Das grausame Ende einer Flucht

Jedes Jahr kommen zahlreiche Menschen aus Afghanistan in den Iran, um dort zu arbeiten. Willkommen sind sie dort allerdings nicht. Mitte Juni forderten afghanische Geistliche ihre Regierung auf,  gegen „das brutale Vorgehen  iranischer Sicherheitsbeamter“ gegen afghanische Migranten zu protestieren.
„Sie nehmen uns die Arbeit weg“. „Sie vergewaltigen unsere Frauen und Kinder“. „Sie verbreiten Angst und Drogen.“ Solche und ähnliche Anschuldigungen gegenüber afghanischen Migranten hört man in fast allen Teilen des Iran. Nicht selten wird in Zeitungsberichten über Morde beiläufig erwähnt, es seien afghanische Arbeiter in der Nähe gesehen worden. Auch die Regierung hat bisher keine Gelegenheit versäumt, darauf hinzuweisen, dass „das Boot voll“ sei und der Iran keine weiteren afghanischen Flüchtlinge mehr aufnehmen könne.
Wie viele Afghanen täglich die 936 Kilometer lange Grenze zum Iran überqueren, wie viele zurückgewiesen werden, wie viele dabei ums Leben kommen, darüber gibt es keine Statistiken. Iranische und afghanische Medien berichten nur über herausragende Fälle –  wie etwa den vom 10. Mai. Da hatten 300 Arbeiter versucht, über die Grenzstadt Farah in den Iran zu gelangen. Die iranische Grenzpolizei schoss angeblich ohne Vorwarnung auf sie. Dabei sollen nach offiziellen Angaben zehn Flüchtlinge ums Leben gekommen und weitere acht schwer verletzt worden sein. Der Leiter des Gesundheitsamts der westafghanischen Provinz Farah, Abdoljabar Shayegh, sagte damals dem TV-Sender BBC-Persian allerdings, einige der Verletzten bezeugten, „dass zwanzig ihrer Kameraden durch die Schießerei an der Grenze ums Leben gekommen sind“.
Zuspitzung

Viele der afghanischen Flüchtlinge sind bereit, illegal und zu niedrigsten Löhnen harte Arbeiten zu verrichten
Viele der afghanischen Flüchtlinge sind bereit, illegal und zu niedrigsten Löhnen harte Arbeiten zu verrichten

Das afghanische Außenministerium bestellte aus diesem Grund zum ersten Mal den iranischen Botschafter in Kabul, Abolfazl Zohrewand, ein. Danach bezeichnete das Ministerium in einer öffentlichen Erklärung „das Schießen auf zivile, unbewaffnete, arbeitsuchende Flüchtlinge als Verachtung der religiösen und kulturellen Werte“. Die iranische Botschaft in Afghanistan teilte zu dem Zeitpunkt nur mit, ihr lägen zu der Angelegenheit von offizieller iranischer Seite keine Angaben vor.  Als der Vorfall zwei Tage später bei persischsprachigen Medien für großes Aufsehen sorgte, lenkte Teheran etwas ein. „Es gab einige Tote an der iranisch-afghanische Grenze“, ließ das iranische Außenministerium verlauten. Die Grenzpolizei überprüfe die Hintergründe.
Afghanische Flüchtlinge im Iran
Im Iran leben etwa zwei Millionen afghanische Flüchtlinge. Nach Angaben des iranischen Innenministeriums wurde aber nur 900.000 Personen eine gültige Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Die übrigen besitzen weder einen Aufenthaltstitel noch eine Arbeitserlaubnis. Viele der afghanischen Flüchtlinge sind deshalb bereit, illegal und zu niedrigsten Löhnen harte Arbeiten zu verrichten. Und auch denen, die im Besitz von Aufenthalts– und Arbeitserlaubnis sind, gelingt aufgrund der vielen Hindernisse und der geringen Löhne der soziale Aufstieg meist nicht.
Das liegt unter anderem auch einem Regierungsbeschluss. Im Juni 2012 schloss das iranische Bildungsministerium afghanische Staatsangehörige von allen Studiengängen aus, mit denen eine Anstellungsverpflichtung für den Staat einhergehen würde.
Rückkehrwelle
Neben solchen Diskriminierungen erschweren auch ökonomische Faktoren die Lebenssituation der afghanischen Einwanderer. Im vergangenen Jahr hat sich die wirtschaftliche Situation im Iran deutlich verschlechtert. Der Vertreter des UN-Menschenrechtsrats für Flüchtlinge (UNHCR) im Iran, Bernard Doyle, sagte im Interview mit dem persichen Programm der Deutsche Welle: „In Zeiten der Wirtschaftkrise im Iran sind afghanische Flüchtlinge, auch wenn sie Jahrzehnte im Land leben, am stärksten betroffen.“ Laut UNHCR sind in den vergangenen Jahren etwa 907.000 afghanische Flüchtlinge aus dem Iran in ihre Heimat zurückgekehrt.
FH/FP