Valentinstag auf iranisch
Auch wenn der Valentinstag nicht im offiziellen iranischen Kalender steht, wird er von vielen jungen IranerInnen gefeiert. Eine unwillkommene Angelegenheit für den islamischen Staat, der den Valentinstag als „Angriff der westlichen Kultur auf islamische Werte“ ansieht. Rote Herzen in allen Variationen, „I Love You“-Aufkleber auf Pralinen und Kuscheltiere aller Art: Das ganze international übliche Sortiment zum Valentinstag finde man auch in den Geschäften Teherans, erzählt die iranische Grafik-Studentin Mahsa Afshar. Das war jedenfalls so, als sie 2012 zum letzten Mal den Valentinstag in ihrer Heimatstadt feierte: “Mit unserer Clique haben wir jedes Jahr eine Party gemacht“, erinnert sich Afshar. „Natürlich zuhause und streng geheim gehalten vor den Augen der Sittenpolizei. Wir beschenkten uns, meistens mit Schokolade oder Parfüms. Gute Musik und Essen durften nicht fehlen. Wir wollten uns einfach nur amüsieren und Spaß haben.“ Es gab keine Regeln darüber, wer wem was schenkte, oder ob man ein Liebespaar war, sagt Afshar lachend: „Auch zwei Freundinnen haben sich rote Herzen geschenkt.“ Die inzwischen in Bremen lebende 26-Jährige meint, die jungen Iranerinnen und Iraner nutzten den „Tag der Liebenden“, um die alltäglichen Sorgen und gesellschaftlichen Zwänge zu vergessen.Aus Sicht des iranischen Soziologen Mehrdad Darvishpour ist das für viele Iraner ein wichtiges Motiv, den Valentinstag zu feiern. „Solche Anlässe wirken in geschlossenen Gesellschaften wie der iranischen als Ventil“, sagt er im Gespräch mit Transparency for Iran. Solche Gelegenheiten empfänden die Menschen „als eine Art Schlupfloch, durch das sie den täglichen Druck hinter sich lassen und ihre Freude ausleben können“, so Darvishpour. Daher sieht er in dem Wunsch, den Valentinstag zu begehen, sogar eine Art zivilgesellschaftlichen Kampf: „In einem totalitären System, in dem es keine Privatsphäre gibt und der Staat von der Bekleidung bis zum Lebensstil alles kontrollieren und bestimmen will, leisten die Menschen damit Widerstand gegen den Staat.“ Der Valentinstag zeige aber auch, „dass alles, was verboten wird, mehr Reiz für junge Menschen entwickelt“, so der Soziologe.
Import von Valentins-Artikeln verboten
In diesem Jahr gehen die Verantwortlichen noch einen Schritt härter als sonst gegen den Valentinstag vor. Das iranische Zollamt gab Ende Januar bekannt, das Einführen von Artikeln, die irgendeinen Bezug zu dem Tag aufwiesen, sei verboten. Das Verbot beruhe auf einer Verordnung des „Obersten Rats der Kulturrevolution“, heißt es in der Erklärung des Amtes. Darin beschreibt der Leiter des obersten Rats, Mahmud Vaezi, den Valentinstag als „Angriff der westlichen Kultur auf islamische Werte“: „Der Westen will damit unsere islamische Gesellschaft schwächen und seine Kultur verbreiten“, so Vaezi. Mit dem Einfuhrverbot solle „die Ausbreitung des Valentinstags“ verhindert werden.Religiöse Gelehrte versuchen derweil, einen islamischen Ersatz für den Valentinstag zu finden. Sie schlugen vor, den Tag der Hochzeit von Imam Ali – nach schiitischem Glauben der Nachfolger des Propheten Mohammad – mit Fatima, der Tochter des Propheten, als Tag der Liebenden zu feiern. Für den Soziologen Darvishpour steckt hinter dem Kampf gegen den Valentinstag aber mehr als islamische religiöse Vorschriften: „Der Iran hat den Westen klar als seinen Erzfeind definiert. Es wird deshalb nicht nur alles, was mit westlicher Kultur zu tun hat, strikt abgelehnt, sondern mit ständigen Hasspredigten das Feindbild systematisch aufrecht erhalten. Dazu gehört auch, dass Gewalt legitimiert wird. So werden etwa immer wieder unter dem Schutz der Religion öffentliche Hinrichtungen durchgeführt, bei denen Familien und Kinder zuschauen. Jedes Jahr organisiert der Staat große religiöse Trauerzeremonien wie die ‚Ashura‘, bei der sich Männer mit Ketten schlagen und so den Märtyrertod des dritten schiitischen Imam Hussein betrauern“. Vor dem Hintergrund solchen Gedankenguts lehne die iranische Regierung Anlässe wie den „Tag der Liebenden“, an denen es um „Freude und Genuss“ gehe, als „oberflächlich und materiell“ ab, so Darvishpour.
Unumkehrbare Entwicklung
Doch auch wenn demnächst in den Schaufenstern der Teheraner Geschäfte weniger rote Herzen hängen sollten: Die Studentin Mahsa Afshar glaubt, dass der Iran sich in Zeiten der modernen Kommunikationstechnologie nicht mehr von der restlichen Welt abschotten kann. „Ich bin zwar hier in Deutschland, feiere aber den Valentinstag aber virtuell mit meinen Freunden im Iran und auf der ganzen Welt“, sagt sie. Auch Darvishpour meint, dass die Ausbreitung der Social Media Networks diese Entwicklung unumkehrbar macht: „Die Jugend im Iran möchte wie alle anderen Jugendlichen in der heutigen Welt modern leben. Dazu gehört auch die freie Entscheidung, Anlässe wie den Valentinstag zu feiern.“