Irans Wirtschaft im Wartestand
Die Industrie schreibt rote Zahlen, die Banken haben noch keine Erlaubnis zu Transaktionen mit dem Rest der Welt, und draußen warten internationale Großkonzerne auf das grüne Licht der USA, um dem Iran zur Hilfe zu eilen. Eine Bestandsaufnahme.
Die neueste Meldung zur Lage der Wirtschaft im Iran ist eine schlechte, und sie wurde von Mohammad Reza Nematzadeh, dem Minister für Industrie, Bergbau und Handel, verkündet: Die iranische Industrie habe ein Negativwachstum von zwölf Prozent erreicht, so Nematzadeh, der vor drei Monaten die Wachstumsrate der Industrie für das Jahr 2012 noch mit minus neun Prozent angegeben hatte. Laut dem Minister ist dies das erste Mal seit Jahrzehnten, dass die iranische Industrie ein Negativwachstum aufweist.
2012 hat die EU die härteste Maßnahmen gegen den Iran getroffen: Die Erdölindustrie, die Haupteinnahmequelle des Landes, und die Zentralbank wurden mit Sanktionen belegt. Daher kämpft die Islamische Republik seit Anfang 2013 gegen die schwerste Wirtschaftskrise in ihrer Geschichte.
So sank nach Angaben der iranischen Zollbehörde das Handelsvolumen zwischen dem Iran und den EU-Ländern von 12,12 Milliarden Euro in den ersten elf Monaten des Jahres 2012 auf 6,26 Milliarden im selben Zeitraum des Jahres 2013. Der gesamte Import aus dem Iran in die EU ist in den ersten elf Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr zuvor um 87 Prozent gesunken und belief sich auf 699 Millionen Euro. Die europäische Union importierte 2012 im selben Zeitraum Waren im Wert von 5,58 Milliarden Euro aus dem Iran. Die EU-Länder exportierten in den ersten elf Monaten des Jahres 2013 Waren im Wert von 5,51 Milliarden Euro in den Iran, also 18 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – 6,72 Milliarden Euro.
Sanktionen und Missmanagement der alten Regierung
Die Sanktionen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass große internationale Investoren sich aus dem Land zurückzogen, die Wirtschaft wurde lahmgelegt, da sie von internationalen Finanztransaktionen abgeschnitten war. Laut einer Statistik des Forschungszentrums des iranischen Parlaments sanken die Investitionen in die iranische Industrie von sieben Milliarden Dollar 2008 auf drei Milliarden Dollar 2012. Der Vorsitzende des Forschungszentrums, Kazem Djalali, räumte im vergangenen Dezember ein, der durch Sanktionen und falsche innenpolitische Entscheidungen entstandene „wirtschaftliche Schock“ habe der iranischen Industrie und inländischen Produktionen massiv geschadet.
Bessere Aussichten?
Seit der Lockerung der Sanktionen als Folge der Übereinkunft zwischen dem Iran und der sogenannten 5+1-Gruppe (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA und Deutschland) im November 2013 hofft die iranische Regierung auf neue Wirtschaftskontakte. Präsident Hassan Rouhani lud beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar ausländische Investoren in den Iran ein. Entgegen der Wirklichkeit behauptete er, die Lage sei gut, um in alle wirtschaftlichen Bereichen im Iran zu investieren. Dabei gibt es, während die Revolutionsgarde weiterhin große Teile der Industrie im Iran kontrolliert, bislang keine klare Entscheidung der Regierung, ob sie sich in wirtschaftliche Aktivitäten einmischen oder ihnen fernbleiben will. Auch hat die Regierung der Privatwirtschaft bisher keine nennenswerte Unterstützung angeboten. Ein erster Schritt könnte die Unterstützung inländischer Investoren sein, die Arbeitsplätze schaffen.
Die Bemühungen der Regierung, ausländische Investoren anzulocken, scheitern vor allem daran, dass die USA sich dagegen stellen. Nachdem die Türkei und Russland ihre Bereitschaft zur Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran bekundet hatten, reiste Anfang Februar auch eine hochrangige französische Wirtschaftsdelegation in den Iran. Dabei waren unter anderem die Automobilhersteller PSA Peugeot Citroen und Renault, der Flugzeughersteller Airbus und der Rüstungskonzern Safran. Doch die Annäherung löste in den USA scharfe Kritik aus. Außenminister John Kerry persönlich betonte in einem Gespräch mit seinem französischen Amtskollegen, der Handel mit dem Iran sei noch nicht frei. Er erinnerte Laurent Fabius daran, dass die Sanktionen zunächst nur für sechs Monate gelockert worden seien.
Ausbau des Luftverkehrs
Auch Fluggesellschaften würden ihre Beziehungen zum Iran ausbauen, sollte die USA dazu grünes Licht geben. Allen voran die Lufthansa. Die Nobelmaschinen der deutschen Airline fliegen derzeit nur einmal täglich in den Iran. Das soll sich ändern: Carsten Schäfer, bei der Lufthansa verantwortlich für den Nahen Osten, Afrika und Südosteuropa, reiste ebenfalls vergangener Woche nach Teheran, um mit Regierungsvertretern zu verhandeln. Laut dem iranischen Fernsehsender Press TV ist Schäfer der Meinung, eine Zusammenarbeit würde zum Ausbau der Handelsbeziehungen der Islamischen Republik mit dem Rest der Welt führen.
FP
Aus dem Persischen: Parisa Tonekaboni