Webuser verurteilen und feiern die Haft Mehdi Hashemis
Der Sohn eines der mächtigsten Männer im Iran muss ins Gefängnis. Während einige Mitglieder der iranischen Webcommunity dies für ungerecht halten, löst es bei anderen Genugtuung aus. Einiger sind sich die IranerInnen in ihrer Wut auf das Nachbarland Türkei. Dort ist ein iranischer LKW in Brand gesetzt worden. Web-Nachrichten aus dem Iran.
Der wegen „Korruption” und „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit” verurteilte Mehdi Hashemi ist vergangenen Sonntag in Teheran zu einer zehnjährigen Haftstrafe angetreten. Mehdi Hashemi ist der Sohn des moderaten Klerikers und noch immer höchst einflussreichen iranischen Ex-Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani. Der Haftantritt Mehdi Hashemis spaltet die iranische Online-Community. Viele IranerInnen sind der Überzeugung, dass dessen Verurteilung und Inhaftierung ein Racheakt der von konservativen Kräften dominierten iranischen Justiz gegen seinen Vater sei. Der gilt als politischer Rivale des geistlichen Oberhaupts und mächtigsten Mannes des Iran, Ayatollah Ali Chamenei.
„Wie bei ‚Game of Thrones’“
„Hashemi Rafsanjani ist unantastbar. Deswegen muss nun eines seiner Kinder büßen, und das nicht zum ersten Mal“, schreibt Mohammadreza auf der Facebookseite von DW Farsi. „Das ist die Rache der Konservativen für den Atomdeal mit dem Westen“, glaubt DW-Farsi-User Parshin. Eine andere Besucherin des sozialen Netzwerks schreibt: „Der Iran wird von politisch
einflussreichen Familien beherrscht, die mal miteinander verbündet sind und mal nicht. Die Hashemi Rafsanjanis, die Chameneis, die Larijanis. Das Ganze erinnert an die Fantasy-Serie ‚Game of Thrones‘.“ Manche Anhänger Rafsanjanis reagieren empört auf die Nachricht vom Haftantritt dessen Sohnes: „Gott möge Rafsanjanis Feinde strafen. Er war einer derjenigen, die immer die Revolution verteidigt haben. Und so dankt es ihm nun das Regime“, schreibt ein wütender User mit Namen Abdol Ali unter einem Nachrichtenbeitrag von Radio Farda. Ein anderer Iraner schimpft: „Das ganze Regime ist von Kopf bis Fuß korrupt. Wenn es der Justiz ernst wäre mit der Bekämpfung der Korruption, dann müssten ganz andere Menschen im Gefängnis sitzen als Mehdi Hashemi. Aber wer wagt schon, gegen die Familie Chameneis zu ermitteln?“
Kein Mitleid für Hashemi
Andere sehen die Inhaftierung Hashemis als gerechtfertigt an. „Gut so!“, schreibt Mina auf Radio Farda. Das findet auch Mohsen: „Ich danke der Justiz dafür, dass sie diesen Gauner und Dieb eingekerkert hat.“ „Zehn Jahre Gefängnis reichen bei weitem nicht aus. Seine eigentliche Strafe kommt noch“, schreibt Somayeh auf dem konservativen Nachrichtenportal Fars News. „Der Teufel wird sich seiner schon noch annehmen“, prophezeit die Iranerin weiter.
Doch nicht nur Regimeanhänger begrüßen die Inhaftierung des Geschäftsmanns. So schreibt ein anonymer Nutzer der Nachrichtenseite Bourse News: „So viele mittellose IranerInnen mussten schon ins Gefängnis, weil sie es gewagt haben, ihre Meinung zu sagen. Da ist es nur fair, wenn auch mal einer der korrupten Superbonzen in den Knast kommt.“ Ghoochali wiederum schreibt auf Radio Farda: „Es freut mich, dass einer aus dem Rafsanjani-Clan hinter Gittern sitzt. Während der Präsidentschaft Hashemi Rafsanjanis sind so viele unschuldige Menschen ins Gefängnis geworfen worden. Jetzt trifft es sie selber. Das ist schon eine Genugtuung.“ Ähnlich sieht das Azar: „Seit der Machtkonsolidierung des Regimes ist die Familie Rafsanjani an allen möglichen Verbrechen gegen Oppositionelle beteiligt gewesen. Auch wenn der Clan sich heute politisch moderat gibt, die Vergangenheit wird so nicht ausgelöscht und vergessen. Die Rafsanjanis sprechen heute von einem unfairen Prozess, aber keiner der Oppositionellen, die während der Präsidentschaft Rafsanjanis zu Haftstrafen oder zum Tode verurteilt wurden, haben jemals einen fairen Prozess erhalten“, so die wütende Iranerin auf Peyke Iran.
Angriff auf einen iranischen LKW in der Türkei
Ein Angriff auf einen iranischen LKW an der türkisch-iranischen Grenze hat eine Welle der Empörung unter iranischen Web-User ausgelöst. Medienberichten zufolge ist vergangenen Dienstag ein iranischer LKW auf türkischem Boden von Unbekannten in Brand gesetzt worden. Der Fahrer des Transporters überlebte den Anschlag. Der Iran hat seitdem vorübergehend die Bazargan-Grenze zum Nachbarland geschlossen. Vor wenigen Wochen war bereits ein iranischer Reisebus von unbekannten Tätern attackiert worden.
Auf iranischen Webportalen wird seitdem über die sich häufenden Übergriffe auf IranerInnen in der Türkei diskutiert: „Dahinter steckt die türkische Regierung“, glaubt Pouneh. Als „Strafe“ sollten IranerInnen das Nachbarland bis auf weiteres nicht mehr besuchen, schreibt sie auf Fararu. Das fordert auch ein anderer anonymer Besucher der Nachrichtenseite: „Warum lässt das die türkische Regierung zu?“, fragt er: „Die Türkei sollte eine Zeitlang boykottiert werden. Es gibt auch andere schöne Orte, an denen IranerInnen ihr Geld lassen können.“
Auch müsse die Grenzschließung weitergehen als bisher, fordern einige Web-NutzerInnen: „Es kann nicht sein, dass die Türken weiterhin mit ihren LKW in den Iran hinein und heraus fahren können, wir aber aus Angst vor Angriffen unsere LKW zurückhalten“, schreibt Meysam auf Fars News. Das findet auch Karim: „Die Türkei muss sanktioniert werden. Ihre Transporter müssen draußen bleiben“, fordert er. „Der Iran muss seine Beziehungen zur Türkei komplett abbrechen, solange die Angreifer nicht identifiziert sind“, geht ein anonymer User der Webseite Asr Iran sogar noch weiter.
Wer sind die Täter?
Wer die Täter seien, darüber herrscht Uneinigkeit. Während einige die Angriffe lediglich als ein Werk einfacher Krimineller sehen, haben manche ganz andere Ideen. „Es kann nur der IS dahinterstecken“, ist sich Fars-News-User Mehdi sicher. So sieht das auch Rahim: Der Angriff sei „ein Beweis“, dass der Islamische Staat von der Türkei aus sowohl gegen die Kurden als auch gegen den Iran vorgehe, schreibt er auf der Facebookseite von BBC Farsi. Die Tat trage eindeutig die Handschrift der PKK, ist sich ein anderer User sicher. Dem widerspricht Mansour auf Radio Zamaneh: „Die PKK greift niemals Zivilisten, sondern immer nur die türkische Polizei oder militärische Ziele an“, schreibt er.
JASHAR ERFANIAN