Landminenproblem im Iran
In der Islamischen Republik fallen jährlich Hunderte Menschen Landminen zum Opfer. Dennoch spricht die Regierung von „großen Erfolgen“ bei der Beseitigung der tödlichen Fallen. Der Iran ist nach Ägypten das Land mit der zweitgrößten Minenverseuchung.
Wieder ist im Iran ein Mensch durch eine Landmine ums Leben gekommen: Am 22. März fuhr Hamid Hashemi, ein 32-jähriger Reiseleiter, mit einer Reisegruppe durch die bei TouristInnen sehr beliebte Lut-Wüste in der zentraliranischen Provinz Kerman, als eine heftige Explosion der Fahrt ein Ende setzte. Hashemi überlebte die Detonation nicht, drei Touristen kamen mit schweren Verletzungen in ein örtliches Krankenhaus. Es war das zweite Mal innerhalb von weniger als vier Monaten, dass in der Lut-Wüste eine Mine einen Todesfall verursachte.
„Es ist für mich unbegreiflich, warum in diesem Gebiet keine Warnschilder aufgestellt werden“, klagt der Bruder des Verstorbenen: „Wenn selbst Polizisten und Militärs dieses Gebiet meiden, heißt das doch, dass die regionalen Behörden das Minenproblem kennen müssen.“
Minen gegen Schmuggler?
Warum die Lut-Wüste im Südwesten des Landes so minenverseucht ist, ist unklar. Minen finden sich vor allem in der Grenzregion zwischen dem Iran und dem Irak und an den Grenzen zu Afghanistan und Pakistan. Es gibt den Verdacht, dass Polizei und Militär selbst die Minen verlegt haben, um damit Schmugglerkonvois daran zu hindern, ihre Ware in den Iran zu bringen. Das sei auch der Grund, warum keine Warnschilder aufgestellt würden, glaubt etwa die iranische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Ebadi hat sich nach dem Tod Hamid Hashemis in einem Brief an den UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran, Ahmed Shaheed, gewandt und den iranischen Staat für seine vermeintliche Mitschuld an Hashemis Tod verurteilt.
Irans Polizeichef Esmail Ahmadi-Moghaddam dementierte jedoch gegenüber ISNA jüngst eine Mitschuld an den Todesfällen durch Minenexplosionen. Es sei zwar durchaus möglich, dass Polizei und Militär bei „Operationen gegen Drogenschmuggler und Terrorgruppen“ aus taktischen Gründen spezielle Sprengfallen einsetzen. Landminen würden jedoch nicht gelegt, behauptet Ahmadi-Moghaddam.
Es existiert jedoch eine Verlautbarung der Anti-Schmuggel-Sondereinheit der iranischen Polizei aus dem Jahr 2005, die den Einsatz von Landminen ausdrücklich vorsieht.
Erschreckende Zahlen
Im Iran ist es seit dem Ende des achtjährigen Krieges mit dem Nachbarstaat Irak im Jahre 1988, in dem beide Seiten Millionen von Landminen gelegt hatten, immer wieder zu Minenexplosionen gekommen – besonders häufig in den westiranischen Provinzen Kermanshah, Khuzestan, Westaserbaidschan, Kurdistan und Ilam. Die Organisation Landmine & Cluster Munition Monitor, die sich dem Kampf gegen Landminen verschrieben hat, schätzt die Zahl der Minenopfer auf über zehntausend.
Die Vereinten Nationen wiederum schätzen, dass auf iranischem Boden noch mehrere Millionen Landminen unentdeckt geblieben sind, die jederzeit Menschen töten könnten. Damit ist der Iran nach Ägypten das Land mit der zweitgrößten Minenverseuchung.
Trotzdem gehört die Islamische Republik zu jenen 36 Staaten, die 1997 nicht bereit waren, die Ottawa-Konvention, die die Produktion und den Einsatz von Landminen ächtet, zu unterzeichnen. Der Iran wolle den Schutz seiner Grenzen vor Terroristen und Drogenschmugglern nicht aufgeben. Außerdem würde eine komplette Räumung der Landminen in den Grenzregionen bedeuten, dass viel mehr Sicherheitskräfte im Kampf um den Schutz der Grenzen ihr Leben verlieren als Menschen durch Landminen sterben, so die Rechtfertigung Teherans.
Fortschritte
Wenngleich sich der Iran weigert, Landminen offiziell zu ächten, ist in den vergangenen zehn Jahren zunehmend die Bemühung zu erkennen, die Zahl der Todesopfer durch Minen zu reduzieren. „Das große Problem ist, dass wir die Minen aufgrund der hohen Zahl nicht schnell genug unschädlich machen können. So kommt es immer wieder zu Todesfällen und schweren Verletzungen“, zitiert das iranische Nachrichtenportal Bultan News Mohammad-Hossein Amir-Ahmadi, den Leiter des Islamic Republic of Iran Mine Action Center (IRMAC), einer staatlichen Organisation, deren Aufgabe die Minenbeseitigung ist. Dennoch sei es dem IRMAC seit seiner Gründung im Jahr 2004 gelungen, „die minenverseuchten Flächen von 12.000 Quadratkilometer auf 700 zu begrenzen“, so Amir-Ahmadi. Verteidigungsminister Hossein Dehghan sprach am 8. April von „2.800 Quadratkilometer minenverseuchtem Boden“. Er warf den „Weltmächten“ vor, den Iran beim Minenproblem alleingelassen zu haben. Dennoch habe die Islamische Republik auf diesem Gebiet große Erfolge verzeichnen können, so der Minister.
Fortschritte seien auch in der Aufklärungsarbeit erzielt worden: Laut Angaben des iranischen Roten Halbmondes konnten im vergangenen Jahr über 150.000 Menschen in den minenverseuchten Gebieten über die Gefahr von Landminen informiert werden. Iranische MedizinerInnen hatten sich in der Vergangenheit besorgt über die Unwissenheit der Mehrheit der IranerInnen bezüglich der Minenproblematik gezeigt und Aufklärungskampagnen zum Schutz der Bevölkerung gefordert.
Jashar Erfanian