Keine Sensation in New York

Vor der Rede Hassan Rouhanis vor den UN-Delegierten war viel darüber spekuliert worden, was der iranische Präsident zu sagen haben würde. Doch viel Neues gab es dann nicht. Ein Kommentar.
Der Auftritt des neuen iranischen Präsidenten vor der UN-Vollversammlung unterstrich eine Wende in der Außenpolitik der Islamischen Republik. Das ist zwar begrüßenswert, doch nichts Neues. Denn die hatte der Kleriker bereits vor seinem Amtsantritt angekündigt. Auch seine beruhigenden Worte, Atombomben passten nicht in Irans Verteidigungskonzept, waren keine Neuigkeit. Die Islamische Republik betont seit mehr als zehn Jahren die ausschließlich friedliche Nutzung ihres Atomprogramms. Auch, dass Rouhani anders reden würde als sein Vorgänger Mahmoud Ahmadinedschad – keine Attacken gegen die USA, keine Leugnung des Holocaust – war von vornherein klar. Hätte er auch nur einer flüchtigen Begegnung mit US-Präsident Barack Obama zugestimmt, hätte Rouhani eine Sensation ausgelöst. Doch das Angebot seines amerikanischen Kollegen lehnt der Geistliche als „zu kompliziert“ ab.
Allerdings hat er in seiner Rede vor dem UN-Plenum einen offenen Annäherungsversuch an den einstigen „Erzfeind“ unternommen. Das war neu. „Aufmerksam habe ich Präsident Obamas Rede verfolgt“, sagte Rouhani in seiner Rede: „Wenn die politische Führung der USA will, können wir unsere Probleme meistern.“ Obama hatte sechs Stunden zuvor angekündigt, mit dem Iran verhandeln zu wollen. Der US-Präsident gab an, von dem neuen Ton der iranischen Führung „ermutigt“  worden zu sein und seinen Außenminister damit beauftragt zu haben, einen Kompromiss mit dem Iran zu suchen. Doch das Misstrauen sei groß. Er wolle Taten sehen.
Die Lösung des Atomkonflikts wäre seiner Meinung nach ein richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung. Auf diesen Schritt wartet seit Jahren auch die iranische Bevölkerung – die eigentlich Leittragende in diesem Konflikt. Rouhani versprach in seiner Rede am Dienstag, diesem Wunsch nachzukommen – aber nicht um jeden Preis. Er ließ wissen, dass die Islamische Republik nicht auf die Urananreicherung verzichten werde und im Falle eines Kompromisses mit dem Westen ihr Gesicht wahren will. Sie hatte bislang im Atomkonflikt auf „Sieg“ gesetzt und immer betont, sie werde ihr Atomprogramm entgegen der internationalen Proteste fortsetzen – koste es, was es wolle. Das Ergebnis dieser Haltung sind zahlreiche Sanktionen seitens der UNO, der USA und der EU, die das Land an den Rand des Ruins gebracht und einer maßlosen Korruption der Behörden Vorschub geleistet haben. Nach offiziellen Angaben lebt über die Hälfte der IranerInnen unter der vom Staat festgesetzten Armutsgrenze, die Erdölexporte sind auf die Hälfte des Volumens von vor drei Jahren geschrumpft, wichtigen Industriezweigen droht der  Bankrott, kleine Fabriken schließen täglich und die Arbeitslosigkeit steigt stündlich.
Ob das Umlenken der iranischen Führung in der Atomfrage zur Normalisierung der Beziehungen zum Rest der Welt und zur Aufhebung der Sanktionen führt, wird sich am Donnerstag abzeichnen. Dann treffen sich die Vertreter der sogenannten 5+1-Gruppe (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA und Deutschland) mit der iranischen Delegation, um die Weichen für einen Kompromiss in der Atomfrage zu stellen. Mit dabei sind die Außenminister des Iran und der USA, Mohammad Javad Sarif und John Kerry. Doch man darf nicht zu viel von dieser Sitzung erwarten.
Denn selbst wenn die Vertreter der beiden Erzfeinde sich die Hände schütteln und der Weltöffentlichkeit Neuigkeiten bei der Lösung des Atomkonflikts verkünden, wird das den Hardlinern im Iran und den USA nicht die Angst vor dem anderen nehmen. Bereits jetzt bekommen Rouhani und Obama mahnende Briefe von den hohen Offizieren der Revolutionsgarden beziehungsweise konservativen Senatoren. Letztere fordern sogar noch mehr Sanktionen gegen den Iran. Sie und ihresgleichen im Iran werden noch eine Weile dem Frieden zwischen den beiden Ländern im Wege stehen.