Kein Khatami, keine Konzerte

Irans Ex-Präsident Khatami wird, wenn es nach der Justiz geht, in den Medien keine Erwähnung mehr finden. Während viele iranische Web-NutzerInnen darüber den Kopf schütteln, lässt andere dieser Vorstoß kalt. Ein weiteres Top-Thema im Web: Das Verbot eines Konzerts in Mashad.
Der ehemalige iranische Präsident Mohammad Khatami, der als „Vater der iranischen Reformbewegung“ gilt, ist das jüngste Opfer der staatlichen Medienzensur des Iran geworden. Die iranische Justiz hatte am 20. Februar mitgeteilt, dass gegen alle Medien, die über den Ex-Präsidenten berichteten oder sein Foto zeigten, vermittelt werde. Dies sei eine Entscheidung der Justiz sowie des Nationalen Sicherheitsrats. Khatami sei mit einer Reihe anderer Reformer als Anführer des „Fitna“ („Aufruhr gegen die göttliche Ordnung“) eingestuft worden, so Mohseni-Ejei. Damit werden im Iran seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 die AnhängerInnen der oppositionellen Grünen Bewegung und deren AnführerInnen bezeichnet.
Ende Februar wurde die Websites „Jamaran“, weil sie „gegen die Anordnung der Justiz gehandelt hat“. Nachdem die Redaktion der Website Khatamis Foto entfernt hatte, wurde sie wieder zugelassen.
Auch der iranische Präsident Hassan Rouhani hat sich dieser Anordnung widersetzt. Er veröffentlichte auf seiner Instagram-Seite ein Foto, auf dem er und Khatami zu sehen sind. Zahlreiche iranische Internet-UserInnen zeigen sich empört über die Maßnahme der Jusitz: „Wie ist es möglich, dass mit einem Mann, der einst über 20 Millionen Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, so umgegangen wird?“, fragt Sara unter der Meldung des Nachrichtenportals Alef. Eine andere Iranerin, Ghazale, schreibt auf der Facebook-Präsenz von Radio Farda: „Das Ganze ist viel zu absurd, um wahr zu sein. Warum schließen sie nicht gleich alle Zeitungen bis auf den konservativen ‘Keyhan‘?“ Auch Shazdeh Sekanjebin, ein Leser von BBC Farsi, zeigt sich irritiert: „Künftig wird also Khatami, der so viel für das Image der Islamischen Republik geleistet hat, nirgends mehr zu sehen sein, damit die Menschen ihn vergessen. Selbst mit dem Schah haben sie so etwas nicht gemacht“, so der Web-User. „Das machen sie mit allen, die bei den Menschen beliebt sind“, schreibt wiederum Twitter-User Houveyda. „Erst wurde Rafsandschani 2013 wegen seiner Popularität von den Wahlen ausgeschlossen, nun muss Khatami für seine Beliebtheit büßen“, schreibt er weiter.
Viel Schulterzucken

Screen shot von Rouhanis Intagram-Seite: Der Präsident (li.) und Mohammad Khatami
Screen shot von Rouhanis Intagram-Seite: Der Präsident (li.) und Mohammad Khatami

