium gekauft haben.
Seitdem wird dieses Problem immer wieder öffentlich thematisiert.

Reis gehört traditionell zur iranischen Küche und zählt zu den Hauptnahrungsmitteln des Landes
Reis gehört traditionell zur iranischen Küche und zählt zu den Hauptnahrungsmitteln des Landes

Die damalige Gesundheitsministerin Marzieh Vahid-Dastjerdi dementierte jegliche Verunreinigung. Ein Bericht der parlamentarischen Agrarkommission aus dem Jahr 2009 stellte jedoch fest, dass eine Studie des Teheraner Büros der Nationalen Standardorganisation die Kontaminierung beispielsweise aus Indien importierten Reises bereits bewiesen habe. Der Bericht offenbarte ebenso, dass keine landesweite Norm zur Kontrolle von Reis vorhanden sei und deshalb verseuchte Reiskörner importiert worden sein könnten.
Im Jahr 2011 wurde zwar eine Pflichtkontrolle importierten Reises auf Schwermetalle eingeführt. Dieser Schritt und die politische Debatte um das Thema zeigten jedoch kaum Wirkung. Die aktuelle Vizepräsidentin für Umweltschutz Masoumeh Ebtekar, die vor der Regierung Rouhani dem Umweltschutz-Komitee des Teheraner Stadtrates vorsaß, ging deshalb im Jahr 2013 einen Schritt weiter und schlug eine Diät ohne Reis für Kinder vor.
„Bleichmittel in der Milch
Unzulässige Substanzen sollen sich allerdings nicht nur im Reis befinden. Auch ungesunder Weizen, mit Aflatoxinen befallene Pistazien oder Teesorten mit überschrittenem Verfallsdatum sollen in den vergangenen Jahren in beachtlichen Mengen verkauft worden sein.
Der versuchte Reis soll unter anderem aus Indien, Thailand, Uruguay, Argentinien und den USA stammen
Der versuchte Reis soll unter anderem aus Indien, Thailand, Uruguay, Argentinien und den USA stammen

Einer der kuriosesten Fälle ist jedoch Bleichmittel in der Milch. 2012 gab der Generaldirektor des Amtes für Nahrung und Medikamente im Gesundheitsministerium in einem Interview mit der Zeitung Javan bekannt, dass einige kleine Milchbetriebe Bleichmittel in die Milch geben würden.
Neben den mangelhaften Normen für eine wirksame Kontrolle von Nahrungsmitteln soll auch die überdimensional erhöhte Einfuhr der vergangenen Jahre eine konsequente Aufsicht erschwert haben. Geschäftsleute mit engen Beziehungen zur Politik oder mächtige regimetreue Institutionen dürften hier ihre Hände im Spiel gehabt haben.
Laut dem Bericht der parlamentarischen Agrarkommission von 2009 wurde im selben Jahr der Antrag zur Einfuhr von mehr als einer Million Tonnen Reis genehmigt, obwohl das Land nur die Hälfte brauchte. Während der iranische Reis keinen Käufer finde, überflute der günstige Reis aus Pakistan und Indien den Markt, so die Webseite.
Im Jahr 2009, kurz nach den ersten Berichten über verseuchten Reis, gab der Parlamentarier Hosseinali Shahriari bekannt, dass in den drei Jahren zuvor ohne Genehmigung Reis aus Indien importiert worden sei.
Auch die wirtschaftliche und politische Lage trug dazu bei. Das teure Öl ließ die Kassen der Regierung Ahmadinedschad ordentlich klingeln. Anstatt langfristiger und arbeitsplatzfördernder Investitionen wurden die Petrodollars hauptsächlich für die Einfuhr von Konsumgütern ausgegeben. Und als die Schlinge der Sanktionen gegen den Iran in den folgenden Jahren immer enger gezogen wurde, musste das Land Öl gegen Waren tauschen, unter anderem Reis aus Indien importieren.
Auf der anderen Seite wird die Anbaufläche des qualitativ besseren iranischen Reises jährlich kleiner. Die extrem durstige Pflanze wird in dem überwiegend trockenen Land hauptsächlich in den wasserreichen und feuchten Gebieten am Kaspischen Meer angebaut. Der dünne Landstreifen im Norden des Landes ist allerdings auch für den Bau von Ferienhäusern sehr beliebt. In den vergangenen Jahren wurden viele Reisanbauflächen in bewohnte Grundstücke umgewandelt, weil das mehr Geld einbringt. Um den Rückgang beim Reisanbau zu kompensieren, muss dementsprechend mehr importiert werden.
Obwohl die Regierung Rouhani die Vorwürfe bezüglich der Verteilung verseuchten Reises zurückweist, scheint das Thema noch lange nicht vom Tisch zu sein. Der Generaldirektor des Amtes für Nahrung und Medikamente im Gesundheitsministerium sagte kürzlich der iranischen Nachrichtenagentur ISNA, dass alle importierten Waren streng kontrolliert würden. Schmuggelware oder Fälschungen, die entdeckt würden, würden aus dem Verkehr gezogen, so Behrouz Dschanat. Doch mit dem lukrativen Schmuggelgeschäft im Iran dürfte die Einfuhr von verseuchten Lebensmitteln wohl wieder vorkommen.
Übrig bleiben am Ende die Opfer. Verdächtig steigende Zahlen von Krebserkrankungen gehen unter anderem auf das Konto der Luft- und Nahrungsmittelverschmutzung.
IMAN ASLANI