Unterschlagungsaffäre: Blogger loben „blühende“ Staatskorruption
Mit 2 Milliarden Euro haben iranische Banken eine Unterschlagung in Rekordhöhe begangen. Aus der Affäre ist mittlerweile ein heikles politisch-juristisches Eisen geworden: Der iranische Geheimdienst, das Parlament, die Justiz, die Zentralbank, die Regierung und das Wirtschaftsministerium setzen sich derzeit mit dem Fall auseinander. Irans Blogger reagieren mit Ironie.
Die iranische Bloggerszene begegnet der größten Unterschlagung der iranischen Geschichte mit viel Humor und Ironie. Sie sei das bisher eklatanteste Beispiel für die „blühende“ Staatskorruption im Iran, lautet der Tenor der persischsprachigen Blogs. Heiß diskutiert wird auch über den „krassen“ Umgang der Regierung mit den Beschuldigten. Viele Blogger vergleichen die Großzügigkeit der Verantwortlichen im Umgang mit den Beschuldigten mit den „üblen Ermittlungsmethoden“ der iranischen Machthaber bei den sogenannten „Wasserschlachten“ in Teheran und Bandar Abbas, einer Hafenstadt im Süden Irans.
Dabei wurden im August dieses Jahres mehrere Hundert Jugendliche verhaftet, die einem Aufruf im Webnetzwerk „Facebook“ gefolgt waren, sich an einem „Weltkrieg mit Wasserpistolen“ zu beteiligen. Den „Übeltätern“, die mit Wasserpistolen und Plastikflaschen ausgerüstet waren, wurden „unmoralisches Handeln“ und „Missachtung gesellschaftlicher Normen“ zur Last gelegt. Einige von den verhafteten Jugendlichen mussten später sogar im staatlichen Fernsehen auftreten, wo sie, mit dem Rücken zur Kamera, ihre Reue kundtaten.
Empörung pur
Das minimalistische Gruppenweblog „Das nennt sich Vaterland?“, bekannt für seine kurzen und einsilbigen Kommentare, schreibt empört: „Ein 18-jähriges Mädchen zeigen sie im Fernsehen und stecken es dann ins Gefängnis, weil es an einer Wasserschlacht teilgenommen hat. Von dem Typen, der mehr als dreitausend Milliarden Toman unterschlagen und veruntreut hat, nennen sie nicht einmal den Namen! Das nennt sich Vaterland?“
Auch der Blogger „Mofatesch“ (Spion) bedient sich dieses Vergleichs: „Wasserschlachten schaden dem System mehr als Unterschlagung“ lautet der Titel seines Beitrags, in dem er die ungleiche Behandlung der Täter durch den Staat anprangert: „Hier ist Iran. Jemand, der Milliarden unterschlagen hat, befindet sich immer noch auf der Flucht. Ein Junge, der einfach mit einer Wasserpistole ein bisschen Spaß haben wollte, wird innerhalb von 24 Stunden verhaftet und gezwungen, reumütig im staatlichen Fernsehen aufzutreten.“
Normale „Dieberei“
Der Blogger „Jady“ stellt in seinem virtuellen Tagebuch „Freekeyboard“ Veruntreuung als Bestandteil des Systems dar: „Dieberei“ sei im Iran ganz normal. Sie werde „erst dann problematisch, wenn sie zum Konflikt zwischen den verschiedenen Flügeln der Regierung“ führen würde. „Jady“ macht „das Fehlen von Meinungsfreiheit, Transparenz und Rechtstaatlichkeit“ für die „unvorstellbare Misere, die im Land herrscht“, verantwortlich.
Wer ist verantwortlich?
Verantwortlich für die „sonderbare Unterschlagungsaffäre“ ist nach Meinung des Bloggers Sejed Reza Hossaini der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad. Hossaini, als Hardliner bekannt, schreibt in seinem Weblog „Zarreh sefat“ erstaunt: „Angesicht der verheerenden Folgen dieser Katastrophe würde eine demokratische Regierung, egal wo auf der Welt, zurücktreten wollen. Aber gut, der dreisten Regierung Ahmadinedschads sind solche Wohltaten fremd. Es ist nicht völlig abwegig, dass er in den nächsten Tagen im Fernsehen auftauchen und alles in Frage stellen und dementieren wird.“
Sejed Reza Hossaini appelliert an die Parlamentsabgeordneten, der Regierung das Vertrauen zu entziehen und fordert auch Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei auf, diese nicht weiter zu unterstützen. Khamenei solle den Abgeordneten stattdessen erlauben, ihren gesetzgeberischen Aufgaben nachzugehen.
Doch anscheinend folgten nur elf von 310 Abgeordneten seinem Rat: Sie reichten am 3. Oktober eine Beschwerdeschrift beim iranischen Parlament ein. Mit deren Hilfe hatte die Affäre betreffend einige Erklärungen von Ahmadinedschad gefordert werden können. Zwei Tage später zogen die Abgeordneten ihre Beschwerde aufgrund einer Anweisung von Ayatollah Khamenei jedoch zurück. Er hatte angeordnet, die Angelegenheit nicht „wie ein Gummiband auszudehnen“.