Bahnprojekt gefährdet historisches Bauwerk

Mit dem gemeinsamen Bahnprojekt des Iran mit Turkmenistan und Kasachstan soll die kürzeste Schienenverbindung zwischen dem Persischen Golf und Zentralasien entstehen. Das Konzept wird von Denkmalschützern allerdings harsch kritisiert.
Es geht um eine Schienenstrecke von insgesamt 940 Kilometern Länge, etwa 94 davon nahe der nordiranischen Stadt Gorgan an der Südostküste des Kaspischen Meeres. Das rund sieben Milliarden Euro teure Bahnprojekt wurde im Sommer 2007 von den Staatsmännern Irans, Turkmenistans und Kasachstans in Teheran vereinbart. Ziel ist es, jährlich nahezu 15 Millionen Tonnen Ware auf möglichst schnellem Wege aus der Region am Kaspischen Meer in Richtung Zentralasien und Europa zu transportieren. 700 Kilometer der Schienen wurden mithilfe iranischer Ingenieure in Turkmenistan bereits verlegt. Nun haben die Verantwortlichen in Teheran – nach vier Jahren Baupause – angekündet, innerhalb der nächsten sechs Monate den Plan beenden zu wollen.
Historisches Mauerwerk im Weg
Doch durch das Verlegen der Schienen bei der iranischen Stadt Gorgan werden die Überreste des 1.700 Jahre alten Mauerwerks „Ghizil Alan“, zu Deutsch „Rote Schlange“, beschädigt. Die aus Lehm und Ziegelsteinen erbaute Mauer gehört mit 200 Kilometern Länge zu den längsten weltweit und wurde 1998 als „historische Schutzmauer“ in die iranische Denkmalschutzliste aufgenommen. Ihr Bau soll etwa 90 Jahre in Anspruch genommen haben. Denkmalschützer lehnen das Bahnprojekt deshalb ab.
Amateuraufnahmen von der historischen Mauer:
http://youtu.be/ywYuwG46gEs
Zwar ist der größte Teil der Mauer inzwischen zerstört, doch wie es scheint, werden die Verantwortlichen, statt die Reste zu retten, auch diese zerstören: und das aus rein wirtschaftlichen Interessen. Sogar Hamid Omrani, Mitarbeiter der iranischen Kulturerbe-Organisation ICHO in der Provinz Golestan, ist ein Befürworter des Bahnprojekts. Omrani sagte laut der iranischen Nachrichtenagentur ISNA:  „Von der weltweit drittlängsten historischen Schutzmauer sind heute nichts weiter als Trümmer und einige Restbestandteile übrig geblieben.“ Was aus seiner Sicht für die Durchführung des Bahnprojektes spricht: “Mit der Realisierung dieses Konzepts können wir die Verbindungen zwischen dem nördlichen Teil des Irans und Zentralasien erweitern und so für bessere ökonomische Beziehungen sorgen. Das wird mit Sicherheit zum wirtschaftlichen Aufschwung in der (iranischen) Provinz Golestan führen.“
Proteste von Denkmalschützern

Denkmalschützer zeigen ihren Protest durch die Bildung einer "menschlichen Mauer" um die Überreste der historischen Mauer.
Denkmalschützer zeigen ihren Protest durch die Bildung einer "menschlichen Mauer" um die Überreste der historischen Mauer.

Der Widerstand von Denkmalschützern führte immerhin dazu, dass die Regierung nun archäologische Forschungen entlang des Teils der Bahnstrecke, der durch die historische Mauer verlaufen soll, startet. Iranische Nachrichtenagenturen berichten, dass geophysikalische Aufnahmen von der Region gemacht worden seien, um einen besseren Überblick über verborgene Ruinen zu bekommen.
Dabei halten die Verantwortlichen aber an ihrem Bahn-Bauplan fest: „Nach der Ausgrabung der historischen Funde werden die Bauarbeiten fortgesetzt“, so ICHO-Mitarbeiter Omrani. Dabei würden der historischen Mauer keine fundamentalen Schäden zugefügt, sondern lediglich „nur fünf Meter des Bauwerks“ zerstört.
Sanktionen umgehen
Politische Beobachter sehen in dem Bahnprojekt einen Versuch der Islamischen Republik Iran, die internationalen Sanktionen gegen sie zu umgehen. Ein Experte, der anonym bleiben will, sagte der persischen Redaktion der Deutsche Welle: “Vier Jahre lang hat die iranische Regierung die Bauarbeiten an dem Bahnprojekt ruhen lassen. Seitdem sich die internationalen Sanktionen gegen den Iran verschärft haben, kommt das Ganze wieder in Schwung.“ Die USA seien in allen iranischen Nachbarländern präsent, „bis auf Turkmenistan“, so der Experte weiter. Die Schienenverbindung habe zudem auch eine wichtige strategische Bedeutung: Mit der besseren Durchfahrt nach Russland und China könne der Iran die Sanktionen besser umgehen.
FP