Genmanipulation im Gottestaat

Die Islamische Republik Iran erforscht seit Jahren intensiv die Möglichkeiten der Gentechnik. In Kürze sollen transgenetischer Reis und Baumwolle in die Massenproduktion übergehen. Doch es gibt auch im Iran vermehrt kritische Töne gegen Genmanipulation. 

Anfang April hat der Ex-Agrarministers des Iran, Issa Kalantari, bekannt gegeben, dass 90 Prozent der importierten Lebensmittel in der Islamischen Republik genmanipuliert seien. Seitdem beschäftigt das Thema Genmanipulation vermehrt iranische Internet-User, insbesondere die Gläubigen. „Ist der Verzehr transgenetischer Lebensmittel religiös erlaubt?“ „Darf ein Moslem ein Tierprodukt oder eine Pflanze zu sich nehmen, die nicht mehr dem von Gott Erschaffenen entspricht?“ Neben diversen Antworten anderer User klärte neulich auch der Generalsekretär der Organisation „Halalworld“, Abdolhossein Fakhari, auf: Die Organisation prüfe Hersteller und Dienstleister nach islamischen Regeln und versehe sie mit dem international anerkannten Siegel „Halal“. Laut Fakhari ist die Gentechnik aus religiöser Sicht erlaubt, so lange sie nicht auf Menschen angewendet wird.

Forderung nach mehr Gentechnik

Die Genforschung läuft im Iran auf Hochtouren. Demnächst würden transgenetische Reiskörner und Baumwolle massenhaft produziert, gab der Chef der iranischen Gesellschaft für Genetik vor kurzem bekannt.

90 Prozent der importierten Lebensmittel im Iran sind genmanipuliert
90 Prozent der importierten Lebensmittel im Iran sind genmanipuliert

Am Ende des nationalen Kongresses für Genetik Ende Mai hatten zahlreiche iranische Wissenschaftler einen Beschluss gefasst, der die Produktion genetisch veränderter Lebensmittel fordert – um die Selbstversorgung des Landes und eine „widerstandsfähige Wirtschaft“ zu garantieren. Mit diesem Begriff hatte der Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei in den vergangenen Jahren für eine Strategie gegen Sanktionen geworben.

Der Iran importiert jährlich Unmengen von Reis. Eine in trockenen Gebieten anbaufähige Sorte wäre für ein wasserarmes Land wie den Iran ideal. Genetisch veränderter Reis wurde bereits 2014 in drei Provinzen des Landes probeweise angebaut.

Behzad Gharayazie, Gründer und Chef des iranischen Forschungsinstituts für landwirtschaftliche Biotechnologie, stellt fest, dass durch den Anbau transgenetischer Lebensmittel der Einsatz von chemischen Düngemitteln drastisch zurückgehe und Ertrag und Gewinn der Landwirte enorm steige. Die Produkte unterlägen einer gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitskontrolle und seien somit gesundheitlich unbedenklich.

Umweltschutz, sinkende Produktionskosten und stoffreichere Nahrungsmittel sind die weiteren Argumente der Befürworter. Die iranische Regierung hat im neuen nationalen Fünfjahresplan den Massenanbau transgenetischer Produkte vorgesehen.

Eine politische Auseinandersetzung

Laut offiziellen Angaben soll Speiseöl bislang das einzige transgenetische Lebensmittel auf dem iranischen Markt sein. Die unterschiedlichen Sorten werden aus genetisch veränderten Ölsaaten aus dem Ausland gewonnen.

Der Widerstand gegen Gentechnik ist trotzdem da. Azad Omrani, Vorstandsmitglied des iranischen Verbands für organische Produktion, kritisiert unter anderem den Entwicklungsprozess der genetisch veränderten Lebensmittel im Iran.

2009 präsentierten iranische Wissenschaftler ihre erste geklonte Ziege
2009 präsentierten iranische Wissenschaftler ihre erste geklonte Ziege

Transgenetische Organismen würden im Iran durch den Transfer bestimmter Gene eines Lebewesens in ein anderes erzeugt, so der Experte. Diese Methode sei veraltet, heutzutage würden nicht mehr Gene eines Lebewesens in ein anderes eingepflanzt, sondern „problembeladene Gene“ eines Organismus repariert und modifiziert, erklärt Omrani in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Asre Iran. Mögliche Nebenwirkungen eines Gentransfers seien im Iran wissenschaftlich kaum erforscht. Kritiker warnen vor der Gefahr eines unkontrollierten Gensprungs oder anderen möglichen negativen Auswirkungen genetischer Veränderungen auf das gesamte Ökosystem.

Laut Omrani wird das Thema Gentechnik im Iran nicht wissenschaftlich, sondern politisch diskutiert. Der Experte verlangt, die gesetzlichen Lücken bezüglich der gesundheitlichen Kontrolle genetisch veränderter Produkte zu schließen und die Ware dementsprechend zu etikettieren. Im Iran sind Lebensmittel zu kennzeichnen, wenn zwei Prozent des Verpackungsinhalts genetisch verändert worden sind.

Die Islamische Republik strebt nicht nur nach genetisch angepassten Pflanzen. Bereits 2009 präsentierten Wissenschaftler stolz ihre erste geklonte Ziege. Das weibliche Tier wurde auf der Suche nach einer Therapie für Schlaganfallpatienten geklont. Bis dahin hatten weltweit nur fünf Länder das Klonen einer Ziege vermelden können.

  IMAN ASLANI