Küsse an den Füßen eines Bahai-Kindes

Mohammad Nourizad, ein ehemals erzkonservativer Kolumnist und Filmemacher, mittlerweile Dissident, brach mit einem Foto auf seinem Weblog eines der folgenschwersten Tabus in der Islamischen Republik. Das Foto zeigt ihn, wie er die Füße des 4 jährigen Sohnes einer Bahai-Familie küsst. Diese Aktion hat eine rege Diskussion unter den IranerInnen ausgelöst.

„Artin, mein kleiner Junge, ich entschuldige mich bei dir im Namen derer, die in diesen islamischen Jahren, dir und deinen Glaubensbrüdern der Bahai Unrecht zugefügt haben“, schrieb Mohammed Nourizad neben das Foto in seinem Weblog.
Mit dieser Aktion, so Mohammad Nourizad, folge er lediglich dem Beispiel von Papst Franziskus, der Anfang des Jahres die Füße eines Jungen aus einer muslimischen Familie küsste. „Wenn der Papst, als Führer der Katholiken, sich bückt und die Füße des Kindes einer muslimischen Gefangene wäscht und küsst, warum sollte ich dann nicht auch deine Füße küssen?“, schreibt Nourizad in seinem Weblog.
Da Artins Eltern wegen ihres Glaubens im Gefängnis sitzen, kümmert sich seine Großmutter um ihn. Nourizad schreibt, dass Artins Großvater vor mehreren Jahren exkekutiert wurde, „höchst wahrscheinlich“ unter dem Vorwand der Spionage. „Der kleine Artin trifft seine Eltern jeden Sonntag. Er fährt zum Gefängnis nach Karadj um seinen Vater und Onkel zu sehen, und dann zum Gefängnis in Evin, um seine Mutter zu besuchen. Artins Eltern haben kein Verbrechen begangen, ausser der Tatsache, dass sie Bahai sind.“
Nourizads Aktion wurde von religiösen Hardlinern scharf kritisiert. Dagegen haben viele IranerInnen in den sozialen Netzwerken mit ihren Sympathiebekundungen den ehemaligen Hardliner Nourizad unterstützt.

Makhmalbaf in Israel

Vor Nourizad hatte Mohsen Makhmalbaf, einer der berühmtesten Filmemacher des Iran und ehemaliger Revolutionär, Schlagzeilen gemacht. Er reiste nach Israel, um der Vorführung seines Filmes über eine Bahai-Familie beizuwohnen.
Makhbalbaf wurde vom Jerusalem Film Festival eingeladen. Er reise als „ein Botschafter des Friedens“, um in einem Land, das mit dem Erstschlag gegen sein Vaterland gedroht hat, für iranische Kunst bekannt zu machen, sagte der Filmemacher. Sein Besuch löste im Iran eine hitzige Debatte aus.
Makhmalbaf, der unter dem Shah vier Jahre im Gefängnis verbrachte, ist seit der islamischen Revolution 1979 der prominenteste iranische Besucher in Israel. Mit einem iranischen Pass darf man nicht nach Israel reisen – wer es doch wagt, riskiert eine fünfjährige Haftstrafe.
Der 57 jährige Regisseur lebt zurzeit in London. Nach der Wahl von Mahmoud Ahmadinejad zum Präsidenten 2005 verließ er den Iran, und ist seitdem ein scharfer Kritiker des Regimes. 2009 war Makhmalbaf ein aktiver Unterstützer der oppositionellen Grünen Bewegung.
„Als ich nach Israel geflogen bin“, so Makhmalbaf, „fühlte ich mich wie jemand, der auf einen anderen Planeten reist, wie jemand, der zum Mond fliegt.“
Makhmalbaf, dessen preisgekrönter Film Kandahar (2001) vom Time Magazine als einer der 100 besten Filme ausgezeichnet wurde, stellte auf dem Festival in Jerusalem sein jüngstes Werk „Der Gärtner“ vor. Das Doku-Drama, das Makhmalbaf zusammen mit seinem Sohn Maysam drehte, handelt von einer Vater-Sohn-Beziehung, und von der Auseinandersetzung mit Religion, insbesondere dem Glauben der Bahai.
Die Gegner und Befürworter von Makhmalbafs Reise haben in den vergangenen Tagen im Internet über die Tabuthemen „Israel“ und „Bahai“ heiß diskutiert. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung setzte ein deutliches Zeichen in dem es veranlasste Makhmalbafs Werke und Auszeichnungen aus dem Filmmuseum in Teheran zu entfernt.

Repression und Diskriminierung

Die Bahai sind in der Islamischen Republik Repressionen und Diskriminierungen ausgesetzt. Ihr Glaube wird vom iranischen Regime nicht anerkannt. Einige Muslime beschuldigen die Bahai der Häresie, da sich der Glaubensgründer, Bahaullah, als Prophet Gottes bezeichnete. Muslime glauben, dass der Prophet Mohammad das „Ende des Prophetentums“ darstellt.
Laut den Berichten von Menschenrechtsorganisationen haben in den letzten Jahren die Repression gegenüber den 300.000 im Iran lebenden Bahai zugenommen. Artis Eltern sind nur zwei unter vielen, die zu Haftstrafen verurteilt wurden, da sie Bahai-Studenten privat unterrichteten. Die Bahais werden im Iran von der Hochschulbildung ausgeschlossen. 

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