„Motto des Jahres“ sorgt für Erheiterung
Alljährlich bestimmt der religiöse Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, das „Motto des neuen Jahres“. In diesem Jahr (1391 im iranischen Kalender) wurde es: „Das Jahr der nationalen Produktion, der Arbeit und der iranischen Vermögenswerte.“ Das und der Konflikt zwischen dem Iran und Israel beschäftigten in den letzten Tagen die iranischen Internetaktivisten.
„Ich befürchte, dass die Iraner die Anweisung zur Steigerung der nationalen Produktion falsch verstehen und sich die Bevölkerung noch vor dem Ende des Jahres verdoppelt“, schreibt Twitter-Nutzer Danyal Yazdi. Ähnlich ironisch sind die meisten Stellungnahmen der iranischen Internetgemeinde zu Khameneis Neujahrsmotto.
Ein Bild auf der Facebookseite Harssat.com zeigt in eine Plastiktüte abgefüllten Absolut Vodka mit der Bemerkung: „Iranischer Absolut jetzt erhältlich“ (siehe unten). Im Iran sind alkoholische Getränke per Gesetz verboten. Trotzdem werden selbstgebrannte Spirituosen in unbeschrifteten Plastikbehältern und Tüten verkauft.
Ein Cartoon des Karikaturisten Mana Neyestani zeigt einen Chinesen, der im Begriff ist, Waren in den Iran einzuführen. Ein Soldat – in Neyestanis Bildern ein Symbol für die iranischen Machthaber – schüttelt dem Mann die Hand und sagt: „Alles Gute zum Jahr der nationalen Produktion, mein Herr!“ FriendFeed-Nutzer Vanik fragt: „Was genau sind denn Irans nationale Produkte?“ FriendFeed-Nutzer Kenny antwort ihr ironisch: „F-15 Flugzeuge“. Arash meint, dass der Iran nur ein nationales Produkt besitze: „Seine [Ayatollah Khameneis, die Red.] Idee von der Unterstützung der nationalen Produktion zielt auf die Unterstützung der Ölproduktion. Wir produzieren ja nichts anderes.“
Und FriendFeed-Nutzer Aras schreibt: „Oh mein Gott, ich bin besorgt! 1390 [vergangenes Jahr nach iranischer Zeitrechnung, die Red.] lautete das Motto ‚Wirtschaftlicher Jihad’ – und es gab nur Betrug und Schwindel. Und nun ‚Nationale Produktion’?“ Niloo Far antwortet: „Die wollen wahrscheinlich, dass der iranische Markt mit chinesischen Produkten überflutet wird.“ Und der Twitter-Nutzer Sallar fragt sich: „Werden wir dieses Jahr auch unsere eigenen Pornos produzieren?“
Twitter-Nutzer Mehran meint, Irans oberster Führer Khamenei wisse genau, dass die Iraner das exakte Gegenteil von dem machen, was er vorgibt: „Also verordnet er die Steigerung der nationalen Produktion, damit am Ende die chinesischen Einfuhren steigen und er seinem Boss [gemeint ist China, die Red,] seine Loyalität beweisen kann.“ Araman twittert: „Um die nationale Produktion zu steigern, solltet ihr bitte iranische Kondome benutzen anstatt der Kondome der Marke Relax.“
„Israel liebt Iran, Iran liebt Israel“
Ein israelisches Paar, Ronny Edri und Michael Tamir, hat die „Israel liebt Iran“-Kampagne ins Leben gerufen. Die Kampagne ermutigt die Israelis, sich an der Diskussion über die Gemeinsamkeiten der beiden Völker zu beteiligen. Das Motto der Kampagne lautet: „Iraner, wir werden Euer Land niemals bombardieren; wir lieben Euch.“ Dieser Slogan breitete sich wie ein Lauffeuer in der iranischen Blogosphäre aus. Viele Iraner verbreiteten die Kampagne auf ihren eigenen Facebook-Seiten und in anderen sozialen Netzwerken. Und die Iraner reagierten ebenfalls mit versöhnlichen Friedensbotschaften. Iranische Facebook-Nutzer kreierten eine eigene „Iran liebt Israel“-Kampagne, die sehr schnell mehr als 3.500 „Likes“ erhalten hat. Die Slogans der Kampagne, die auf Persisch, Hebräisch und Englisch verbreitet werden, lauten: „Iraner hassen die Israelis nicht“, und: „Wir wollen keine Atombombe, sondern Frieden und Demokratie. Wir sind Eure Freunde.“ Diese Botschaften wurden auch auf YouTube veröffentlicht und beide Kampagnen wurden „Hot Topics“ auf der wichtigsten iranischen Internetplattform Balatarin.com.
Das iranische Neujahrsfest bot eine ideale Gelegenheit, um die wahren Befindlichkeiten beider Seiten zum Ausdruck zu bringen. Auch Politiker versuchten, die günstige Gelegenheit zu nutzen. Shimon Peres‘ Neujahrsgrüße an die iranische Bevölkerung wurden nur von wenigen Iranern registriert. Facebook-Nutzer Sara schreibt: „Wenn die Menschen beider Länder ins Gespräch kommen, ist das eine friedfertige Kommunikation. Wenn ein Politiker sich einschaltet, ist das nur opportunistisch.“
„Bittere Wahrheit und süße Lüge“
Google-Nutzer Tohid ist zynisch: „Zwischen all diesen Liebesbekundungen erinnere ich nur ungern an einen drohenden Krieg, doch wir sollten uns damit abfinden, dass eine bittere Wahrheit immer noch besser ist als eine süße Lüge.“
Twitter-Nutzerin Maryaminaa verweist auf einen Slogan der Grünen Bewegung: „Als ihr [die Anhänger der Grünen Bewegung, die Red.] ‚Nein zu Gaza, nein zum Libanon, ich sterbe nur für Iran‘ gerufen habt, kam euch nicht in den Sinn, die Menschen anderer Länder – unabhängig von ihren Regierungen – zu lieben. Jetzt fällt euch plötzlich ein, Liebesgrüße an die Israelis zu senden?“
Das Foto eines sich küssenden israelisch-iranischen Paares verbreitete sich ebenfalls auf Facebook und erhielt zahlreiche positive Feedbacks.
In seinem Blog-Eintrag „Mensch Junge, ich liebe dich auch! Vergiss die Bombe“, kritisiert Blogger Negative Particles die euphorische Stimmung in den sozialen Netzwerken. „Diese Nachrichten an die Iraner waren nur deswegen so effektiv, weil sie keine Bedeutung in der realen Welt bzw. für die nicht existente Beziehung zwischen den Menschen beider Länder haben.“
Quelle: Iran Media Programm
Aus dem Englischen: Resa Mohabbat-Kar
The Iran Media Program is a collaborative network designed to enhance the understanding of Iran’s media ecology. Our goal is to strengthen a global network of Iranian media scholars and practitioners (the Iran Media Scholars Network) and to contribute to Iran’s civil society and the wider policy-making community by providing a more nuanced understanding of the role of media and the flow of information in Iran. More.