Neue Außenpolitik soll marode Wirtschaft retten

Der Iran hatte 2012 ein negatives Wirtschaftswachstum von 5,4 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen steigt rasant. Wichtige Industriezweige kämpfen ums Überleben. Rouhanis Regierung will das Land mit einer neuen Außenpolitik vor dem Bankrott retten.
Die neue Regierung werde Irans Außen- und Wirtschaftspolitik mit anderen Staaten in Einklang bringen, sagte am Mittwoch Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobakht. Präsident Hassan Rouhani werde bei seiner Reise nach New York in dieser Hinsicht aktiv werden. Nobakht versicherte, damit sei auch Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei einverstanden. Alle wichtigen außen- wie innenpolitischen Entscheidungen im Iran müssen von Khamenei abgesegnet werden. Er hatte bislang auf Konfrontation mit dem Westen beharrt. Doch am 17. September gab er in einer Sitzung mit den Kommandeuren der Revolutionsgarde überraschend eine Wende in der Außenpolitik des Landes bekannt: Der Iran werde demnächst einem „weichen“ außenpolitischen Kurs folgen, den Khamenei „Diplomatie des Lächelns“ nannte.
Negatives Wachstum

Iranische Autoindustrie hat ihre Produktion um 70 Prozent reduziert
Iranische Autoindustrie hat ihre Produktion um 70 Prozent reduziert

Was den greisen Ayatollah zum Umdenken veranlasst hat, darüber sind sich die meisten Wirtschaftsexperten des Landes einig: die marode Wirtschaft. Längst warnen Fachleute und Bosse aus der Industrie und dem Teheraner Basar vor Hungersnot und Aufständen. Am 4. September berichtete der Vorsitzende des parlamentarischen Forschungszentrums, Kazem Jalali, das iranische Wirtschaftswachstum im Jahr 2012 habe nicht entgegen der offiziellen Angaben der Regierung Ahmadinedschads 8 Prozent betragen, sondern das Land habe ein negatives Wachstum von 5,4 Prozent gehabt. Jalali kritisierte die iranische Statistikbehörde, die unter dem Einfluss der alten Regierung die tatsächlichen Zahlen verheimlicht habe. Er bezeichnete das von der Tagespolitik abhängige Statistiksystem im Iran als Desaster. Die Daten seien oft gefälscht worden, um positives Wachstum vorzutäuschen. Auf diese Weise verschleppe man Wirtschaftsprobleme wie Arbeitslosigkeit, Inflation und schwache nationale Währung, die durchaus im Vorfeld erkannt und gelöst werden könnten, so der Parlamentarier: „Wir müssen endlich die Statistikbehörde einem vertrauenswürdigen Vorstand und der Kontrolle der drei Staatsgewalten unterstellen, damit keine Daten manipuliert und die Voraussetzungen für eigennützige Entscheidungen abgeschafft werden.“
Nach der Wirtschaftskrise 2008 hatte der damalige Präsident Ahmadinedschad die reellen Wirtschaftsinformationen geheim gehalten, um seine Wiederwahl 2009 zu sichern. Selbst bei der Veröffentlichung der Daten der iranischen Zentralbank wurden die Zahlen über das negative Wirtschaftswachstum verschwiegen.
Sind Wirtschaftssanktionen schuld?
Wirtschaftsminister, Ali Tayebnia: Es wird bald 8,5 Millionen Arbeitslose geben.
Wirtschaftsminister, Ali Tayebnia: Die Zahl der Arbeitslosen wird bald um 5 Millionen steigen.

In den acht Regierungsjahren von Ahmadinedschad wurde die Ursache für die Wirtschaftsmisere des Irans in den internationalen Sanktionen gegen das Land gesehen. Die neue Regierung ist jedoch überzeugt, dass nicht nur die Sanktionen, sondern und vor allem die Inkompetenz der alten Regierung der durch die Embargos geschwächten Wirtschaft den entscheidenden Schlag versetzt habe. Der Geschäftsführer der iranischen Zentralbank Waliollah Seyf kündigte bereits Ende August negatives Wirtschaftswachstum und rasch steigende Inflation an. Er nannte sie eine wirtschaftliche Herausforderung für die neue Regierung und machte die Fehlentscheidungen der Regierung Ahmadinedschads dafür verantwortlich. Seyf wörtlich: „Die Probleme können nicht alle an Wirtschaftssanktionen liegen.“ Dabei wies er auf die schwindelerregende Inflation, die rasante Abwertung der Landeswährung und den instabilen Devisenmarkt als vorrangige Probleme hin, deren Lösung er als wichtigste Herausforderung der neuen Regierung bezeichnete.
Angeschlagene Autoindustrie
Die ungezügelte Inflation macht sich auch in der iranischen Autoindustrie bemerkbar. Die iranische Autoindustrie produziert heute um 30 Prozent weniger als vor sechs Jahren. Die Autoteilehersteller haben ihre Produktion auf 15 bis 20 Prozent ihrer Kapazität herabgesetzt.
Mehr Arbeitslose unterwegs
Die Regierung Rouhani warnt vor diesem Hintergrund vor „mehr Arbeitslosen in absehbarer Zeit“.  Wirtschaftsminister Ali Tayebnia stellt die Arbeitslosigkeit als „eins der wichtigsten Probleme im Iran“ dar. Ihm zufolge haben neue Ausbildungsabsolventen derzeit auf dem iranischen Arbeitsmarkt keine Chance. Mit ihnen werde die Zahl der Arbeitslosen bald auf 8,5 Millionen steigen, so der Minister. Nach offiziellen Angaben der alten Regierung soll es im Iran 3,5 Millionen Arbeitslose geben.
FP
Aus dem Persischen von Said Shabahang