Facebook-Kampagne: „Nein zur obligatorischen Verschleierung“

Die iranische Internetgemeinde reagiert heftig auf die Facebook-Kampagne „Nein zur obligatorischen Verschleierung im Iran“. Der Slogan der Kampagne „Für das Recht der Frauen, den Schleier fallen zu lassen“ („Unveil women´s right to unveil“) findet sogar Unterstützung unter den Gläubigen. 
Die Diskussion um die Zwangsverschleierung im Iran nimmt größere Ausmaße an. Neben reformistischen Politikern und Geistlichen hatte vergangene Woche Naimeh Eshraghi, die Enkelin von Ayatollah Ruhollah Khomeini – der Gründer der Islamischen Republik – Stellung bezogen.  „Wir wollten mit dem Hijab die Sicherheit der Gesellschaft erhöhen, doch das Gegenteil ist eingetreten“, sagt die gläubige Moslemin im Interview mit der Website Jamaran.ir. Sie kritisiert das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Frauen, deren Kleidung nicht ganz den Vorstellungen der Regierenden entsprechen. Ihrer Meinung nach sei selbst der Prophet Mohammad auf das Gebot, sich zu verschleiern,  nicht so streng gewesen wie das iranische Regime.
Facebook-Kampagne

Naimeh Eshraghi - Foto: jamaran.ir.
Naimeh Eshraghi, Enkelin des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini - Foto: jamaran.ir.

Die Diskussion um Zwangsverschleierung hat nun die sozialen Netzwerke im Internet erreicht. In den letzten Tagen hat vor allem eine Facebook-Kampagne zur Aufregung gesorgt: „Nein zur obligatorischen Verschleierung im Iran“. Die Kampagne wurde von der politischen Gruppierung  „Liberale iranische StudentInnen und AbsolventInnen“, deren Mitglieder sich überwiegend im Ausland befinden, ins Leben gerufen. Sie bittet um „likes“ von den Internetusern, die durch das Einsenden von Bildern mit der Facebook-Seite interagieren sollen. Die Kampagne hat auch die Aufmerksamkeit von einigen iranischen Prominenten auf sich gezogen – u. a. Marzieh Vafamehr (Schauspielerin und Filmemacherin), Mohsen Kadivar (Kleriker, religiöser Vordenker und politischer Aktivist), Abdi Kalantari (Philosoph und Schriftsteller), Abdolhamid Masoomi Tehrani (Kleriker).Yasin twittert über die Unterstützung des Klerikers  Masoomi Tehrani: „Das ist ja wie der Weltuntergang, wenn selbst er die Kampagne unterstützt!“.
Unterschiedliche Standpunkte
Für die Kampagne gibt es eine relativ breite Unterstützung, aber auch Wünsche nach einer klareren Differenzierung bis hin zur scharfen Kritik. Der iranische Journalist und Kameramann, Parviz Jahed, bemängelt das Motto der Aktion auf seiner Facebook-Seite: „Der Leitgedanke ´Für das Recht der Frauen den Schleierfallen zulassen‘ ist einseitig, nicht objektiv, und sagt nicht die ganze Wahrheit über den Hijab. Es erwähnt nicht das Recht der Frauen, sich freiwillig zu bedecken.“
Zahra Shariati unterstützt die Kampagne.
Zahra Shariati unterstützt die Kampagne.

Unter den UnterstützerInenn gibt es auch Frauen, die an das Tragen von Hijab und Bedeckung der Frauenhaare festhalten, dennoch der Auffassung sind, dass es sich hierbei um eine persönliche Entscheidung und nicht um eine staatlich verordnete Maßnahme handeln sollte. Zahra Shariati kommentiert auf Facebook: „Im Iran gibt es viele Menschen, die für die Verschleierung  eintreten, sich aber gegen das Verschleierungs-Diktat des Staates stellen.“
Twitter-Nutzer Cafe erinnert an die  Zusammenarbeit zwischen Aktivisten aus unterschiedlichsten politischen Lagern während der Revolution von 1979: „Vor 30 Jahren sagten Atheisten und linke Aktivisten, wir tragen den Schleier, um unsere Freiheit zu erlangen‘. Heute lehnen tolerante Muslime die obligatorische Verschleierung ab.“
Skepsis
Einige Nutzer hinterfragen die Initiatoren der Kampagne, die ‚Liberalen iranischen Studenten und Absolventen „, die sich zuvor für eine militärische Intervention in Syrien ausgesprochen hatten. Daraus leiten einige Nutzer ab, dass die Gruppe eine Intervention in den Iran ebenfalls befürworte. Ali Abdi, ein iranischer Oppositioneller in den USA, begrüßt die Kernidee der Kampagne. Im Hinblick auf die Initiatoren der Kampagne zeigt er sich aber skeptisch:  “ Ich hoffe, dass diese Kampagne nicht dazu führt, dass die US-Außenministerin Hillary Clinton plötzlich zur, Befreiung der iranischen Frauen von der Zwangsverschleierung‘ aufruft.“
Transparency for Iran

Amir Amirgholi befürchtet, dass die Kampagne auch andere Motive haben könnte: „Ich mag diese blauen Vögel auf den Kampagnen-Fotos nicht. Dieser ominöse Vogel singt immer noch das Lied der „humanitären Intervention“, mit anderen Worten: Krieg „.
Maryam, eine iranischer Bloggerin aus Großbritannien, stellt in Frage, ob diese Kampagne wirklich Frauen stärken will: „Das Bild ganz oben auf der Facebook-Seite der Kampagne wirkt seltsam abstoßend auf mich. Es ist kein gutes Zeichen, dass man das Gesicht der Frau auf dem Bild nicht sehen kann. Wenn die Frauen, die sich mit einer Kampagne gegen die Zwangsverschleierung aussprechen, nicht mal in die Kamera schauen können, um ihre Forderungen zu äußern, dann stimmt da was nicht. Dieses Foto vermittelt mir nur das Gefühl der Passivität.“
FP
Aus dem Englischen: Resa Mohabbat-Kar
Quelle: Iran Media Programm
The Iran Media Program is a collaborative network designed to enhance the understanding of Iran’s media ecology. Our goal is to strengthen a global network of Iranian media scholars and practitioners (the Iran Media Scholars Network) and to contribute to Iran’s civil society and the wider policy-making community by providing a more nuanced understanding of the role of media and the flow of information in Iran. More.