Rettung vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch

Einigung bei den Genfer Atomgesprächen mit dem Iran: Ausgehandelt wurde die Aussetzung wesentlicher Teile des Atomprogramms gegen eine schrittweise Lockerung der internationalen Sanktionen. Die Einigung mit dem Westen werde die iranische Wirtschaft vor dem Zusammenbruch retten, aber nicht zu mehr Freiheiten im Iran führen, warnen Menschenrechtler.
Ein Übergangsabkommen und eine gemeinsame Erklärung waren das Ergebnis der dritten Verhandlungsrunde bei den Atomgesprächen zwischen dem Iran und den fünf Mitgliedern des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie Deutschland (Gruppe 5+1) innerhalb eines Monats. Nach mehreren Treffen auf Außenministerebene am Freitag und Samstag twitterte der iranische Außenminister Mohammad Javad Sarif am Sonntag: „Wir haben eine Einigung erreicht.“ Bei einer Pressekonferenz in Genf sagte Sarif später: „Das Genfer Abkommen ist ein guter Anfang, um die Beziehungen des Irans zur Weltgemeinschaft zu stärken“.
Intensive Gespräche, neue Ergebnisse
Iranischen Medienberichten zufolge sollen nach der Genfer Einigung über vier Milliarden US-Dollar des aufgrund der Sanktionen im Ausland eingefrorenen Vermögens des Iran freigegeben werden. Und der US-Kongress wird die für den Dezember vorgesehenen Sanktionen gegen den Iran verschieben. Dafür werden die Bauarbeiten am Schwerwasserreaktor in der zentraliranischen Stadt Arak gestoppt und weitere Reaktoren zunächst nicht ausgebaut. Die Urananreicherung unter fünf Prozent darf fortgesetzt werden.
Keine Garantie für mehr Freiheit

Irans Außenminister Sarfi (2. re.) und sein amerikanischer Amtskollege John Kerry (1. li.) in Genf - Foto: entekhab.ir
Irans Außenminister Sarfi (2. re.) und sein amerikanischer Amtskollege John Kerry (1. li.) in Genf – Foto: entekhab.ir

Iranische Oppositionelle und Menschenrechtler weisen immer wieder darauf hin, dass die Einigung mit dem Westen keinen direkten Einfluss auf die Menschenrechtslage im Iran haben wird. Das Abkommen sei für den iranischen Präsidenten Rouhani „ein Schritt nach vorne“ und gebe ihm „mehr innenpolitischen Spielraum gegen die Konservativen“, um Änderungen durchzusetzen und Wirtschaftsreformen durchzuführen. Das sagte der ehemalige iranische Abgeordnete Hassan Yussefi Eshkevari im Gespräch mit Transparency for Iran. Aufgrund der Sanktionen habe sich das Land „an der Schwelle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs“ befunden, so der Refomer: „Der Erfolg der Regierung im Atomstreit garantiert aber nicht, dass es mehr politische Freiheiten im Inland geben wird.“ Trotzdem sei die Einigung eine „Win-Win-Situation“ für die Gruppe 5+1 und den Iran.
Laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA wird das Vorgehen der Atomunterhändler von der iranischen Bevölkerung positiv bewertet. Einer Umfrage des „Zentrums für Meinungsforschung iranischer Studenten“ (ISPA) zufolge bewerteten über 66 Prozent von fast 5.500 Befragten die Vorgehensweise der Unterhändler als „positiv“ und „große Stärke“ der neuen Regierung.
Die anwesenden Abwesenden: Chamenei und Netanjahu
Staatliche Medien des Iran feiern die Einigung als Sieg der Islamischen Republik
Staatliche Medien des Iran feiern die Einigung als Sieg der Islamischen Republik

Der iranische Revolutionsführers Ali Chamenei hatte vor den neuen Verhandlungen in Genf Kritik an Frankreich wegen dessen Blockierung einer möglichen Einigung bei den vorherigen Gesprächen geübt. Israel nannte er in diesem Zusammenhang den „tollwütigen Hund der Region“. Seine Aussagen führten zu Kritik aus Frankreich, den USA und Israel. Vor zwei Wochen hatte die Haltung Frankreichs bei der zweiten Runde der Atomgespräche eine Einigung verhindert. Frankreich beharrte auf den Baustopp eines Schwerwasserreaktors in der zentraliranischen Stadt Arak und die Einstellung der Urananreicherung auf 20 Prozent als Voraussetzungen für eine Einigung.
Israel werde die Einigung mit dem Iran nicht anerkennen, ließ Netanjahus Regierung wissen. Mehrere Kabinettsmitglieder gehen immer noch davon aus, dass der Iran Atomwaffen bauen wolle. Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon hat am Freitag deutlich gemacht, dass es auch nach einer Einigung mit dem Iran noch „viel zu tun“ geben werde. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versuchte in den vergangenen Wochen, durch Gespräche mit amerikanischen, russischen und französischen Politikern den Druck auf Teheran zu erhöhen.
  Farhad Salmanian