Von trockenen Staudämmen bis zu dunklen Wohnungen: Was sagen die Menschen?

Irans Bevölkerung leidet im Sommer unter extremer Hitze und zugleich unter stundenlangen Stromausfällen und Wassermangel. Von lahmgelegten Betrieben bis zu stillstehenden Klimaanlagen, von verdorbenen Lebensmitteln bis zu unterbrochener medizinischer Versorgung: Die Krise ist allgegenwärtig. Bürgerinnen und Bürger schildern ihre wachsende Verzweiflung. Ein Bericht aus Teheran.

Von: Afra – Teheran

Der Sommer dieses Jahres war für viele Menschen im Iran nicht nur von unerträglicher Hitze geprägt, sondern auch von anhaltenden Stromausfällen und Wassermangel. Die langen Stromausfälle legen immer wieder Kleingewerbe ebenso wie große Industriezweige lahm und stören damit das alltägliche Leben ebenso wie die Produktion erheblich. Lokale Geschäfte und kleine Dienstleistungsanbieter stehen täglich stundenlang still. In den südlichen und wasserarmen Regionen liefern ausgefallene Klimaanlagen die Menschen der erdrückenden Hitze schutzlos aus. Selbst lebenswichtige Dienste wie Krankenhäuser, Kommunikation und Transport geraten unter diesen Bedingungen ernsthaft ins Wanken. An Sommertagen, deren Temperaturen vor allem in den heißen Regionen Irans an die Grenzen menschlicher Belastbarkeit stoßen, bedeutet dies einen Stillstand des Lebens, die Schließung von Geschäften und erzeugt eine wachsende soziale Unzufriedenheit.

Die kleinen Proteste, die in vielen Städten – von Nord bis Süd – aufflammen, sind eine natürliche Reaktion auf den Druck, der das tägliche Leben zerreißt. Strom- und Wassermangel erschüttern nicht nur den Alltag der Bevölkerung, sondern auch das Vertrauen in den Staat – und zeichnen ein düsteres Bild von der Zukunft des Landes.

Ein 38-jähriger Angestellter aus der Hauptstadt Teheran erklärt die täglichen Herausforderungen durch die ständigen Ausfälle von Wasser und Strom so: „Der Hauptschuldige an dieser Lage sind die Islamische Republik und das Fehlen von Fachkräften. Wenn in einem Land zur Leitung und Verwaltung einzelner Bereiche nicht kompetente und engagierte Menschen, sondern Unkundige eingesetzt werden, ist das Ergebnis nichts anderes als diese Krisen.“ Er fügt hinzu: „Seit fast fünfzig Jahren wird das Land von Managern regiert, die weder Fachwissen noch ein Verantwortungsgefühl für die Menschen besitzen. Es ist logisch, dass in einer solchen Struktur jede natürliche oder wirtschaftliche Krise die Gesellschaft noch härter trifft.“

Ein früherer Manager einer iranischen Fluggesellschaft betont unter Verweis auf internationale Erfahrungen: „Ich bin in viele Länder gereist, die ebenfalls mit Energie- und Wassermangel konfrontiert sind. Dort führte dies durch richtige staatliche Planung nie zu einer großen Krise. Die Regierungen haben im Vorfeld Ressourcen priorisiert und koordiniert gehandelt, so dass selbst in schwierigen Zeiten das Alltagsleben nicht zum Erliegen kam.“ Im Iran jedoch würden Infrastrukturmängel und Wasserressourcen schlicht ignoriert, ergänzt er: „Das Management erfolgt unkoordiniert und ohne langfristige Strategie, wodurch lebenswichtige Ressourcen rapide schwinden. Heute stehen wir nicht nur vor kurzfristigen Engpässen, sondern auch vor ernsten Sorgen um die Zukunft des Landes. Leider gibt es keine praktischen Lösungen, und wenn dieser Kurs anhält, werden die Folgen irreparabel sein.“

