Der Staat über dem Staat – Rouhani und die Revolutionsgarden

Dass die Militärs in der dritten Welt auch in der Wirtschaft mitmischen, ist keine iranische Erfindung. Die Armeen Pakistans oder Ägypten machen es seit Jahrzehnten vor. Doch im Falle der iranischen Revolutionsgarden sind wir mit einer weltweit einmaligen Verquickung von Wirtschaft, Militär, Politik und Religion konfrontiert. Es gibt zwischen all diesen Bereichen praktisch keine Grenzen mehr. In Ministerien besetzen Funktionäre der Zentrale die wichtigsten Posten.

In der Ära von Rouhanis Vorgänger Ahmadinedschad machte man es sich ganz leicht: Den Kommandanten der Wiederaufbauzentrale – Rostam Ghassemi – ernannte man zum Ölminister und etliche wichtige Ministerposten besetzte man mit Generälen der Zentrale. Und bei der Vergabe von Projekten verzichtete man einfach auf formale Ausschreibungen.

Die Firmen der Wiederaufbauzentrale zahlen keine Steuern und niemand darf sie kontrollieren. Als sich einmal ein Parlamentsabgeordneter die Frage erlaubte, ob sich die Volksvertreter diese steuerfreien Unternehmen nicht näher anschauen sollten, reichte die Wiederaufbauzentrale Klage gegen ihn ein. Seitdem redet keiner mehr von Aufsicht, Untersuchung, Überprüfung oder dergleichen.

Im Iran gibt es keinen Markt

Diese einmalige Situation versetzt die Wiederaufbauzentrale in die Lage, jeden Konkurrenten aus dem iranischen Markt zu verdrängen, inländische ebenso wie ausländische. Genau besehen existiere im Iran gar kein Markt , sagt der Ökonom Mohssen Renani von der Universität Isfahan.

Ohne diese alles beherrschende Holding kann kein Präsident, kein Minister oder Ayatollah eine langfristige Strategie entwickeln. Die Wiederaufbauzentrale bestimmt nicht die Politik, sie ist die Politik schlechthin. Niemand weiß das besser als Präsident Rouhani, der selbst jahrelang im nationalen Sicherheitsrat tätig war.

Das staatliche Fernsehen des Iran gewährte seinen ZuschauerInnen erstmals einen Einblick in einen unterirdischen Raketenstützpunkt
Unterirdischer Raketenstützpunkt im Iran, gebaut mit Hilfe von Khatam Al Anbia

Eine Art Kriegserklärung an die Garden

Rouhani wusste, dass er die Früchte seines Atomabkommens nicht würde ernten können, wenn er die Revolutionsgarden und ihren wirtschaftlichen Arm nicht ein wenig zurückdrängen würde. Ein schwieriges und zugleich gefährliches Unterfangen: „Wenn Sie Geld, Waffen, Geheiminformationen, Medien und andere Machtsymbole in eine Hand legen, dann wird diese Hand mit Bestimmtheit korrupt, selbst wenn sie einem Heiligen oder dem Propheten selbst gehören sollte.“

Dieser Satz, den Präsident Rouhani am 18. April 2014 aussprach, hörte sich an wie eine Kriegserklärung an die Revolutionsgarden und ihre Wiederaufbauzentrale. Diese Rede hielt er wenige Monate nach seiner Amtsübernahme an einem Ort und einem Tag, die symbolträchtiger nicht sein könnten. Der 18. April ist in der islamischen Republik der Tag der Armee, an dem offiziell das Ende der offenen und versteckten Rivalität zwischen Revolutionsgarden und der klassischen Armee gefeiert wird. Rouhani sprach diesen Satz vor Armee-Offizieren: Noch provokanter geht es nicht. Und die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. „Ich habe den Herrn Präsidenten zur Rede gestellt, ob er damit die Revolutionsgarden gemeint hätte. Er sagte Nein und damit ist die Sache beendet“, sagte Aziz Jafari, Oberbefehlshaber der Garden, nur drei Tage später.

Und als Rouhani das Atomabkommen mit den Worten pries, damit sei die Kriegsgefahr gebannt und nun müsse jede darauf achten, was er rede, wurde er wieder harsch zurechtgewiesen. Nicht irgendein Papier, nicht irgendein Techtelmechtel mit den Großmächten hätten die Kriegsgefahr beseitigt, sondern die mutigen und zum Märtyrertod bereiten Kämpfer, antwortete Jafari darauf.

Alles ab 30 Millionen Dollar

Doch je mehr die Zustimmung der Bevölkerung für das Abkommen wuchs, umso mehr gewann Rouhani an Selbstbewusstsein. Er wurde zunehmend deutlicher und forderte die Wiederaufbauzentrale sogar offen auf, sich nach und nach von wirtschaftlichen Großprojekten zurückzuziehen, um „dem Markt ein bisschen Luft zum Atmen lassen“.

General Ebadollahi zeigte zunächst sogar ein gewisses Entgegenkommen. „Wir übernehmen nicht alle Projekte, von Zeit zur Zeit finden sich gewisse, die wir anderen überlassen“, lautete seine Antwort auf Rouhanis Vorstoß. Zwei Tage zuvor hatte sein Chef General Aziz Jafari sogar eine Summe genannt, die die Garden nicht unterschreiten würden. All Projekte, die unter 30 Millionen Dollar betrügen, überlasse man dem freien Markt, so der oberste Befehlshaber der Revolutionsgarden.

Trump auf Konfrontationskurs

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