Iran lässt politische Gefangene frei: Zeichen der Stärke oder der Schwäche?
Im Iran wurden 100 politische Gefangene aus der Haft entlassen. Die meisten von ihnen sind jung und unbekannt. Die Ultrakonservativen sehen ihre Freilassung als ein Zeichen der Standhaftigkeit des Regimes an. Kritiker sind anderer Meinung.
Am 29. August gab der Teheraner Staatsanwalt Abbas Jafari Doulatabadi bekannt, dass eine Gruppe von Gefangenen freigelassen werde. Diese seien wegen „Gefährdung der Sicherheit des Landes“ verhaftet worden. Das ist die amtliche Bezeichnung für politische Gefangene, deren Existenz das Regime offiziell bestreitet. Laut Doulatabadi wurden die Festgenommenen von Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei amnestiert , nachdem sie sich von ihren Straftaten distanziert hätten.
Seither wurden etwa 100 Personen freigelassen. Dabei handelt es sich zum Teil um Gefangene, die ihre Strafe beinahe abgesessen hatten. Manche von ihnen hatten bereits zwei Drittel ihrer Haftzeit hinter sich und damit das Recht, bedingt frei gelassen zu werden.
Viele von ihnen ließen ihre Angehörigen wissen, dass sie keinen Antrag auf Begnadigung gestellt und auch keine Erklärung gegen oder für jemanden abgegeben hätten.
Die Freilassung dieser Gruppe von Gefangenen wird von Konservativen, Reformern und unabhängigen Kräften unterschiedlich interpretiert.
Positive Sicht auf die Maßnahme
Der Universitätsdozent und politische Beobachter Sadegh Zibakalam begrüßte am 2. September in seinem persönlichen Weblog die Freilassungen. Es sei eine gute Maßnahme, so Zibakalam, „selbst wenn die Entwicklungen in der Welt die Verantwortlichen in der Islamischen Republik dazu motiviert haben sollten“. Er betont: „Es ist gut, wenn das Regime auf die Feindseligkeit gegen ihre Gegner und Kritiker verzichtet“. Zibaklam hofft darauf, dass die Herrscher ihren Gegnern politische Überlebensmöglichkeit gewähren und eine nationale Versöhnung anstreben würden.
Ali Motahari, ein konservativer Parlamentsabgeordneter, begrüßte die Freilassung der politischen Gefangenen ebenfalls. In einem Interview mit der Zeitung „Sharg“ bewertete Motahari es als einen positiven Schritt des Landes zu einer Rückkehr in die Lage vor den Wahlen von 2009 sowie als Entspannung des politischen Klimas. Motahari sieht in der Maßnahme „einen sinnvollen Schritt in Richtung nationaler Versöhnung“.
Der ehemalige Präsident des Irans, Mohammed Khatami, brachte am ersten September auf seiner Website den Wunsch zum Ausdruck, die Freilassung der politischen Gefangenen möge ein Wendepunkt für „umsichtigere und bessere Überlegungen“ sein, mit deren Hilfe sich „das von Misstrauen und Trübsinn geprägte Klima im Iran zu einer Atmosphäre des Vertrauens und der Integration verwandeln könnte“, so Khatami.
Die Meinung der Hardliner
Hossein Shairatmadari, Chefredakteur der Tageszeitung „Kayhan“, die als Sprachrohr der Hardliner gilt, behauptet in der Ausgabe vom 3. September, dass die freigelassenen Gefangenen Reue gezeigt und zugegeben hätten, die USA und Israel sowie Moussavi und Karubi (die Integrationsfiguren der „Grünen Bewegung“ – A. d. R.) zu verabscheuen.
Auch die Zeitung „Jomhurie eslami“, deren Herausgeber Ayatollah Khamenei ist, schreibt am selben Tag, dass die Freilassung der Gefangenen allein der Güte des Staatsoberhauptes zu verdanken sei. Die Ereignisse in der arabischen Welt, die Parlamentswahlen im nächsten Jahr oder das Beharren der UNO darauf, einen Sonderbeauftragten zur Überprüfung der Menschenrechte in den Iran zu senden, hätten bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt. Dies sei ein Beleg für die Autorität und die Standhaftigkeit des Systems.
„Nur Show“
Im Gegensatz zu den konservativen Reformern und den Hardlinern halten ein Teil der Reformer sowie unabhängige Kommentatoren und Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und viele Exil-Iraner die Freilassung der 100 politischen Gefangenen für „eine Show“.
Der politisch liberale Beobachter Morteza Kazemian schrieb am 31. August auf der reformorientierten Website „Jaras“, Ausweglosigkeit sei der Grund, warum das System die Gefangenen freigelassen habe. Ziel der Aktion sei, mehr Wähler an die Wahlurnen zu locken. Kazemian, der selbst zehn Monate in Haft verbrachte, betonte: „Hätte das despotische Regime alle politischen Gefangenen freigelassen, nicht nur ein paar, dann hätte man davon sprechen können, dass es zur Vernunft gekommen sei.“
Der in den USA lebende Menschrechtsaktivist Hasan Zareh Zedeh geht in der Website „Khabarnet“ auf die Behauptung der Justizbehörde ein, die Freigelassenen hätten Reue gezeigt. Er schreibt: „Die Verantwortlichen des Regimes müssten Reue zeigen und sich bei den politischen Gefangenen und dem iranischen Volk entschuldigen. Nicht umgekehrt“.