Maroufi: „Sie werden auch den Koran zensieren“
Im Iran herrscht zur Zeit eine rigide Zensur: In mehreren Städten werden Kunstwerke, Skulpturen und Denkmäler abgerissen, Werke iranischer Historiker, Schriftsteller und Dichter werden zensiert. Nun trifft es auch die klassischen Werke.
In seiner Abhandlung zur islamischen Zensur kommt der zeitgenössische iranische Schriftsteller Abbas Maroufi zu dem Schluss, dass „die Klinge der Zensur“ auch das heilige Buch der Muslime, den Koran nicht auslassen werde.
– Ein Gastbeitrag
Die Kriegsmaschine der Islamischen Regierung ist blind und hört nichts außer dem schrecklichen und furchteinflößenden Getöse ihrer eigenen Räder. Tag und Nacht ist sie unterwegs, um nach Belieben Kultur, Literatur und Kunst zu beschneiden, manches davon abzureißen und in den Abfall zu werfen. Erst vor wenigen Tagen wurde in Kerman eine alte Kirche über Nacht zerstört.
Diese Zerstörungspolitik gegen Kultur und Kunst ist immer ein Markenzeichen des islamischen Regimes gewesen. Freilich hat sich ihr Gewand während der letzten 32 Jahre, in denen mehrere Regierungen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen das Land regierten, ständig geändert.
Während der Amtszeit des Ex-Präsidenten Hashemi Rafsanjani wurden massenhaft Presseagenturen geschlossen und Presseaktivitäten unterbunden. Auch ich war ein Opfer dieser Zeit. Einmal wurde einer meiner Kulturzeitschriften gemeinsam mit 47 anderen Zeitschriften die Lizenz entzogen. Mein Redaktionsbüro wurde mehrmals überfallen. Einmal wurde ich wegen der Verleihung des von mir initiierten Literaturpreises „Goldene Feder“ in der Nacht auf offener Straße angegriffen und verprügelt.
Schließlich wurde ich im Winter 1996 wegen Verfassens und Veröffentlichens meiner Kulturzeitschrift „Gardun“ (Himmelsgewölbe) zu Gefängnisstrafe, Peitschenhieben und Berufsverbot verurteilt. Meine Zeitschrift samt Verlag wurde für immer eingestellt. Am gleichen Tag hatte ein Geschworener des Kulturgerichtshofes gesagt: „Neben Gardun haben wir vor, 100 weitere Zeitschriften zu schließen.“
Während dieser Zeit erlebten viele Schriftsteller solche Schicksale. Der bekannte Schriftsteller Houshang Golshiri sagte mir: „Bis jetzt habe ich meinen Mörder drei Mal gesehen!“
Die sogenannten Kettenmorde, denen vor allem oppositionelle Intellektuelle zum Opfer fielen, sind in dieser Zeit geschehen. So wurde zum Beispiel der Schriftsteller, Journalist, Historiker, Universitätsprofessor und Koran-Übersetzer Ali-Akbar Saidi Sirjani verhaftet und im Gefängnis ermordet.
Zensur unter den Reformern
Während der Amtszeit von Mohammad Khatami wurden viele Zeitschriften veröffentlicht und gesellschaftliche Freiheiten teilweise wieder hergestellt. Trotzdem wurden weiterhin Bücher zensiert.
Obwohl Khatamis Regierung mit den Hardlinern in den eigenen Reihen in Konflikt stand, übte sie selbst Zensur aus. Zwar sind viele Bücher veröffentlicht und viele Filme produziert worden, doch auch diese Regierung wollte nicht auf Zensur verzichten. Sie übte zwar keine Gewalt aus, zensierte aber Bücher auf eine äußerlich freundliche Art. In dieser Zeit wurde auch ein Roman von mir zurückgewiesen.
Amtszeit von Ahmadinejad
Mit dem Amtsantritt von Mahmud Ahmadinejad wurden wir zurückkatapultiert in die Zeiten der Revolution. Eine Ära des Chaos, wilder Parolen und leerer Versprechungen hat begonnen. Ahmadinejads Regierung hat offiziell alle Verlagslizenzen, die während der Amtszeit seines Vorgängers erteilt wurden, für ungültig geklärt. Um eine neue Lizenz erteilt zu bekommen, mussten die Verleger zuerst die Lizenzen der vorherigen Regierung wieder zurückzugeben.
Alles, was die Verleger in den letzten Jahren erreicht hatten, wurde damit wieder zunichte gemacht!
In den sechs Jahren von Ahmadinejads Amtszeit sind wiederholt Skulpturen aus Großstädten mit Bulldozern und schweren Werkzeugen entfernt und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Viele dieser Skulpturen bildeten die Helden des alten Iran ab. Und während Ahmadinejad Skulpturen zerschlagen lässt, zensiert und eliminiert sein Kulturminister Bücher und Literatur mit großer Intensität und Schnelligkeit.
In den letzten Jahren sind Tausende von Schriftstellern, Dichtern, Malern, Bildhauern, Musikern und Journalisten aus dem Iran geflohen. Heutzutage können zwar politische Nachrichten durch die Medien und das Internet in den Iran gelangen, aber für Literatur und Kunst ist das sehr schwierig geworden. Nach Angaben iranischer Verleger warten mehr als 5.000 Bücher – die meisten von ihnen schöpferische Literatur – seit Jahren auf eine Veröffentlichungsgenehmigung.
Klinge der Zensur am Hals der klassischen Literatur
Seit Jahren beschränken Kulturpolitiker der islamischen Regierung nicht nur zeitgenössische, sondern auch die klassische Literatur. Manchmal werden Änderungen in uralten Büchern vorgenommen, oder die Verleger werden aufgefordert, dies selbst zu tun. Und manchmal werden sogar solche Bücher für nicht druckfähig erklärt.
Dieses Jahr waren zwei Meisterwerke betroffen: „Bijan und Manijeh“ und „Khosrow und Shirin“.
Eines handelt von der Liebesgeschichte zwischen Bijan und Manijeh – eine Geschichte aus dem Firdausis Shahnameh (Buch der Könige – geschrieben vor mehr als 1000 Jahren; A. d. R.). Hier musste der Verleger selbst Hand anlegen und den Liebesteil herausschneiden.
Einem anderen Verleger wurde verordnet, die Liebesgeschichte „Khosrow und Shirin“, die Nezami Ganjavi, ein bedeutender Vertreter der persischen Literatur, vor 800 Jahren geschrieben hat, abzuändern.
Letztes Jahr auf der Frankfurter Buchmesse habe ich Ahmadinejads Zensurbeamten gesagt: „ Bald werden Sie sogar den Koran zensieren!“
Im Koran wird die Geschichte vom Prophet Josef und Zoulikha sehr romantisch dargestellt.
Hier handelt es sich nicht um Phantasie und Geschichten von Nezami Ganjavi oder Firdousi, sondern um das Wort Gottes! Aber das kümmert die Zensoren wenig. Sie sind in der Lage, auch Gott selbst anzugreifen und sein heiliges Buch zu zensieren.