Heimliche Freiheiten iranischer Frauen

Seit mehr als 34 Jahren sind Frauen im Iran verpflichtet, in der Öffentlichkeit Kopftuch zu tragen. Die Regierung behauptet, sie täten das freiwillig, ihre Gegner reden von Zwangsverschleierung. Eine Facebook-Seite erhebt nun Meinungen dazu.
„Alles begann mit diesem Foto, das ich kürzlich auf meiner Facebook-Seite gepostet habe“, sagt die in Großbritannien lebende iranische Journalistin Masih Alinejad. Das Bild, von dem sie spricht, stammt aus der Zeit, als sie noch im Iran lebte. Lachend sitzt die heute 37-Jährige da am Steuer ihres Autos, mit offenem Haar, ihr Kopftuch hat sie während der Fahrt abgelegt. „Heimlich verschaffte ich mir so ein Gefühl großer Freiheit“, erinnert sich Alinejad, wenn sie diesen Moment von damals beschreibt. Ihr Foto wurde in kurzer Zeit mehr als 5.000 Mal mit „gefällt mir“ markiert. So kam sie auf die Idee, eine Facebook-Seite zu erstellen, mit der sie testen kann, ob andere Frauen ihre Erfahrung teilen. „Ich wollte den Frauen im Iran, die das Kopftuch nicht freiwillig tragen, eine Plattform anbieten, um sich zeigen zu können. Denn sie werden nicht gehört und in der staatlichen Berichterstattung einfach zensiert“, sagt Alinejad.  
Viele Fans

Oma, Mutter und Tochter, ohne Kopftuch auf offener Straße
Oma, Mutter und Tochter, ohne Kopftuch auf offener Straße

Die Facebook-Seite „Heimliche Freiheiten der Frauen im Iran“ erstellte Alinejad am 3. Mai. Innerhalb weniger Tage hatte sie bereits mehr als 90.000 Fans. Zunächst trauten sich vor allem junge Frauen, ihre Fotos zu schicken. Zu sehen war darauf, wie sie ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit posieren. Oft befanden sich die Frauen dabei an abgelegenen Orten: beim Bergwandern, auf Ausflügen in die Natur, am Strand, in Parks oder Cafés oder wie Alinejad im Auto. Später bekam sie auch Bilder, auf denen Mütter mit ihren Töchtern zu sehen waren. Ein Foto findet Alinejad besonders mutig: Drei Generationen zeigt es, Oma, Mutter und Tochter, ohne Kopftuch auf offener Straße. Bemerkenswert findet sie, dass sie auch Mails von Männern bekommt: „Es werden auch Bilder von Frauen ohne Kopftuch von deren Ehemännern oder Brüdern geschickt.“ Einer habe dazu geschrieben, er möge es sehr, wenn seine Frau beim Ausflug in die Natur ihr Kopftuch abnimmt und er diesen kurzen Moment von Freiheit festhalten kann. Allerdings schreibt Alinejad in solchen Fällen zurück, dass sie das Einverständnis der abgebildeten Frau brauche, um das Foto veröffentlichen zu können.
Zwangsverschleierung
Der Revolutionsführer und Gründer der islamischen Republik Ayatollah Ruhollah Khomeini äußerte sich bereits kurz nach der islamischen Revolution, am 7. März 1979, zur islamischen Frauenbekleidung. In der Tageszeitung Keyhan wurde Khomeini damals mit dem Satz zitiert: „Frauen ohne Kopftuch dürfen keine öffentliche Behörden mehr besuchen“. Am folgenden Tag, dem internationalen Frauentag am 8. März, gingen deshalb 15.000 Frauen und Männer auf die Straße und protestierten gegen den „Hedschab-Zwang“. Weitere Proteste folgten, doch die GegnerInnen des Kopftuchzwangs wurden von Islamisten mit Steinen beworfen, ihre Proteste brutal niedergeschlagen. Zwei Jahre später wurde die Zwangsverschleierung für alle Frauen per Gesetz eingeführt. Der Befehl dazu kam direkt vom Ayatollah, das damalige Parlament stimmte zu. Im Jahre 1984 verabschiedete das Parlament dann ein Gesetz, das 74 Peitschenhiebe für in der Öffentlichkeit unverschleierte Frauen vorschrieb – und bis heute gilt.
Ultrakonservative für strengere Kontrollen
„Es werden auch Bilder von Frauen ohne Kopftuch von deren Ehemännern oder Brüdern geschickt!“
„Es werden auch Bilder von Frauen ohne Kopftuch von deren Ehemännern oder Brüdern geschickt!“

Das Thema Zwangsverschleierung ist auch nach 34 Jahren noch sehr brisant. Während vor allem junge iranische Frauen versuchen, in der Öffentlichkeit durch bunte, enge Kleidung gegen die strengen Vorschriften zu protestieren, erhöht sich der Druck der Hartliner, die islamischen Vorschriften einzuhalten. Am 7. Mai versammelten sich Dutzende Männer und Frauen vor dem iranischen Innenministerium und forderten härtere Kontrollen der Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften für Frauen. Die Versammlung soll von Anhängern des ultra-konservativen Lagers „Jebhehy-e paydari“ organisiert worden sein, die sich gegen die Politik des gemäßigten Präsidenten Hassan Rouhani richten. Zwar erklärte am folgenden Tag Teherans Polizeichef Hossein Sajedinia, die DemonstrantInnen hätten keine Genehmigung für ihre Protestaktion gehabt. Dem folgten jedoch bislang keine rechtlichen Schritte.
Die iranischen Hardliner lassen die Journalistin Alinejad selbst in ihrem Exil nicht in Ruhe. Täglich bekommt sie für ihre Facebook-Seite Hass-Mails, wird als „Teufel“, „Anti-Revolutionärin“ oder „Unruhestifterin“ beschimpft. Masih Alinejad lässt das kalt: „Ich bin keine Aktivistin, sondern nur Journalistin“, sagt sie. „Meine Aufgabe ist es, zu einem Thema wie dem Kopftuch nach allen Meinungen zu fragen. Aus der Ferne kann ich aber nicht durch die Straßen laufen und mit Menschen reden. So habe ich dafür das soziale Netzwerk benutzt.“
  FOROUGH HOSSEIN POUR