„Wir nehmen die Regierung beim Wort“
Seit fünfzehn Jahren kämpft Parastou Forouhar für die Aufklärung der Morde an ihren Eltern. Dariush und Parvaneh Forouhar waren Opfer der so genannten Kettenmorde, bei denen in den 90er Jahren iranische Oppositionelle und Kulturschaffende getötet wurden. Die Morde wurden bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Über den Umgang der neuen Regierung mit diesem dunklen Kapitel der iranischen Geschichte sprach Transparency for Iran mit der in Offenbach lebenden Künstlerin.
TfI: Frau Forouhar, Präsident Rouhani hat kürzlich erklärt, Kunst ohne Freiheit sei sinnlos. Was sagt Ihnen diese Äußerung?
Parastou Forouhar: Die Aussagen von Herrn Rouhani sind widersprüchlich. In derselben Rede hat er auch gesagt, dass mit der Schwarzmalerei in der Kunst aufgehört und ein hoffnungsfrohes Bild des Iran gezeichnet werden soll. Es scheint, als wolle Rouhani die Künstler in eine bestimmte Richtung drängen, damit sie den hoffnungsvollen Aufbruch darstellen, mit dem seine Regierung angetreten ist. Das ist im Grunde Propaganda. Der Iran befindet sich in einer Zeit, in der es schwer ist, sich zwischen all den widersprüchlichen Positionen und Ereignissen zurechtzufinden.
Wie in jedem Jahr sind Sie auch im November 2013 in den Iran gereist, um eine Trauerfeier für Ihre Eltern abzuhalten. Wie haben Sie sich diesmal auf den Jahrestag vorbereitet?
Wenn die Jubiläen rund werden, verpflichten sie zu einem Rückblick. Deshalb habe ich den 15. Jahrestag der Ermordung meiner Eltern zum Anlass genommen, meine eigenen Redebeiträge, offene Briefe und vieles mehr zusammenzufassen und diese Dokumente im Internet und auf iranischen Webseiten zu verbreiten. Ich habe im Vorfeld viele Interviews gegeben und meine deutschen und iranischen Netzwerke aktiviert, um an das Ereignis zu erinnern.
Was waren Ihre Hoffnungen und Ängste bei der diesjährigen Reise?
Ich war neugierig, ob die Offenheit der neuen Regierung eine Veranstaltung für meine Eltern gestatten würde. Ich hatte das Gefühl, dass ein Teil der Künstler und Oppositionellen zu viele Hoffnungen in die Rhetorik des neuen Präsidenten setzten. Deshalb war ich in meinen Erwartungen gebremst. Das ist natürlich eine sehr destruktive Haltung, was für unsere Forderung nach einer Ehrung der Opfer jener Morde hinderlich sein könnte. Doch glücklicherweise spürte ich diesen inneren Bremsklotz im Iran nicht mehr.
Bislang haben die iranischen Behörden in jedem Jahr die Veranstaltung zur Erinnerung an Ihre Eltern untersagt. War es diesmal anders?
Das Informationsministerium hat mir Bedingungen diktiert – etwa, dass nur Verwandte und Nachbarn eingeladen werden dürfen. Das ist natürlich im Grunde ein Verbot, das man aber nicht offen aussprechen will. Das ist für mich charakteristisch für die jetzige politische Situation im Iran: Die Regierung setzt darauf, dass man Selbstzensur betreibt. Wir haben dann zu einer öffentlichen Versammlung in meinem Elternhaus aufgerufen. Wer früh genug kam, kam hinein – das waren etwa 60 Personen. Danach wurde die Präsenz der Sicherheitskräfte in Zivil um unser Haus herum deutlich spürbar. Sie verbarrikadierten später die Straße und versuchten, ankommende Gäste zur Umkehr zu bewegen. Einige der Beamten drangen in unser Haus ein. Ich habe sie des Grundstücks verwiesen und gebeten, außerhalb des Anwesens für Sicherheit zu sorgen.
Stehen Sie mit Angehörigen anderer Opfer der Kettenmorde in Kontakt?
Ich stehe mit vielen der Familien das ganze Jahr über in Kontakt. Ich habe auch Kontakt zu anderen Familien, deren Angehörige Opfer politischer Gewalt worden sind, etwa des Terrors der 80er Jahre oder bei der Bekämpfung der Grünen Bewegung 2009. Es gibt eine starke Solidarität untereinander. Wir fordern, dass unsere Gerichtsverfahren wieder aufgenommen werden. Da nehmen wir die jetzige Regierung mit ihrer liberaleren Rhetorik auch beim Wort.
Wie gehen die iranischen Behörden mit Ihrer Kunst um, die sich zum Teil sehr hintergründig und kritisch mit dem Iran auseinandersetzt?
Meine Kunst hatte immer nur einen kleinen Kreis an Rezipienten, deshalb ist sie für die Behörden wenig interessant. Ich muss als Künstlerin nicht denselben Druck aushalten wie etwa Filmemacher, die eine wesentlich höhere Reichweite haben. Meine Ausstellungen im Ausland werden von persischsprachigen Medien besprochen. Dadurch sind meine Werke in gewisser Weise auch der Öffentlichkeit im Iran zugänglich. Manchmal werde ich bei Verhören darauf angesprochen worden. Aber sie legen den Fokus mehr auf meine Aktivitäten für Menschenrechte.
Können Sie im Iran ausstellen?
Es ist mir wichtig, dass ich einen lebendigen Austausch mit dem Iran habe, und dass die Leute dort mich als Teil ihrer Gesellschaft begreifen. Zuletzt hatte ich eine Einzelausstellung 2009, als im Iran eine offenere, wagemutige Atmosphäre herrschte.
Interview: YASMIN KHALIFA
Zur Person:
Parastou Forouhar, geboren 1962 in Teheran, studierte bis 1990 Kunst an der Universität Teheran und kam 1991 nach Deutschland. Neben zahlreichen Ausstellungen schrieb sie ein Buch mit dem Titel „Das Land, in dem meine Eltern umgebracht wurden“.