Staat erschwert Scheidungen

Ein neues Gesetz des iranischen Parlaments löst in der iranischen Web-Community eine Welle der Kritik aus. Viele Web-AktivistInnen sehen darin einen frauenfeindlichen Versuch der überwiegend konservativen ParlamentarierInnen, Ehepaare um jedem Preis zusammenzuhalten. 
Scheidungswillige Ehepaare werden künftig vom iranischen Staat gezwungen, mehrere Sitzungen bei einem staatlichen Familienberater zu absolvieren. Erst wenn ein Gutachten des Beraters belegt, dass ein gemeinsames Leben nicht mehr möglich ist, können iranische Familiengerichte der Scheidung zustimmen, so ein jüngst beschlossenes Gesetz.
Bislang war eine Scheidung in den meisten Fällen unproblematisch, wenn Mann und Frau dem Ende der Ehe zustimmten.
KritikerInnen sehen in dem neuen Gesetz den Versuch, der zunehmenden Scheidungsrate im Iran entgegenzuwirken. Auch die iranische Web-Community reagiert überwiegend negativ: „Es wäre lustig, wenn es nicht so tragisch wäre“, schreibt Roozbeh auf Radio Farda. Er habe zwar schon von Zwangsverheiratung gehört, aber der Versuch, Ehepaare „auf Teufel komm raus“ zusammenzuhalten, sei ihm neu.

Das Gesetz sei ein Versuch, Ehepaare „auf Teufel komm raus“ zusammenzuhalten - Foto: ardakangooya.ir
Das Gesetz sei ein Versuch, Ehepaare „auf Teufel komm raus“ zusammenzuhalten – Foto: ardakangooya.ir

Ähnlich sieht das eine Iranerin mit dem Pseudonym Princess. Auf der Internetplattform IranianUK schreibt sie: „Dieses Gesetz ist der klägliche Versuch, Paare aneinander zu ketten.“ Sie sei sich sicher, dass in den meisten Fällen die BeraterInnen einer Scheidung nicht zustimmen würden. Die Folgen seien, dass sich Ehepaare umbringen würden, um sich aus ihrer Situation zu befreien. „Asche auf die Häupter aller, die ein solches Gesetz verabschiedet haben“, schreibt eine wütende Webnutzerin mit Namen Parvin. Das Gesetz sei „durch und durch frauenfeindlich“, schreibt sie weiter. Das sieht auch Hima so: „Dann wundern sich manche, warum so viele Frauen heutzutage psychisch erkranken“, schreibt sie.
Der Twitter-User Missprinncess1 wiederum schreibt: „Wenn Menschen dazu gezwungen werden, zusammen zu bleiben, kann das nur bedeuten, dass die Zahl der Frauen und Männer, die sich gegenseitig betrügen, in der Islamischen Republik massiv steigen wird.“
Zweifel an Beratungsstellen
Manche IranerInnen haben Zweifel, ob die BeraterInnen in der Lage seien, kompetente Entscheidungen zu treffen. So schreibt Reza auf Radio Farda: „Um den Ansturm bewältigen zu können, müssen die Beratungsstellen junge und unerfahrene BeraterInnen einstellen. Viele dieser Menschen sind selbst unverheiratet und wissen nicht, was es bedeutet, in einer Ehe zu leben. Schwer vorstellbar, dass sie eine kompetente Entscheidung treffen können.“
Solche Karikaturen in den iranischen Medien sollen die Eltern dazu bewegen, wegen der Kinder zusammnzubleiben - Foto: pixtop.ir
Solche Karikaturen in den iranischen Medien sollen die Eltern dazu bewegen, wegen der Kinder zusammnzubleiben – Foto: pixtop.ir

„Das Ganze ist die reinste Abzocke“, glaubt Sahand. „Wenn ein Paar zu dem Entschluss kommt, dass ein gemeinsames Leben unmöglich geworden ist, warum bedarf es da noch eines Beraters? Ich denke, dass auf diesem Wege Geld in die Kassen gespült werden soll“, so Sahand auf Rahe Farda. Die BeraterInnen würde sich eine „goldene Nase“ verdienen, ist auch die Meinung des IranianUK-Users mit Pseudonym Azhabe Kahab.
„Beratung ja, aber vor der Eheschließung“
Andere sind der Ansicht, dass Eheberatung keine schlechte Idee ist: „Es ist immer gut, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Besser wäre es jedoch, Männer und Frauen vor der Eheschließung zu einem Familienberater zu schicken“, schreibt Mina auf IranianUK. So sieht das auch der Twitterer Ali Reza Shirazi: „Für Paare sollte eine solche Beratung vor der Ehe obligatorisch sein.“ Scheidungswillige Personen sollten aber nicht dazu gezwungen werden.
JASHAR ERFANINAN
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