Kampagne für mehr Frauen im Parlament

Am 26. Februar 2016 finden im Iran Parlamentswahlen statt. Viele WählerInnen fragen sich, welche Rolle Frauen bei den Wahlen spielen werden. Werden im Wahlkampf auch Frauenrechte Thema sein? Eine Kampagne im Iran befasst sich mit diesen Fragen.
Genau 12.123 Personen kandidieren für die bevorstehenden iranischen Parlamentswahlen, und genau 1.234 davon sind Frauen. Nur 10 Prozent – obwohl verschiedene politische Gruppen und FrauenaktivistInnen versucht haben, die Quote auf 30 Prozent zu erhöhen.
Paragraph 20 des iranischen Grundgesetzes besagt, dass „Männer wie Frauen rechtlich auf die gleiche Weise unterstützt werden und alle menschlichen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Rechte genießen“. Trotzdem sind nur drei Prozent der Parlamentsabgeordneten im Iran weiblich.
In der ersten Legislaturperiode nach der islamischen Revolution (1979) waren nur vier Frauen im Parlament. In der fünften Wahlperiode wurde mit 14 Parlamentarierinnen ein immer noch trauriger neuer Rekord aufgestellt.
Aktuell befinden sich unter den 288 Abgeordneten neun Frauen, das macht drei Prozent. Im afghanischen Parlament sind 67 von 242 Abgeordneten Frauen, immerhin 27 Prozent. Auch im westlichen Nachbarland Irak sind 25 Prozent der ParlamentarierInnen Frauen – 83 von 320 Abgeordneten.
„Auf zur Änderung des männlichen Gesichts des Parlaments“ – das ist der Name einer Kampagne, die von GleichberechtigungsaktivistInnen im November ins Leben gerufen wurde. Ihr Hauptanliegen ist eine Frauenquote von mindestens 50 Sitzen. 50 Sitze im iranischen Parlament würden eine Quote von 17 Prozent bedeuten. Dies würde immer noch unter der internationalen Forderung von 20 Prozent liegen. Doch die Frage ist: Sind selbst diese 17 Prozent zu erreichen?
Die Grundsatzerklärung der Kampagne für die Frauenquote bezieht sich unter anderem auf die sogenannte „Millenniumserklärung“ der Vereinten Nationen, die im Jahr 2000 formuliert und 2015 ergänzt wurde. Die iranische Regierung schloss sich 2005 der Erklärung an. Die Bekämpfung von Hunger und Armut, die Verbesserung der allgemeinen Gesundheitsversorgung sowie die Förderung von Gleichberechtigung sind einige Ziele der UN-Erklärung. Die angeschlossenen Staaten verpflichteten sich darin, bis zu diesem Jahr eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in ihren Parlamenten einzuführen.

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50 Sitze im iranischen Parlament würden eine Quote von 17 Prozent bedeuten.

Die Iranerin Nahid Tawassoli, eine der InitiatorInnen der Kampagne „Auf zur Änderung des männlichen Gesichts des Parlaments“, ist der Auffassung, dass die iranische Regierung sich mit der Unterzeichnung der Erklärung verpflichtet habe, die 30-Prozent-Quote einzuführen. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte Tawassoli, dass diese Kampagne keine politische, sondern eine humanistische Bewegung für Gleichberechtigung sei, die sich die Lösung der Probleme der Frauen zum Ziel gesetzt habe. Mit Problemen wie einer hohen Scheidungsrate oder dem Phänomen „flüchtiger Mädchen“, die aufgrund von häuslicher Gewalt, Diskriminierung oder Unterdrückung ihre Familien verließen, hätte auch die Regierung zu kämpfen. Wurzel seien diskriminierende Gesetze. Die Kampagne wünsche sich deshalb nicht nur die Erhöhung der Anzahl der Parlamentarierinnen. Diese sollten auch von der Notwendigkeit von Gleichberechtigung überzeugt sein, so die Frauenaktivistin.
Drei Schwerpunkte
Die Kampagne setzt sich nicht nur für 50 Frauensitze im Parlament ein. Die AktivistInnen wollen die KandidatInnen auch unter die Lupe nehmen und die WählerInnen vor „frauenfeindlichen“ BewerberInnen warnen.
Eine Arbeitsgruppe der Kampagne soll unter der Überschrift „Ich werde kandidieren“ von Gleichberechtigung überzeugte Frauen zur Kandidatur ermutigen. Aber können diese Kandidatinnen dann auch die hohe Hürde des Wächterrates hinter sich bringen? Der konservative Rat entscheidet, welche KandidatInnen zur Wahl antreten dürfen. „Es ist klar, dass der Wächterrat sich quer stellen wird. Der Rat kann sich jedoch nicht gegen Paragraph 20 des Grundgesetzes stellen“, so Tawassoli gegenüber der Deutschen Welle.
Doch Mansoureh Shodjaie, Juristin und Unterstützerin der Kampagne, ist der Meinung, dass die Aufsichtsbehörden die Frauenrechtlerinnen nicht kandidieren lassen werden. Sie äußerte dennoch ebenfalls in einem Interview mit der Deutschen Welle die Hoffnung, dass zumindest das „männliche“ Gesicht des Parlaments sich ändern werde. „Die Kampagne kann im besten Fall zur Wahl der von Gleichberechtigung überzeugten KandidatInnen beitragen. Und selbst wenn sie nichts bewirken könnte, würde sie doch zeigen, dass Frauen an den Entwicklungen aktiv teilnehmen und Widerstand leisten“, so Shodjaie.
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Aktuell befinden sich unter den 288 Abgeordneten neun Frauen, das macht drei Prozent.

Mittel zum Zweck?
Es gibt den Verdacht, dass unterschiedliche politische Strömungen die Kampagne zwar unterstützen, sie aber in Wahrheit für ihre eigenen Zwecke ausnützen und sich, wenn sie dann im Parlament sind, nicht mehr für Frauenrechte einsetzen werden.
Grundsätzlich sei es zwar möglich, „dass jede Bewegung für Eigeninteressen ausgenützt wird“, sagt dazu Mansoureh Shodjaie. Doch die Frauenbewegung dürfe sich davon nicht beeinflussen lassen. Zudem werde eine aktive Rolle von Frauen verhindern, dass die Kampagne politisch ausgenützt wird: „Politische Gruppierungen suchen immer nach passiven Mitläufern, um sie für eigene Interessen zu instrumentalisieren. Wenn die Frauenbewegung an den Entwicklungen aktiv teilnimmt, ihren Forderungen kraftvoll nachgeht und zu ihrer Identität, egal ob links, rechts oder reformorientiert, steht, kann keine politische Richtung sie ausnützen“, so die Juristin.
Der Kampagne wird auch unterstellt, nur an den Machthabern und nicht an den Menschen interessiert zu sein. Shodjaie weist das zurück: „Die Parlamentswahlen sind dafür da, die VertreterInnen der BürgerInnen zu wählen. Parlamente, Stadträte und Ortsverbände haben die Interessen der WählerInnen zu vertreten und den BürgerInnen Rede und Antwort zu stehen.“
Übertragen aus dem Persischen von Iman Aslani und überarbeitet von Forough Hossein Pour
Quelle: Deutsche Welle Persisch