Gedämpfte Frühlingsfreude

Millionen Menschen in Zentralasien begehen am Donnerstag das Jahrtausende alte Neujahrsfest Nouruz. Die größten Feierlichkeiten finden im Iran statt. Vielen IranerInnen ist jedoch aufgrund der schlechten Wirtschaftslage nicht zum Feiern zumute. 
Am 20. März um genau 17:57:07 Uhr mitteleuropäischer Zeit feiern IranerInnen rund um den Erdball das Jahrtausende alte Nouruz-Fest: den astronomischen Beginn des Frühlings und damit den Beginn des Sonnenjahres 1393. Doch die Freude, die viele IranerInnen früher mit dem Fest verbanden, überlagert in diesem Jahr das Gefühl der Sorge und der Frustration.
Grund dafür ist die schlechte Wirtschaftslage des Iran. Das Fest sei für sie „nicht mehr das, was es einmal war“, sagt etwa Taraneh Khakpour, Lehrerin in Teheran. Die alleinstehende Mutter kann es sich nicht leisten, ihren beiden Kinder, wie traditionell üblich, zu Nouruz neue Kleidung zu kaufen. Auch auf das immer teuer werdende Obst und Gebäck muss sie in diesem Jahr verzichten: „Die Preise sind im Vergleich zum Vorjahr noch weiter gestiegen, mein Lohn dagegen seit langem nicht mehr“, sagt Khakpur: „Wie soll denn da Feierstimmung aufkommen?“

Zum Nouruz-Fest gehört auch ein Besuch im Bazar, um vor allem für die Kinder neue Kleider und Schuhe zu kaufen. Quelle: ISNA
Zum Nouruz-Fest gehört auch ein Besuch im Bazar, um vor allem für die Kinder neue Kleider und Schuhe zu kaufen. Quelle: ISNA

Dass die Kaufkraft vieler IranerInnen sinkt, bekommen auch die Verkäufer in den Bazaren des Landes zu spüren. Zwar sind die Läden und Verkaufsstände voll, doch die meisten BesucherInnen erkundigen sich nach Preisen – und kaufen dann nichts. „Ich hatte gehofft, zu Nouruz mehr absetzen zu können als in den letzten beiden Jahren, aber von Tag zu Tag sinken meine Hoffnungen, meine Verkaufsziele erreichen zu können“, sagt der Pistazienhändler Alireza Arzani. „Wo bleibt die Erholung der Wirtschaft, die uns Präsident Rouhani versprochen hat?“
Tradition
Nouruz, der neue Tag: So wird das überaus populäre Fest genannt, das nicht nur von IranerInnen jährlich am 20. oder 21. März gefeiert wird. Über 300 Millionen Menschen im Iran, in Aserbaidschan, Tadschikistan, Afghanistan, dem Kaukasus und den kurdischen Gebieten im Irak und der Türkei betrachten Nouruz als eins ihrer schönsten und größten Feste. Ähnlich wie Weihnachten ist das Neujahrsfest ein Fest der Liebe und der Familie. Nouruz ist mehr als 2.500 Jahre alt und tief in der vorislamischen persischen Kultur verwurzelt.
Jede Region hat ihre eigenen Bräuche und -Traditionen. Im Iran gehört zum Fest etwa unbedingt der so genannte „Sofrehye-Haft-Sin“ – eine große Tafel, im Wohnzimmer errichtet, auf der mindestens sieben Lebensmittel oder Pflanzen versammelt sind, die in der persischen Sprache mit dem Buchstaben „S“ beginnen. Alle haben eine spezielle Bedeutung: Der Apfel etwa steht für Gesundheit, Linsensprossen für Vitalität und Fruchtbarkeit, der Weizenpudding für Wohltat und Segen, die Mehlbeere symbolisiert den Keim des Lebens, das Sumach-Gewürz dessen Geschmack. Knoblauch steht für Schutz, Essig für Fröhlichkeit und die wohlduften Hyazinthen gelten als ein Symbol für Freundschaft. Die Haft-Sin-Tafel bleibt 13 Tage lang stehen, denn so lange besuchen sich Freunde und Familien gegenseitig, um zusammen zu feiern.
Die Haft-Sin-Tafel, auf der mindestens sieben Lebensmittel oder Pflanzen versammelt sind, die in der persischen Sprache mit dem Buchstaben „S“ beginnen.
Die Haft-Sin-Tafel, auf der mindestens sieben Lebensmittel oder Pflanzen versammelt sind, die in der persischen Sprache mit dem Buchstaben „S“ beginnen.

Traditionell werden die Nouruz-Tage von IranerInnen auch gerne dafür genutzt, zu verreisen. Beliebte Urlaubsziele im Inland sind die Region um das Kaspische Meer im Norden des Iran, die historischen Städte Isfahan und Shiraz sowie die Inseln des Persischen Golfs im Süden des Landes. Damit die Bevölkerung dieses Jahr nicht auch noch auf das Reisen verzichten muss, hat die Regierung laut der der staatlichen Nachrichtenagentur ISNA angekündigt, während der Feiertage die Benzinpreise auf einem niedrigen Niveau halten zu wollen. Zudem untersagte sie den Hotels Preiserhöhungen.
Beliebtheit genießen bei vielen IranerInnen, die es sich leisten können, auch Reiseziele im Ausland: etwa in der Türkei, in Armenien, Dubai, Griechenland, Zypern, Thailand und Malaysia. Doch die Zahl der Auslandsreisen ist laut der staatlichen Tourismusbehörde in diesem Jahr zurückgegangen. Auch hier ist der Hauptgrund die schlechte finanzielle Situation vieler privater Haushalte. „Im vergangenen Jahr waren wir über die Feiertage eine Woche auf Zypern. So ein Urlaub wäre aber derzeit ein Luxus“, sagt der Computertechniker Bahram Nosrati. Er freut sich, dass immerhin sein Bruder aus Schweden die Familie in Teheran besucht: „Für uns wird es also trotzdem ein sehr schönes Fest werden.“
Sehnsucht nach der Heimat
Auch sein in Stockholm lebender Bruder freut sich auf den Besuch in Teheran: „Es ist das erste Mal seit 27 Jahren, dass ich Nouruz mit meiner Familie im Iran feiern werde“, sagt Nima Nosrati. Die Nouruz-Zeit könne zwar auch in Schweden schön sein. Aber das ganze Fest wirke dort insgesamt „künstlich“, findet der Exiliraner: „Einem Europäer würde sicher auch die typische Atmosphäre fehlen, wenn er 27 Jahre lang Weihnachten auf Kuba feiern müsste“, sagt Nosrati.
Die jüngere Generation der Exil-IranerInnen empfindet das nicht so. Wer in Europa oder Nordamerika aufgewachsen ist, kennt das Fest nicht anders. „Ich habe Nouruz bis jetzt immer nur in Deutschland gefeiert“, sagt etwa die in Köln geborene Samira Rahnejat. Dennoch bedeute ihr das Fest sehr viel: „Weil ich während der Feiertage meine iranische Seite wiederbelebe“. Die 23-Jährige genießt die Freiheiten, die ihr das Feiern in Deutschland bietet: „Ich glaube, im Iran würden mir die ganzen Nouruz-Partys und -Konzerte fehlen, die ich hier in Deutschland jedes Jahr besuche.“
Jashar Erfanian