Neues Jahr, alte Erwartungen

Mit dem Nouruz-Fest am 20. März hat im Iran das neue Jahr begonnen. Viele IranerInnen wünschen sich, dass das Land im Sonnenjahr 1393 ein besseres wird. Doch der Blick auf die vergangene und die derzeitige Situation trübt diese Hoffnung.
„Ob ein Jahr gut wird, entscheidet sich im Frühling“, besagt ein altes iranisches Sprichwort. „Hoffen wir also, dass der Frühling uns noch viele sonnige Tage und damit auch positive Veränderungen beschert“, sagt der Architekturstudent Payam mit einem Lächeln. Wie viele seiner Landsleute wünscht sich der junge Iraner, dass das neue Jahr 1393 ein sorgenfreieres Leben mit sich bringt. Der 26-Jährige hofft vor allem, dass sich die wirtschaftliche Situation der Menschen verbessert. Dabei denkt er auch an seine eigene Zukunft: „Fast die Hälfte aller UniversitätsabsolventInnen landen nach dem Studium in der Arbeitslosigkeit. Hoffentlich bleibt mir dieses Schicksal erspart“, sagt der in Teheran lebende Payam besorgt.
Zweit- und Drittjobs
In der Tat war das Jahr 1392 für viele Menschen im Gottesstaat Iran wirtschaftlich gesehen nicht leicht. Die Inflation lag nach Angaben der Regierung zuletzt bei rund 40 Prozent. Das Lohnniveau ist gering, die Preise sind hoch. Selbst für die lebensnotwendigen Dinge reicht bei vielen IranerInnen das Geld nicht aus. Um ihre Familien ernähren zu können, mussten viele Menschen im vergangenen Jahr Zweit- und Drittjobs annehmen.
Für das neue Jahr hat die Regierung des amtierenden Präsidenten Hassan Rouhani deshalb umfangreiche Verbesserungen auf wirtschaftlicher Ebene versprochen. Die Inflationsrate soll bis Ende des Jahres auf 25 Prozent gesenkt werden. ArbeiterInnen und Staatsbedienstete sollen zwischen 18 und 25 Prozent mehr Lohn erhalten. Auch Pensionäre könnten mit einer Erhöhung ihrer Renten um 20 Prozent rechnen, berichtet die Nachrichtenagentur Fars News.
Dass die Lohnerhöhungen aber zu einer Steigerung der Kaufkraft der IranerInnen führen werden, bezweifeln Experten. Laut der Teheraner Arbeitsagentur sind die angekündigten Erhöhungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Minderheiten sind enttäuscht
Nicht nur eine prosperierende Wirtschaft, auch Fortschritte in der Minderheitenpolitik wünschen sich die IranerInnen für das neue Jahr. Besonders jene, die ethnischen und religiösen Minderheiten angehören, sind von der bisherigen Politik der Regierung enttäuscht. Es waren nämlich vor allem sie, die für Rouhani gestimmt und ihm somit eine Stichwahl erspart haben. Offiziellen Angaben zufolge haben etwa 80 Prozent der iranischen Sunniten ihre Stimme Rouhani gegeben.

Die erste Bürgermeisterin der Kleinstadt Sarbaz, Samiyeh Balouch Zahi, in der südost-iranischen Provinz Sistan-Belutschistan.
Die erste Bürgermeisterin der Kleinstadt Sarbaz, Samiyeh Balouch Zahi, in der südost-iranischen Provinz Sistan-Belutschistan.

Zu ihnen gehört auch der kurdische Aktivist Babak: „Es ist mir schleierhaft, warum sich bei der Minderheitenpolitik immer noch so wenig bewegt“, empört sich der aus der kurdischen Provinzhauptstadt Sanandadsch Stammende. Rouhani habe im Wahlkampf angekündigt, Persern und Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten gleiche Rechte zu gewähren. Dieses Versprechen habe er bis heute nicht eingelöst, im Gegenteil: Rouhani habe zugelassen, dass „extremistische Elemente“ innerhalb des Regimes Angehörige der Minderheiten unter fadenscheinigen Begründungen „reihenweise“ exekutierten, klagt der Kurde Babak.
Positive Entwicklungen
Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Ausgerechnet in der konservativen, sunnitisch geprägten Provinz Sistan-Belutschistan wurden zwei Frauen zu Gouverneurinnen der beiden Kleinstädte Hamun und Ghasr-e-Ghand ernannt. Masoumeh Parandvar und Homeyra Rigi sind nach der Bürgermeisterin der Kleinstadt Sarbaz, Samiyeh Balouch Zahi, die zweite und dritte Frau in der Region, die seit Rouhanis Regierungsantritt in ein solches Amt gewählt wurden.
Missachtung von Menschenrechten
Dass die Islamische Republik nicht nur bei den Minderheitenrechten, sondern auch bei ihrer Menschenrechtspolitik Aufholbedarf hat, attestiert ihr  der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran, Ahmed Shaheed. Seinem am 13. März veröffentlichten Bericht zufolge sind allein seit Anfang Januar 176 Menschen im Iran exekutiert worden – viele von ihnen nach unfairen Gerichtsprozessen. In einer Pressekonferenz bezeichnete Shaheed die Menschenrechtssituation im Iran als „äußerst besorgniserregend“. Noch immer säßen viele Menschen aufgrund ihrer politischen und religiösen Überzeugung im Gefängnis. Daran habe auch der als moderat geltende Hassan Rouhani nichts ändern können.
Immerhin besteht die Hoffnung, dass die zwei prominentesten politischen Gefangenen des Iran bald freikommen könnten: Der Generalsekretär des Menschenrechtsrates der Islamischen Republik, Mohammad Javad Larijani, hat bei einer Pressekonferenz am 17. März die Freilassung der beiden unter Hausarrest stehenden Anführer der 0,,4189036_4,00oppositionellen Grünen Bewegung, Mir Hossein Mousavi und Mehdi Karroubi, in Aussicht gestellt. Die sei grundsätzlich möglich, wenn sich Justiz- und Geheimdienstministerium über die Rahmenbedingungen einig würden, so Larijani.
Dennoch befürchten viele IranerInnen, dass sich an der derzeitigen Menschenrechtssituation so schnell nichts zum Positiven ändern wird. Auch der kurdische Aktivist Babak fürchtet, „dass der Westen bereit sein wird, über die Menschenrechtsverletzungen hinwegzusehen, falls der Iran im Atomkonflikt weitere Zugeständnisse macht“. Immerhin würde aber mit einer Einigung im Atomstreit ein möglicher Krieg im Jahr 1393 und darüber hinaus verhindert werden, sagt er: „Denn Bomben über Teheran wären die schlimmste Menschenrechtsverletzung überhaupt.“
Jashar Erfanian