Kino, Puff und Kunst – Die islamische Republik und ihre unbeugsamen Künstler

Unerbittliche Strafen und verbale Demütigungen für iranische Filmschaffende durch die Regierung haben eine jahrzehnte lange Tradition.  Ein kurzer Blick auf die letzten Beispiele.

„Wir haben nichts gegen Kino, aber wir sind gegen Puffs.“ Dieser Satz, Programm und Warnung zugleich, wird seit 33 Jahren mal als Bonmot, mal wie ein  Damoklesschwert zitiert. Denn er stammt vom Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, der ihn vor einer Gruppe iranischer Schauspieler und Filmemacher aussprach.
Doch was ist Kino in der Islamischen Republik Iran, und wo fängt die Prostitution an?

Marzieh Vafamehr
Marzieh Vafamehr

Die Grenze ist fließend und deshalb willkürlich. Mal sind es einige Haarsträhnen, die aus einem Kopftuch herauslugen, mal ein ganzer, aber haarloser Frauenkopf – so wie bei Marzieh Vafamehr, die Anfang Oktober zu einem Jahr Gefängnis und neunzig Peitschenhieben verurteilt wurde, weil sie in dem Film  „My Tehran for Sale“ mit unverschleierter Glatze zu sehen ist .
Diese erniedrigende Strafe für eine beliebte Schauspielerin ist charakteristisch für den derzeitigen Umgang der iranischen Justiz mit Kritikern. Ein willkürliches Urteil ist sie zudem, weil die Kulturbehörden das Drehbuch vor der Produktion des Films durchgelesen, zensiert und schließlich genehmigt hatten. Vafamehrs Ehemann, selbst ein anerkannter Regisseur, schrieb nach dem Urteil in einem offenen Brief an die Justiz: „Habt Ihr nur für einen Augenblick daran gedacht, was dieses Urteil für den Ruf des Landes und für den iranischen Film bedeutet?“
Erfolg trotz Peitschenhieben

Jafar Panahi
Jafar Panahi

Urteile wie dieses prägen längst den Ruf der iranischen Justiz. Nicht aber den iranischen Film: Das iranische Kino hat trotz aller Schikanen, Gefängnis- und Peitschenstrafen der letzten dreiunddreißig Jahre längst seinen anerkannten Platz in der Fachwelt. Es wird international mit zahlreichen Preisen und Festivals in vielen Ländern geehrt, und Namen wie Jafar Panahi, Abbas Kiarostami und Asgashr Farhadi stehen für Kreativität und Kampfeswillen zugleich. Als im September fünf Dokumentarfilmer in Teheran verhaftet wurden, weil Ausschnitte aus ihren Werken in einem BBC-Beitrag zu sehen waren, protestierten mehr als hundert Filmschaffende,  darunter viele Schauspielerinnen, öffentlich.
In der Hitze dieses Gefechts zwischen Kulturfunktionären und Künstlern tauchte unvermeidlich die berühmte Parabel von Revolutionsführer Khomeini wieder auf. Ein Funktionär des staatlichen Fernsehens sagte in einer öffentlichen Diskussion, die Mehrheit der Schauspielerinnen seien sowieso Prostituierte. Die Welle von empörten Protesten und bissigen Kommentaren daraufhin war so massiv, dass er seine Beschimpfung halbherzig relativieren musste.
Diese neuerliche Beleidigung und die darauf folgende Reaktion sind typisch für das iranische Kino. Ein Kommentator schreibt auf der Website „Kalameh“: „Jafar Panahi, dieser mit dem Silbernen Bären und der Caméra d’Or ausgezeichnete Regisseur, wird zu sechs Jahren Haft und einem anschließenden Berufsverbot von 20 Jahren verurteilt. Doch das Milieu, aus dem Panahi und seine Kollegen stammen, bleibt trotzdem weiterhin kreativ und widerstandsfähig.“
Und tatsächlich hat das iranische Kino ganz unabhängig von einzelnen Personen längst laufen gelernt.