Streit um die Schätze des Kaspischen Meers

Seit über 20 Jahren streiten sich die Anrainerstaaten über die Aufteilung des größten Binnensees der Erde, der 15 Prozent der weltweiten Öl- und Gasvorkommen bergen soll. Unter den Folgen des Streits leiden auch Umwelt und Meeresbewohner wie die Kaspischen Seehunde. Ist jetzt eine Lösung in Sicht?
Seit Beginn des Jahres 2014 ist ins Leben der Störe im Kaspischen Meer etwas Ruhe eingekehrt. Die Anrainerstatten des größten Sees der Welt – Aserbaidschan, Iran, Kasachstan, Russland und Turkmenistan – haben sich darauf geeinigt, das Fangen der Kaviarerzeuger für fünf Jahre zu stoppen. In den vergangenen Jahren war durch Überfischung und Umweltverschmutzung der Bestand der Knochenfische ständig zurückgegangen. Daher hatte sich die russische Regierung 2002 einseitig eine Fangpause verordnet und seit 2011 von den anderen vier Staaten verlangt, ihrem Beispiel zu folgen. Im Dezember 2013 kam eine entsprechende Übereinkunft zustande.

Streit um schwarzes Gold

Mehr als 95 Prozent der Kaviar produzierenden Störe weltweit leben im Kaspischen Meer
Mehr als 95 Prozent der Kaviar produzierenden Störe weltweit leben im Kaspischen Meer

Doch nicht immer können die Anrainerstaaten sich so schnell über die Ausbeutung des Binnenmeeres einigen. Seit mehr als zwanzig Jahren kämpfen sie bereits um die umfangreichen Gas- und Ölvorkommen im Kaspischen Meer, wo bis zu 15 Prozent der Weltvorräte vermutet werden.
Zurzeit wird das Kaspische Meer entsprechend der Größe ihres jeweiligen Küstenabschnitts auf die Anrainerländer verteilt. Die meisten Öl- und Gasfelder besitzen damit Aserbaidschan und Turkmenistan. Der Iran bekommt mit seinem kleinen Küstenabschnitt mit 13,8 Prozent den geringsten Anteil. Deshalb lehnt die Islamische Republik diese Art der Aufteilung ab und fordert, dass alle fünf Anrainerstaaten den gleichen Anteil des Meeres, jeweils 20 Prozent, bekommen. Dagegen sind wiederum Aserbaidschan und Turkmenistan.
Russland hat sich 2002 mit einem Vertrag über die nationalen Grenzen im Norden des Meeres mit Kasachstan und Aserbaidschan geeinigt. Im Süden dagegen gibt es Grenzstreitigkeiten zwischen dem Iran, Turkmenistan und Aserbaidschan. Vor allem zwischen Iran und Aserbaidschan ist die Lage angespannt, da beide Länder Anspruch auf dieselben Gasfelder erheben.
Iranische Lösung
Der Iran vertritt die Meinung, solange es keine neuen rechtskräftigen Abmachungen zwischen den Anrainerstaaten gebe, gälten seine 1921 und 1940 geschlossenen Abkommen mit der ehemaligen Sowjet Union (UdSSR). Diese Haltung ist aber umstritten, da mit der Entstehung unabhängiger Staaten auf dem Gebiet der UdSSR vier neue Länder an das Kaspische Meer grenzten. Zudem dienten die alten Abkommen nur zur Regelung von Schifffahrt und Fischerei, nicht zur Klärung der Nutzung von Rohstoffvorkommen.
Keine Lösung – kein Gas für Europa
Die Küstenstädte am Kaspischen Meer sind beliebte Erholungsorte für IranerInnen
Die Küstenstädte am Kaspischen Meer sind beliebte Erholungsorte für IranerInnen

Ein Großteil des aserbaidschanischen Erdöls verkauft das Land nach Europa. Und plant, künftig auch das Gasvorkommen der Ölquelle Shah Deniz-2 durch eine neue Pipeline vom Kaspischen Meer über Georgien und die Türkei nach Europa zu exportieren. Russland und der Iran sind strikt dagegen. Denn Russland möchte sein Gasmonopol in Europa beibehalten und der Iran wollte bislang wegen seiner anti-westlichen Position eine Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und dem Westen verhindern. Nach Meinung von Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik beeinflussen auch die westlichen Sanktionen gegen den Iran die Gasexporte aus der Region nach Europa negativ. Denn: „Solange diese bestehen bleiben, wird es mit dem Iran keine Einigung geben“, so Meister.
Ergebnislose Verhandlungen
Die unzähligen Sitzungen, eine solche Einigung herbeizuführen – zuletzt im April 2013 -, waren bis jetzt erfolglos. Der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin lehnten jede Einmischung fremder Mächte in die Angelegenheiten des Kaspischen Meeres strikt ab – und kamen sich auf der zweitägigen Sitzung in Teheran keinen Schritt näher.
Experten warnen: Die Verschmutzung des Kaspischen Meeres ist besorgniserregend!
Experten warnen: Die Verschmutzung des Kaspischen Meeres ist besorgniserregend!

Dabei könnte eine Lösung des Problems auch die Umweltverschmutzung des Kaspischen Meeres verringern. Die ist an den iranischen Küsten so groß, dass die regionale Umweltbehörde der nordiranischen Provinz Gilan seit drei Jahren vor einer Verbreitung gefährlicher Mikroben warnt. Der Iran behauptet, die Verschmutzungen würden aus den aserbaidschanischen Ölquellen stammen. Aserbaidschan wiederum bezichtigt den Iran, er ließe die Abwässer der iranischen Küstenstädte in das Meer fließen.
Umweltorganisationen zufolge leiden unter den Verschmutzungen vor allem die Seehunde und die Störe. Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich die Zahl der Kaspischen Seehunde von einer Million auf nur noch 90.000 verringert. Für den Stör immerhin verbessert sich die Lage nun: Mit dem fünfjährigen Fangverbot ab 2014 kann sich der Fischbestand erholen.

Perspektiven
In bislang 34 Sitzungen hat die Sonderarbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Konvention über den Rechtsstatus des Kaspischen Meeres keine Lösung des Problems gefunden. Dennoch gibt es Hoffnung für die 35. Sitzung, die in der zweiten Hälfte des Jahres in der russischen Hafenstadt Astrachan am Kaspischen Meer stattfinden soll. Denn Irans neuer Präsident Hassan Rouhani hat mehrere Male angekündigt, konstruktive diplomatische Beziehungen zu den Nachbarstaaten aufbauen zu wollen. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen könnte den Konflikt am Kaspischen Meer zusätzlich entschärfen. Dass all das zu einer schnellen Lösung führen wird, bezweifeln viele Experten dennoch.

  Taher Shir Mohammadi