Im Exil erfolgreich, im Iran nicht erwünscht

Will man aus der Bandbreite dieser Aktivitäten etwas herausgreifen, was Kargah bundesweit einmalig macht, kommt man an SUANA nicht vorbei. Die fünf MitarbeiterInnen dieses Krisentelefons gegen häusliche Gewalt sind rund um die Uhr erreichbar. Hier können Mädchen und Frauen, die von Zwangsheirat bedroht sind oder sich in einer Zwangsehe befinden, Rat und Hilfe finden. Auch FreundInnen, Lehrkräfte und MitarbeiterInnen von Behörden oder Beratungsstellen können sich informieren. Über Arbeitsmangel kann sich Suana nicht beklagen.
Finanzielle Unabhängigkeit
Woher kommt das Geld für all diese Aufgaben? „Projektbezogene Hilfen und Spenden sind unsere finanziellen Quellen“, sagt Asghar Eslami: „Wir wollen unabhängig bleiben.“ Und diese Quellen versiegen offenbar nicht, denn Kargah ist ein durch und durch transparenter Verein, vertrauenswürdig und zugänglich für jedermann. Es gibt Dutzende Schreiben örtlicher Unternehmen wie etwa der städtischen Sparkasse, die sich selbst als Sponsoren empfehlen.
Ex-Kanzler und Ex-Bundespräsident mögen Kargah
Als der damalige niedersächsische Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) Kargah vor Jahren besuchte, habe er sich alles genau erklären lassen und zu verstehen gegeben, dass er für den Verein stets ein offenes Ohr habe, erinnern sich die MitarbeiterInnen. Andere PolitikerInnen und Lokalgrößen spendeten persönlich. Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), ebenfalls ein Hannoveraner, ließ mehrmals eigene Redehonorare als Spende an Kargah überweisen – übrigens fünfstellige Summen. Landesbehörden und Europäische Union zeigen sich wohlwollend, wenn Kargah mit einem neuen Projekt vorstellig wird.
Mögen oder bekämpfen? Unsichere Machthaber in Teheran

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Kargah genießt also viel Anerkennung, der Verein ist präsent in Hannover und darüber hinaus. Eine solche Bedeutung kann auch den Machthabern in Teheran nicht entgehen – zumal Hannover Gastgeberstadt einer weltbekannten Messe ist, die regelmäßig von iranischen Managern besucht wird. Amüsiert erzählen Kargah-Mitarbeiter, wie sich alljährlich iranische Messebesucher in die Räume des Vereins verirren und niemand weiß, ob sie Asylhilfe suchen, ihre Neugier befriedigen wollen oder einfach unvorsichtige Spione sind. Oft kämen Anrufe aus dem Iran, sagt eine Kargah-Mitarbeiterin: Mal flehe jemand um Hilfe, weil er politisch verfolgt sei, mal wolle jemand nur eine Information über Hannover oder dass man ihm beim Messebesuch behilflich sei. Was sich tatsächlich hinter diesen Anrufen verbirgt, ist ungewiss.
Dabei könnten auch die Machthaber in Teheran Kargah mit den Brillen der deutschen Behörden betrachten, also als ein Projekt, das geflüchteten IranerInnen hilft, sich in Deutschland zu integrieren. Und davon könnten doch alle profitieren. Darf man aber so viel Vernunft von ihnen erwarten? Wohl kaum.
Völlige Klarheit gibt es auch aufseiten der Integrierten nicht. In der neuen Heimat sind sie zwar erfolgreiche und anerkannte BürgerInnen, doch der Mehrheit von ihnen fehlt die Bereitschaft, sich der alten Heimat zu nähern. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Manche können nie die Gründe ihrer Flucht vergessen. Die Abneigung gegen die dort Herrschenden bleibt für immer bestehen.
Und wer es schafft, den alten Gram zu überwinden, weiß trotzdem nicht, ob sein in der Fremde erworbenes Wissen und Können in der Heimat überhaupt gefragt ist. Andere, die sich auch im Ausland weiterhin beobachtet fühlen, wagen deshalb keine Annäherung. Zumal die Signale, die aus dem Iran an die Exilierten gesendet werden, widersprüchlich sind. Mal ist man willkommen, mal wird man allein wegen einer doppelten Staatsangehörigkeit verfolgt, wie Beispiele der vergangenen Monate zeigten.
  ALI SADRZADEH