„Mafia-Bande zerstört das alte Teheran“
Untätigkeit der Behörden bei der Verhinderung von Neubauten gefährde die historische Baustruktur Teherans, klagen Experten. Der Stadtrat der iranischen Hauptstadt behauptet jedoch, keine Baugenehmigungen ohne die nötige Zustimmung der Organisation für das iranische Kulturerbe zu erteilen.
Es war kein gewöhnlicher Kontrollgang. Bei seinem Besuch in Oud-Ladjan, einem der ältesten Viertel der iranischen Hauptstadt Teheran, sprach Masoud Alavian Sadr von einer „Mafia-Bande“, die organisiert agiere: „Ihre Mitglieder besorgen sich Baugenehmigungen und sind dabei, durch Neubauten systematisch die historische Stadtstruktur vor allem in den ältesten Viertel Teherans zu zerstören“. Zwar nannte Alavian Sadr keine Namen, doch als stellvertretender Leiter der iranischen Kulturerbe-Organisation (ICHO) müsste er die Besitzer der neu gebauten Hochhauspassagen eigentlich kennen. „Bestimmte Leute bauen immer neue Luxus-Passagen im traditionsreichen Basar-Viertel. Diese Leute machen ihre Arbeit gut und werden inzwischen sowohl von staatlichen Behörden wie auch von Privatunternehmern unterstützt.“ Die ICHO habe über diese Bauvorhaben keine Kontrolle mehr, warnte Alavian Sadr.
Diese Warnung sollte ernst genommen werden. Vor einiger Zeit warfen die Mitarbeiter der ICHO dem Teheraner Stadtrat vor, den alten Stadtbezirk, in dem auch der Basar liegt, zu vernachlässigen. Der Stadtrat betont demgegenüber, ohne die notwendige Zustimmung der ICHO keine neuen Baugenehmigungen für die historische Altstadt Teherans erteilt zu haben.
Fragen, die niemand beantwortet
Welche einflussreichen Personen stecken hinter der „Mafia-Bande“? Wie schaffen sie es, die Vorschriften zu umgehen und Gebäude etwa aus der Zeit der Safawiden (1501–1722 n.C.) oder der Kadscharen-Dynastie (1779–1925) durch mehrstöckige Neubau-Passagen zu ersetzen?
Diese Fragen stellte die Zeitung „Hamshahri“ dem ehemaligen Leiter der Teheraner Abteilung der ICHO, Mohammad Ebrahim Larijani. Auch er hatte den Stadtrat von Teheran mehrmals gewarnt, der Basar und die historischen Teile der Altstadt befänden sich „in einer sehr kritischen Lage“. Larijani übt allerdings auch Kritik an der Wortwahl Alavian Sadrs, der von einer „Mafia-Bande“ sprach: Es handele sich bei den Bauherren „lediglich um Eigentümer, die auf ihren Grundstücken Altbauten abreißen und durch Neues ersetzen“. Larijani warnte jedoch ebenfalls, wenn dies so fortgesetzt werde, „dann werden wir in 20 Jahren die komplette traditionelle Struktur des Teheraner Basars verloren haben“.
Zu dem Vorwurf gegen ihn, sich als Leiter der Teheraner ICHO nicht genug um den Erhalt der historischen Stadteile gekümmert zu haben, sagte Larijani, er habe während seiner Arbeit bei der ICHO „weder erlaubt, ein einziges historisches Gebäude abzureißen, noch genehmigt, im alten Stadtteil Neues zu bauen“. Die Frage zu den Hintermännern der Neubauten lässt Larijani unbeantwortet: Davon wisse er nichts, „aber wer in Oud-Ladjan neue Passagen baut, lässt sich doch ganz einfach identifizieren“.
Der offizielle Weg wird umgangen
Der offizielle Weg zur Baugenehmigung ist bekannt: Der Grundstücksbesitzer muss diese beim Stadtrat beantragen. Zur Prüfung der Denkmalschutzbestimmungen holt sich der Stadtrat bei der ICHO eine Zusatz-Genehmigung. Erst wenn diese vorliegt, darf der Grundstücksbesitzer sein Bauvornehmen durchführen. „Das Problem ist, dass es Bauherren gibt, die sich nicht an die Normen halten. Sie bauen statt wie vorgegeben 7,5 Meter hoch fünfzehn Meter hohe Häuser“, so Larijani. Dann müsse der Staat eingreifen und die Bauherren auffordern, die „überbebauten Stockwerke“ abzureißen. Geschehe dies, „werden sich auch andere solche Verstöße nicht mehr erlauben“, glaubt er.
Behrouz Kashef, im Teheraner Stadtrat verantwortlich für die historischen Stadteile, sagt, die Vorwürfe, der Stadtrat erteile ohne die nötige Zustimmung der ICHO Baugenehmigungen, stimmten nicht: „Der Teheraner Stadtrat verhält sich gesetzestreu, Baugenehmigungen werden in Abstimmung mit der ICHO erteilt“, so Kashef. Während so alle Verantwortlichen aus Stadtrat und den zuständigen Behörden keine Bauvorhaben im historischen Stadtteil Teherans genehmigt haben wollen, inspiziert Alavian Sadr eine neue, 20 Meter tiefe Baugrube im Oud Lajan-Viertel. Aber wird er irgendwann auch bereit sein, die Hintermänner der Mafia-Bande, die Teherans Stadtidentität zerstören, namentlich zu nennen?
Von: Mohammad Barikani
Quelle: Hamshahri Online