Eine 24-jährige Studentin sieht die Verantwortung der Machthaber kritisch: „Ich weiß nicht genau, was Fachleute hätten tun sollen oder nicht getan haben. Ich habe für Masud Pezeshkian, den derzeitigen Präsidenten, gestimmt, weil ich dachte, er sei verantwortungsbewusster als andere. Aber in einer seiner letzten Reden hat er die Menschen scharf angesprochen und gesagt: ‚Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Wenn ihr es besser wisst, dann sagt uns, was wir tun können.‘ Das hat für mich eine große Frage aufgeworfen: Haben wir die ganzen Versprechen gemacht – oder der Herr Präsident? Beim Thema freies Internet zum Beispiel: Es ist nicht nur nicht frei, sondern schlimmer als vorher. Müssen wir oder muss er sich dafür verantworten? Dasselbe gilt für den Strom- und Wassermangel. Der Präsident spricht, als wären die Bürger die Regierung und er bloß Zuschauer. Diese Haltung schwächt nicht nur das Vertrauen, sondern führt auch zu Frust und Wut.“

Sie ergänzt: „Nicht einmal eine offizielle Entschuldigung an die Bevölkerung gibt es, kein Versuch, die Menschen zu beruhigen. In jedem anderen Land hätten die Verantwortlichen zumindest versucht, die Bevölkerung zu besänftigen – selbst wenn sie das Problem nicht lösen können. Dieses Schweigen und die fehlende Rechenschaftspflicht verstärken das Gefühl von Misstrauen und Hoffnungslosigkeit. Die Menschen erwarten von den Verantwortlichen Transparenz, Ehrlichkeit und den ernsthaften Versuch, das Leid der Gesellschaft zu lindern. Doch diese Erwartungen werden nicht erfüllt.“

Eine pensionierte Ärztin erinnert: „Der Iran war schon immer ein wasserarmes Land. Doch mit richtiger Planung wäre es nie zu einer landesweiten Krise gekommen. Auch Strom ist ein Bereich, der sich genau managen ließe. Stattdessen erleben wir nun stundenlange landesweite Ausfälle. Die Dauer hat sich von zwei auf vier Stunden verdoppelt, und das beeinträchtigt den Alltag massiv.“ Das erwecke den Eindruck, als wolle die Regierung das Problem einfach ignorieren: „Jeden Tag werden große Teile des Landes lahmgelegt. Statt nachhaltige Lösungen zu finden, wird die Wirtschaft paralysiert. Menschen und Betriebe tragen die unmittelbaren Folgen der Misswirtschaft, während es keine langfristige Strategie gibt.“ 

Ihr Fazit: „Diese Krise ist nicht nur ein Phänomen von heute oder gestern, auch nicht allein das Versagen der aktuellen Regierung. Sie ist das Ergebnis von fünf Jahrzehnten Missmanagement und fehlender Planung. Seit Jahren werden Wasser- und Stromressourcen vernachlässigt – und nun sehen die Menschen die Folgen unmittelbar. Falsche Entscheidungen und fehlende Investitionen in die Infrastruktur haben das Alltagsleben und die Wirtschaft des Landes in Mitleidenschaft gezogen.“

Eine Frau, die ihre Familie nach dem Tod ihres Mannes mit einer kleinen Konditorei im eigenen Haus allein versorgt, schildert ihre Lage so: „Das Land ist so zerstört, dass es den Menschen egal ist, wer regiert, Reformer oder Hardliner. Jeder, der an die Macht kommt, steht vor den Ruinen jahrzehntelanger Misswirtschaft. Ich mache die aktuelle Regierung Pezeshkian nicht allein verantwortlich. Die Probleme, mit denen wir heute kämpfen, sind viel tiefer und älter. Jahrelang hat man die Staudämme austrocknen lassen, keine Infrastruktur geschaffen, Ressourcen nicht gemanagt. Heute gibt es weder genug Wasser noch genug Strom.“ 

