Kultur als Deeskalationsmittel

Die Schlichtung des Atomstreits bedeutet noch nicht das Ende der politischen Isolation des Iran, stellt das Forschungszentrum des iranischen Parlaments fest. Die wichtigste beratende Institution der Legislative hat noch mehr Vorschläge, um die Konfrontation mit dem Ausland zu beenden.

Das Forschungszentrum des iranischen Parlaments (FZP) hat das Ergebnis seiner neuesten Forschung den Parlamentariern vorgelegt: Der Kampf zwischen Parlament und Regierung soll der Vergangenheit angehören, die Legislative soll die Exekutive in ihrem neuen außenpolitischen Kurs unterstützen, die Regierung soll nicht mehr „selbstherrlich und tyrannisch“ auftreten. Das FZP rät beiden Staatsgewalten zudem, Herausforderungen und Prioritäten in der Außenpolitik zu berücksichtigen. Das Forschungszentrum hat bei seiner Untersuchung außer den Parlamentsabgeordneten und seinen Mitarbeitern auch zahlreiche Wissenschaftler und Sachverständige zu Rate gezogen.
Kulturelle Entwicklung 
„Es muss zwischen Politik, Wirtschaft und Kultur ein Gleichgewicht herrschen“, so der Politikwissenschaftler Mohammed Reza Dehshiri, der dem FZP bei dessen neuester Forschung zur Seite stand. Dehshiri unterrichtet „Internationale Beziehungen“ an der gleichnamigen Hochschule, die zum iranischen Außenministerium gehört. Nach seiner Auffassung ist der Grad internationaler Anerkennung des Iran neben einer moderaten Außenpolitik auch von kulturellen Veränderungen des Landes abhängig. Dehshiri zufolge hat die Politik im Iran bisher nur den Sicherheitsaspekt im Fokus gehabt. So könne man nicht weiter machen, meint Dehshiri, und schlägt vor: „Neben der Sicherheit müssen auch Wirtschaft und Kultur gefördert werden.“ So könne sich die Konfrontation mit dem Ausland in positive Beziehungen wandeln, „die auf beidseitiger Gleichberechtigung beruhen“.
Selbstherrlichkeit meiden

Das Forschungszentrum des Parlaments verlang, „die Politik besser auf das Wohlwollen des Volkes abzustimmen“
Das Forschungszentrum des Parlaments verlang, „die Politik besser auf das Wohlwollen des Volkes abzustimmen“

Das FZP rät in seinem Vorschlagspaket der Regierung zudem, von Eigensinn und starren Haltungen abzusehen. Sie solle an ihren Entscheidungen auch das Parlament und andere Organe beteiligen. In den acht Jahren der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadinedschad wusste dieser nur seine eigenen Interessen mit eiserner Hand durchzusetzen – solange sie die Interessen des Staatsoberhauptes Ayatollah Ali Khamenei nicht gefährdeten. Wenn der Regierungschef beschloss, einen Minister zu wechseln, dauerte es von der Idee bis zu deren Umsetzung nur wenige Stunden. Projekte, die er für wichtig hielt, wurden ohne Widerstand genehmigt, denn Gegenargumente duldete Ahmadinedschad nicht. Dafür stand er oft in der Kritik des Parlaments. Die neue Regierung solle bei ihren Entscheidungen mehrere Meinungen berücksichtigen, so das FZP.
„Wohlwollen des Volkes“
„Die Politik besser auf das Wohlwollen des Volkes abzustimmen“ ist eine weitere Empfehlung des parlamentarischen Forschungsgremiums. Der Begriff werde von Politikern sehr unterschiedlich ausgelegt. Nun solle man ihn neu definieren. Sollte es zwischen staatlichen Organen zu Meinungsverschiedenheiten kommen, müsse bei deren Lösung das Wohlwollen des Volkes im Vordergrund stehen.
Präsident Rouhani (rechts) genießt noch die Unterstützung des Staatsoberhauptes Ali Khamenei bei seinem außenpolitischen Kurs
Präsident Rouhani (rechts) genießt noch die Unterstützung des Staatsoberhauptes Ali Khamenei bei seinem außenpolitischen Kurs

Gemeinsame Sitzungen von Regierung und Parlament waren unter Ahmadinedschad nicht selbstverständlich. Das Grundgesetz, als Referenz der Politik, wurde vom Ex-Präsidenten nicht beachtet. Oft verschob er Fragestunden im Parlament, und wenn er erschien, bespöttelte er die Parlamentarier mit Sprüchen wie: „Ich bin gekommen, damit sich das Parlament wieder mal freut!“ Er fühlte sich in seinem Amt dem Parlament überlegen und machte damit dem Staatsoberhaupt Konkurrenz. Das war auch ein Grund, warum er am Ende seiner Amtszeit nicht mehr von Khamenei und seinen Getreuen unterstützt wurde.
Der neue Präsident hat im Gegensatz zu Ahmadinedschad gezeigt, dass er nicht beabsichtigt, mit Khamenei zu konkurrieren. Zwischen den beiden herrscht anscheinend gegenseitiges Einvernehmen, den Iran um jeden Preis aus der Wirtschaftsmisere herauszuholen. Deshalb hat Khamenei bisher den außenpolitischen Wandel – von der Konfrontation zur Deeskalation – unterstützt.
Inwieweit die Vorschläge des parlamentarischen Forschungszentrums zur Rettung des Iran aus der Isolation und zu einer moderaten Innenpolitik führen, bleibt abzuwarten. Bis jetzt wehren sich die Konservativen gegen grundlegende Veränderungen in der Innen- und Außenpolitik. Und die Mehrheit des Parlaments gehört den konservativen Islamisten.