Ice Bucket Challenge-Hype erfasst den Iran
Die Ice Bucket Challenge genießt nicht nur in der westlichen Welt, sondern auch im Iran große Popularität. Viele IranerInnen begrüßen die Aktion, die einem guten Zweck dient. Aber es gibt auch KritikerInnen des Web-Hypes.
Seit fast zwei Monaten gießen sich weltweit Millionen von Menschen kaltes Wasser über ihre Köpfe und stellen Videos von dieser Aktion ins Internet. Das als ALS Ice Bucket Challenge bekannt gewordene Spektakel soll auf die seltene und weitgehend unbekannte Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) aufmerksam machen – und Geld für deren Erforschung und Bekämpfung sammeln. Wer die eiskalte Herausforderung gemeistert hat, nominiert bis zu drei andere Personen, die dann 24 Stunden Zeit haben, es gleichzutun – und zudem zehn Euro oder Dollar an die ALS Association zu spenden. Wer keine Lust hat, sich eiskaltes Wasser über den Kopf zu gießen, soll 100 Euro oder Dollar spenden.
Und der Hype um die eiskalte Challenge hat mittlerweile auch den Iran erfasst. Eine Plattform für IranerInnen, die mit einem Teilnahmevideo auf die gefährliche Krankheit aufmerksam machen wollen, bietet dabei die Facebookseite Ice Bucket Challenge IRAN. Täglich werden dort zahlreiche Filme hochgeladen.
Lob und Kritik
Besonders oft sind darauf iranische Prominente und Personen des öffentlichen Lebens zu sehen, die sich der Herausforderung stellen und zu Spenden aufrufen. Der Fußballer Ali Karimi, der Schauspieler Reza Attaran und die Ikone der iranischen Musik Googoosh sind nur drei von vielen, die an der Challenge teilgenommen haben. Letztere hat allerdings den Spott zahlreicher IranerInnen auf sich gezogen, da sie nur ihre Füße in eiskaltes Wasser tauchte, statt sich mit diesem zu übergießen. Selbst der reformorientierte schiitische Geistliche und ehemalige Vizepräsident des Iran Mohammad Ali Abtahi soll dem Nachrichtenportal Khabar Online zufolge im Ice-Bucket-Fieber sein. Er habe sich aber aufgrund seiner Stellung als Geistlicher dazu entschlossen, sich nicht mit Eiswasser zu übergießen, teilte Abtahi mit: Er wolle keine religiösen Gefühle verletzen.
Von den meisten IranerInnen wird die Teilnahme der Promis an dem Spendenwettbewerb mit Wohlwollen aufgenommen. Viele begrüßen das soziale Engagement der Berühmtheiten: „Es ist wichtig und gut, dass einflussreiche IranerInnen mit gutem Beispiel vorangehen. Viele schauen zu diesen Menschen auf. Wenn sie etwas Gutes tun, finden sie gewiss Nachahmer“, schreibt etwa ein Facebook-User Namens Leili auf Ice Bucket Challenge IRAN. „Es freut mich zu sehen, dass so viele prominente Landsfrauen und -männer Geld für einen guten Zweck spenden“, meint auch der User Behnam auf VOA Persian. Er hoffe, dass ihr Engagement nach dem Hype um die Ice Bucket Challenge nicht ende.
Genau das ist aber die Befürchtung vieler IranerInnen. Manche glauben, der Großteil der Prominenten nehme nur an der Challenge teil, um sich selbst zu vermarkten. „Ich wette, dass kaum einen die Bekämpfung von ALS überhaupt interessiert. Hauptsache, man steht dadurch in der Öffentlichkeit“, kommentiert Hessam auf Khabar Online einen Beitrag über die Ice Bucket Challenge. „Selbst wenn das stimmen würde, wäre es egal“, entgegnet darauf ein anonymer User. Wichtig sei, dass Geld gespendet und damit den Erkrankten geholfen werde. Welche Absichten die TeilnehmerInnen der Challenge tatsächlich hätten, sei nebensächlich.
Sorge wegen Wasserknappheit
Insgesamt gibt es allerdings auch nicht wenige, die fordern, die IranerInnen sollten sich lieber auf das Spenden beschränken und auf das Eiswasser verzichten. Hintergrund dieser Forderung sind Warnungen von iranischen Umweltorganisationen, die auf den verheerenden Wassermangel, unter dem der Iran leidet, hinweisen. „Jeden Tag lesen wir, wie schlecht es um unsere Wasserbestände steht. Trotzdem haben unsere Prominenten nichts Besseres zu tun, als sich literweise Wasser über die eigenen Häupter zu kippen“, empört sich Saeed auf Khabar Online. Wenn das so weitergehe, trockneten bald sämtliche Wasserreserven des Iran aus, schreibt ein anderer User. „Was die IranerInnen zur Zeit machen, ist ziemlich verantwortungslos“, meint auch Farhad.
„Größere Probleme als ALS“
Andere Webuser wiederum zeigen sich irritiert darüber, dass IranerInnen sich ausgerechnet für die Bekämpfung von ALS engagieren. „Ich verstehe nicht, warum so viele IranerInnen im In- und Ausland dieser Krankheit so viel Aufmerksamkeit schenken, während es doch im Iran so viele Menschen gibt, die an anderen schlimmen Krankheiten leiden“, klagt Mohammadreza auf der Facebookpräsenz von BBC Persian. „Zahllose IranerInnen leiden an Armut. Warum spenden unsere sogenannten Promis nicht lieber ihnen ihr Geld?“, fragt Purya.
Diese Kritik bleibt jedoch nicht unwidersprochen: „Man stelle sich vor, dass die Menschen weltweit diese Einstellung an den Tag gelegt hätten, als Ende 2003 ein Erdbeben die Stadt Bam in Schutt und Asche gelegt hat. Damals haben wir aus allen Teilen der Welt dankbar Spenden angenommen“, entgegnet Simin: „Als Mensch sollte man immer und überall helfen, wenn man die Möglichkeit dazu hat.“
JASHAR ERFANIAN