Weibliche Beschneidung im Iran: Verboten, aber nicht verfolgt

Die Frauenforscherin Rayeheh Mozafarian hat in einer wissenschaftlichen Arbeit die weibliche Genitalverstümmelung im Iran thematisiert. Sie fordert, dass über die Problematik offen gesprochen werden müsse, damit die Praktik gestoppt wird.
Alle elf Sekunden wird nach Angaben der Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung STOP FGM NOW! irgendwo auf der Welt ein Mädchen beschnitten. Weltweit sollen jährlich bis zu drei Millionen Mädchen Opfer dieser Praktik werden. Die meisten weiblichen Genitalverstümmelungen werden auf dem afrikanischen Kontinent vorgenommen, aber sie sind auch in Asien präsent. Der Jemen ist das einzige Land, für das die Verbreitung der Beschneidung von Mädchen statistisch erfasst wurde. Doch auch im Iran, wo die Praktik eigentlich verboten ist, wird sie vielerorts durchgeführt. Das hat die Frauenforscherin Rayeyeh Mozafarian von der Universität Schiraz in einer Forschungsarbeit darlegt, für die sie nun – nach fünf Jahren Wartezeit – die Erlaubnis zur Veröffentlichung bekam.
Verstümmelung unter widrigen Umständen

Rayeheh Mozafarain: "Bis jetzt wird das Thema weder vom Gesundheitsministerium angegangen noch in der Öffentlichkeit diskutiert!“
Rayeheh Mozafarain: „Bis jetzt wird das Thema weder vom Gesundheitsministerium angegangen noch in der Öffentlichkeit diskutiert!“ – Foto: Tavaana.org

Mozafarian hat dafür zwischen 2007 und 2009 in mehreren iranischen Provinzen Befragungen zu weiblichen Genitalverstümmelungen durchgeführt. Ihren Recherchen zufolge finden 70 Prozent der weiblichen Beschneidungen in den Provinzen Kurdistan, West-Aserbaidschan, Kermanshah, Ilam, Lorestan und Hormozgan statt. Die Praktik ist sowohl bei Schiiten als auch bei Sunniten vorzufinden. Einfach war die Forschung Mozafarians nicht, denn viele Frauen reden nur ungern über dieses heikle Thema. „Besonders in den kurdischen Gebieten erhielt ich auf viele meiner Fragen leider keine Antworten“, schreibt die Frauenforscherin in ihrer Arbeit. Aus diesem Grund kann auch keine verlässliche Statistik über die Verbreitung der Verstümmelungspraktik erstellt werden.
Doch trotz solcher Einschränkungen hat Mozafarian wertvolle Informationen zusammengetragen. Etwa, dass die meisten Beschneidungen bei den Opfern zuhause durchgeführt werden. Die Eltern der meist minderjährigen Mädchen holen zu diesem Zweck eine Hebamme, die den Eingriff vollzieht – oft „ohne Betäubung und unter sehr unhygienischen Umständen“, so die Forscherin: „Die meist unausgebildeten Hebammen benutzen dafür oft eine einfache Rasierklinge.“
Eine der Befragten erzählte Mozafarian von ihrer Beschneidung als zehnjähriges Mädchen: „Ich ging mit meinem Vater zu einer Hebamme. Sie hatte ein weißes Tuch auf einem Brett ausgebreitet, auf das ich mich legen sollte. Als die Hebamme ihre Hände und Rasierklinge desinfizierte, habe ich angefangen zu weinen, weil ich wusste, was nun auf mich zukommen wird. Sie bat mich meine Augen zu schließen. Als das Ganze vorbei war, hatte ich unglaubliche Schmerzen.“
Keine strafrechtliche Verfolgung
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Ayatollah Ali Sistani: „Aus religiöser Sicht ist Frauenbeschneidung erlaubt !“

Dass die Genitalverstümmelung von Hebammen in Privatwohnungen und nicht von ausgebildeten Chirurgen in Kliniken vorgenommen wird, hat einen einfachen Grund: Laut iranischem Strafgesetz ist die weibliche Beschneidung zwar nicht explizit verboten, doch das Verstümmeln von Körperteilen gilt als Straftat. Dennoch: „Obwohl die Praktik strafbar ist, wird so gut wie keiner dafür zur Verantwortung gezogen, wenn er seine Tochter beschneiden lässt“, so Mozafarian. Denn: „Kaum ein Opfer erstattet Anzeige gegen die eigenen Eltern.“ Und viele Frauen, die erst im Erwachsenenalter beschnitten wurden, schwiegen aus Überzeugung oder der „Tradition“ zuliebe, so die Forscherin: „Nicht wenige akzeptieren die Verstümmelung ihrer Genitalien als religiöse Notwendigkeit, wie sie auch von örtlichen Geistlichen gefordert wird“, schreibt sie. Diese Frauen „würden auch ihre eigenen Töchter beschneiden lassen.“
Aufklärung notwendig
Mozafarian fordert deshalb, dem Problem mit Aufklärungskampagnen dort entgegenzutreten. „Würde man die Frauen über die gesundheitlichen Gefahren der weiblichen Beschneidung und über ihre Rechte als Frau aufklären, würden sie sich vielleicht mehr dagegen wenden. Doch bis jetzt wird das Thema weder vom Gesundheitsministerium angegangen noch in der Öffentlichkeit diskutiert“, sagt die Frauenforscherin.
Solange das Thema aber mit einem Tabu behaftet sei, könne die Fortführung der Praktik nicht gestoppt werden, glaubt Mozafarian. Druck müsse deshalb auch auf die Geistlichen ausgeübt werden, damit sie sich gegen die Praktik aussprechen: „Denn die Mullahs genießen besonders in kleinen Städten und Dörfern große Autorität“, so Mozafarian. Dass sie damit Recht haben könnte, zeigt die Aussage einer von ihr befragten Hebamme, die in der Beschneidung eine gute religiöse Tat sieht: „Wenn der Mullah mir sagen würde, dass es falsch ist, Frauen zu beschneiden“, so die Frau, „dann würde ich das nie wieder tun.“
  Jashar Erfanian