Verschleierung oder Aufklärung: Wirtschaftskriminalität im Iran
Mit der Hinrichtung eines der größten Betrüger der iranischen Geschichte habe die Justiz die Aufklärung einer Unterschlagung erschwert, an der auch Teile der früheren Regierung beteiligt war, klagen Kritiker. Nun steht die Klärung eines noch größeren Falls von Wirtschaftskriminalität an. Auch dort soll es Unterstützung aus Regierungskreisen gegeben haben. Die Hinrichtung könnte deshalb auch eine Warnung an den dortigen Hauptangeklagten gewesen sein.
Am 24. Mai ist der Hauptangeklagte einer der größten Unterschlagungen der iranischen Geschichte hingerichtet worden: Mahafarid Amir Khosravi, früherer Geschäftsführer der iranischen Holding „Amir Mansour Aria Investment“, war im Februar vergangenen Jahres mit drei anderen Mitangeklagten zum Tode verurteilt worden. Sie sollen durch Manipulation von Kreditunterlagen zwei Milliarden Euro von staatlichen Banken im Iran veruntreut haben.
Kritiker werfen der Justiz vor, mit der Hinrichtung den Weg zur vollständigen Aufklärung des Falles erschwert zu haben. Nach Medienberichten sollen Mitglieder der damaligen Regierung von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und des Parlaments bei dem Betrug mitverdient haben. Vergangenes Jahr hatte die Justiz mitgeteilt, im Zusammenhang mit der Unterschlagungsaffäre vier Personen aus Regierungskreisen zu Haftstrafen von jeweils zehn Jahren verurteilt zu haben.
Warnung an anderen Täter?
Die plötzliche Hinrichtung Amir Khosravis könne aber auch noch mit einer anderen Absicht verbunden gewesen sein: Sie sei eine Warnung an Babak Zanjani, sagte am 25. Mai der Abgeordnete Amir-Abbas Soltani. Soltani ist Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Klärung der Hintergründe des Falles Zanjani.
Der skandalumwitterte Milliardär Zanjani ist seit Dezember 2013 in Haft. Ihm wird vorgeworfen, 2,7 Milliarden US-Dollar staatlicher Gelder unterschlagen zu haben. Hauptgeschädigter: das iranische Erdölministerium, dem Zanjani laut dem iranischen Vizepräsidenten Eshaq Jahangiri Einnahmen aus dem Ölverkauf schuldet.
Dass auch in diesen Fall die Regierung von Mahmoud Ahmadinedschad und das Parlament verstrickt sind, ist offensichtlich: Hossein Dehdaschti, ebenfalls Mitglied des Untersuchungsausschusses für den Fall Zanjani, weist auf die Verhaftungen mehrerer Verantwortlicher aus Regierungskreisen hin, die mit der Unterschlagung zu tun haben sollen. „Allen ist bekannt, dass hinter dem Namen Zanjani ein mafiaähnliches Netzwerk steht“, sagte Dehdatschi kürzlich vor JournalistInnen. Die bisherigen Festnahmen seien „nicht ausreichend“, so Dehdatschi. Er fordert, die Ermittlungen fortzusetzen, um den Fall aufzuklären. Zuvor hatten bereits andere Parlamentarier erklärt, Zanjani habe ausgesagt, selbst nur Strohmann gewesen zu sein.
„Nur Strohmann“
Babak Zanjani ist Inhaber verschiedener Firmen und Investmentfonds in Malaysia, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Tadschikistan. Jahrelang stand der Geschäftsmann der Islamischen Republik dabei zur Seite, die gegen sie verhängten Wirtschaftssanktionen zu umgehen: Er kümmerte sich um den Geld- und Gold-Transfer.
Zanjani, der seit Ende 2012 auf der Sanktionsliste der USA und der Europäischen Union steht, bestätigt zwar, im Auftrag des iranischen Ölministeriums Geldtransfers getätigt zu haben, dementiert aber die Beteiligung am Verkauf von Erdöl. Sein Handeln seien immer absolut transparent gewesen und unter der Aufsicht des zuständigen Ministeriums geschehen, so Zanjani.
Zanjani sei nur ein „Sündenbock“, sagt auch Hamidreza Hosseini, Vorstandsmitglied des Verbands der iranischen Erdölexporteure. Sein Fall solle von den eigentlichen Akteuren der Angelegenheit ablenken. Im vergangenen Dezember bestätigte Hosseini in der Zeitung Shargh Zanjanis gute Beziehungen zu Regierungskreisen: Er habe „eng mit der iranischen Zentralbank zusammen“ gearbeitet: „Während des irakischen Handelsboykotts kümmerte er sich um die Abwicklung der Geschäfte mit irakischem Erdöl über iranische Kanäle“, so Hosseini.
Der Revolutions- und Generalstaatsanwalt von Teheran, Abbas Jafari Dolatabadi, bezeichnet Zanjanis Fall als „nationale Angelegenheit und den größten Fall in der iranischen Justizgeschichte“. Er kritisierte wiederholt diejenigen, die den Fall kleinreden wollen.
Schadensausgleich
Diskutiert wird im Iran auch, wie die durch die Unterschlagung entstandenen finanziellen Schäden beglichen werden können. Das Justizministerium verfüge über eine Auflistung von Zanjanis Vermögen, hatte dazu der Oberstaatsanwalt des Iran, Mohsen Ejei, kürzlich gesagt. Das Gericht habe in erster Instanz festgestellt, dass Zanjani damit die Forderungen der Gläubiger begleichen könne.
Diese Erklärung der Oberstaatsanwaltschaft sorgte im iranischen Parlament sowie in Regierungskreisen für Aufregung. Kritiker der Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass Zanjanis Schulden sein Vermögen weit übersteigen. So hatte sich kürzlich auch der iranische Erdölminister geäußert: Zanjanis Vermögen im Iran reiche nicht aus, um die Schulden zu begleichen, hatte Bijan Namdar Zangane erklärt. Zanjani habe sein Vermögen bereits ins Ausland transferiert, deshalb sei eine Zwangsvollstreckung notwendig, so der Minister.
Zu Zanjanis Besitztümern im Iran gehörten etwa ein Fußballklub und eine Fluggesellschaft. Beide wurden bereits unter Aufsicht der iranischen Oberstaatsanwaltschaft veräußert. Der Fußballclub Rah-Ahan Sorinet steht zwar auf der Rangliste der iranischen Fußball-Erstliga nur an elfter Stelle, gehört aber immerhin zu den sechzehn Profimannschaften, die alljährlich am Persian Gulf Cup teilnehmen. Die 1993 gegründete Qeshm Airlines hingegen erscheint zwar mit vielversprechender Webseite. Einen aktuellen Flugplan gibt es aber nicht.
SEPEHR LORESTANI
Aus dem Persischen: Said Shabahang