Sie fügt hinzu: „Für mich ohne jede Absicherung und mit meinem kleinen Geschäft als einzige Einkommensquelle bedeutet jeder Strom- oder Wasserausfall den Stillstand meines Lebens. Die Rohstoffe, die ich mit Mühe beschaffe, verderben, wenn Strom oder Wasser fehlen. Meine Arbeit bleibt unvollendet, die Kunden wenden sich ab, Bestellungen werden storniert. Meine Hoffnung wird von Tag zu Tag kleiner. Ich habe damit die Ausbildung meiner Kinder finanziert – jetzt reicht es nicht einmal mehr für die Grundkosten. Und die Verantwortlichen haben keine Lösungen. Alles, was sie tun, ist Strom und Wasser abzuschalten. Wir, die am härtesten getroffen sind, fühlen uns völlig im Stich gelassen – als sollten wir einfach verschwinden, ohne dass jemand unsere Stimme hört. Das ist kein vorübergehendes Problem mehr, das ist ein schleichender Zusammenbruch des Lebens der Menschen.“

Ein Tagelöhner aus einer Kleinstadt bei Teheran, der täglich zur Arbeit in die Hauptstadt pendelt, schildert seine Realität: „In unserer Stadt gibt es täglich mindestens vier Stunden keinen Strom und kein Wasser. Die Verantwortlichen sagen, wir sollen Pumpen oder Tanks für unsere Häuser besorgen. Aber wovon soll ein Arbeiter das bezahlen? Ich verbringe jeden Tag Stunden auf der Straße, um nach Teheran zu kommen. Aber wenn ich dann arbeiten will, ist der Strom weg – und mein Tageslohn gleich mit. Abends komme ich erschöpft zurück und habe weder Strom noch Wasser für eine einfache Dusche. Selbst unsere grundlegendsten Bedürfnisse werden nicht erfüllt.“ 

Er richtet sich direkt an das Staatsoberhaupt: „Meine Frage an Khamenei lautet: Wenn du das Land nicht regieren kannst, warum gehst du nicht? Warum lässt du uns nicht leben? Warum hältst du an der Macht fest, obwohl dich niemand mehr akzeptiert? Geh und lass jemanden kommen, der etwas ändern kann. Wir wollen nichts als das Recht auf ein normales Leben.“ Auf die Frage, wer den Iran retten könne, sagt er: „Ich habe keine politische Bildung und keine Zeit, Nachrichten zu verfolgen. Ich bin Arbeiter, ich schufte von früh bis spät. Aber eines weiß ich: Khamenei muss gehen, damit die Menschen überleben können. Diese Situation ist unerträglich. Die Menschen haben keine Kraft mehr. Leben bedeutet für uns nicht mehr zu leben, sondern zu überleben. Wenn es kein Wasser, keinen Strom, keine Arbeit, keine Ruhe gibt, bleibt auch keine Hoffnung.“ 

Wütend ergänzt er: „Das ist meine Meinung, aber ich weiß, dass ich nicht allein so denke. In unserer Stadt, unter Freunden und Kollegen, sagen alle dasselbe. Wir sind alle müde. Müde von Lügen, müde von Unfähigkeit, müde davon, dass niemand unsere Stimme hört.“

Diese Berichte aus verschiedenen Teilen des Landes zeigen: Die Wasser- und Stromkrise ist längst kein technisches oder infrastrukturelles Problem mehr. Sie ist zu einer tiefer gehenden strukturellen Frage geworden, die alle Bereiche des sozialen, wirtschaftlichen und individuellen psychischen Lebens überschattet. Die Stimmen der Menschen haben alle einen gemeinsamen Nenner: Hoffnungslosigkeit und Misstrauen gegenüber der staatlichen Führung und ihrem Management.

Foto: Hamshahri