Bei anderen iranischen Web-UserInnen löst die Meldung dagegen nur wenig aus. Viele haben nur wenig Sympathien für den Reformer Khatami: „Nichts anderes hat er verdient“, schreibt beispielsweise Ali auf Alef. „Für mich ist es unbegreiflich, wie hier manche von Khatami sprechen. Ihr verehrt ihn, als wäre er Batman!“, spottet wiederum der Twitterer Arwatt. Ähnlich äußert sich Yek Adame Injoori: „Lebt ihr etwa hinter dem Mond? Habt ihr vergessen, was Khatami alles verbockt hat?“ Die IranerInnen müssten begreifen, dass es keinen Unterschied mache, ob nun Khatami oder ein Konservativer das Land regiere, so Farhang auf BBC Farsi. „Solange unser Volk diesen rückständigen Menschen hinterherläuft, werden wir als Gesellschaft nicht voran kommen“, schreibt er weiter.
Dass Khatami sowie die Reformerbewegung und die Konservativen zwei Seiten einer Medaille seien, glauben auch andere IranerInnen: „Heute sperren sie ihn aus den Medien aus – kurz vor den nächsten Wahlen zaubern sie ihn wieder aus dem Hut, damit er sich brav für irgendeinen Kandidaten ausspricht. Dann glauben wieder alle, dass der Iran doch demokratisch sei und das Volk läuft mal wieder blind zu den Urnen und verleiht dem Regime wider Willen Legitimität. Was wir nicht mitbekommen, ist, wie Khatami und auch die Konservativen sich ins Fäustchen lachen. Wir sind schon ein bedauernswertes Volk“, schreibt ein anonymer User auf Radio Farda. Der User Milad stimmt ihm zu. Er schreibt: „Mit diesem Theater wird das Volk vorgeführt, ohne es selbst zu merken.“ Auch EX2 äußert sich auf dem Webportal Balatarin ähnlich: „Die Menschen werden vom Regime wie Spielzeuge behandelt. Was hat Khatami für die IranerInnen gemacht, außer mit ihren Hoffnungen zu spielen?“
Rückendeckung für Khatami
Doch nicht wenige iranische Web-User haben ein positiveres Bild von dem Ex-Präsidenten. So schreibt Tohi auf der Radio-Farda-Facebookseite: „Erschreckend, wie vergesslich oder undankbar manche Landsleute doch sind. Die Ära von Khatamis Präsidentschaft war die beste Zeit seit der Revolution.“ Bardia stimmt ihm voll zu: „Ohne jeden Zweifel war Khatami der beste Präsident des Iran. Viele der Errungenschaften seiner Amtszeit haben die iranische Gesellschaft nachhaltig positiv verändert. Ein anderer User schreibt: „Eines Tages werden sich Khatamis Gegner ihm vor die Füße werfen und ihm um Vergebung bitten.“
Als Reaktion auf die Medienzensur, deren Opfer Khatami geworden ist, haben einige IranerInnen indes die Facebook-Solidaritätsgruppe „Wir werden das Medium von Khatami“ gegründet. Facebook-UserInnen werden dazu eingeladen, ihre gemeinsamen Bilder mit Khatami auf der Seite zu veröffentlichen. Zensur gegenüber dem bei vielen beliebten Ex-Präsidenten wäre „nutzlos“, wenn UserInnen „die moderne Kommunikationswelt als Plattform für die Informationsverbreitung über Khatami“ nutzen würden, so die BetreiberInnen der Seite. Schon nach nur wenigen Tagen wurde die Seite von über 42.000 Menschen „geliked“ – darunter Mohammad: „Wir sind alle Khatami“, schreibt der Anhänger des Reformers. „Er wird für immer einen Platz in unseren Herzen haben. Herr Mohseni-Ejei, wenn Sie glauben, dass wir durch Ihre Zensur den beliebtesten Präsidenten unserer Geschichte vergessen, dann irren Sie sich.“
Konzertabsagen frustrieren IranerInnen

Alireza Ghorbani
Alireza Ghorbani

In der „heiligen Stadt“ Mashad ist vergangenen Mittwoch zum wiederholten Mal ein Musikkonzert von der Staatsanwaltschaft der Provinz Khorasan kurzfristig abgesagt worden – und das, obwohl der Sänger Alireza Ghorbani vom Kulturministerium eine offizielle Auftrittsgenehmigung eingeholt hatte. Der prominente Kleriker Ahmad Alamolhoda, der in der ostiranischen Stadt das Freitagsgebet leitet, verteidigte das Verbot: „Ich habe nichts gegen Musik, aber an einem so heiligen Ort wie Mashad zu singen ist unangebracht.“ Wer solche Konzerte unterstütze, könnte als ein „Freund der Feinde des Iran“ wahrgenommen werden, so der konservative Geistliche.
Das Konzertverbot und die Aussagen Alamolhodas stoßen derweil den iranischen Musikfans sauer auf. „Man fragt sich, ob die Regierung in diesem Land überhaupt etwas zu sagen hat. Der Kulturminister genehmigt Konzerte, die dann ohne weiteres von regionalen Behörden untersagt werden. Wozu gehen wir überhaupt wählen, wenn am Ende doch wieder diejenigen, von denen wir genug haben, das Sagen haben?“ schreibt ein frustrierter Iraner auf der Facebookseite von Deutsche Welle Farsi. Ähnlich desillusioniert von der iranischen Politik äußert sich auch Ebrahim. Er schreibt: „Wir müssen uns damit abfinden, dass alles, was den Menschen Freude bereitet, früher oder später als unislamisch deklariert wird. Da kann regieren wer will. Am Ende entscheiden immer die konservativen Kulturwächter.“
„Musik ist göttlich“

Wenig Verständnis zeigen die IranerInnen auch für die Aussagen Alamolhodas: „Wenn er nichts gegen Musik hat, wie er es selbst sagt, warum verteidigt er dann die Konzertabsagen der vergangenen Monate? Entweder findet man Musik gut oder schlecht. Wenn man Musik gut findet, muss sie überall erlaubt sein“, schreibt Limoo Torsh auf Radio Zamaneh. „Wenn es einen Ort gibt, an dem Konzerte abgehalten werden, dann muss dieser Ort die heilige Stadt Mashad sein“, glaubt Shaghayegh. „Musik erfüllt die Herzen der Menschen mit Glück, und wenn man glücklich ist, ist man Gott besonders nahe“, schreibt die Iranerin auf der Facebook-Präsenz von Radio Farda. „Das stimmt“, antwortet ihr Danial, „aber wir leben in einem Land, in dem die Geistlichkeit die Menschen lieber weinend und sich selbst geißelnd als lachend und tanzend sehen möchte“, so der Web-User in Anspielung auf das schiitische Ashura-Fest, bei dem des Märtyrertods von Imam Hussein gedacht wird.
JASHAR ERFANIAN