Cyberpolizei im Kreuzfeuer der Kritik
Der rätselhafte Tod des inhaftierten iranischen Bloggers Sattar Beheshti sorgt weltweit für große Empörung. Nun fordert ein iranischer Parlamentarier den Rücktritt des Cyber-Polizeichefs. Mehr zu den Hintergründen und Reaktionen.
Auch zwei Wochen nach dem Tod des inhaftierten iranischen Bloggers Sattar Beheshti wird über Ursachen und mögliche Verantwortliche spekuliert. „Dass die Polizei sich im Fall Sattar Beheshti rechtswidrig verhalten hat, ist unumstritten“, sagt Mehdi Davatgari, Mitglied im Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheitsfragen. Sie habe Beheshti nicht rechtsmäßig „und somit absolut illegal festgehalten“, so Davatgari, der auch Mitglied der Untersuchungskommission von Beheshtis Fall ist: „Laut Gerichtsurteil sollte Beheshti vom Evin-Gefängnis zum Polizeihauptquartier zurückgebracht werden. Aber man hat ihn dann einfach im Gewahrsam der Cyber-Polizei untergebracht“. Um diesen Fehler, „der auch unserem System großen Schaden zugefügt hat, wiedergutzumachen, müsste der Chef der Cyber-Polizei entweder entlastet werden oder zurücktreten“, forderte der Parlamentarier am Montag vor dem iranischen Parlament. Die Cyber-Polizei wurde 2011 als Abteilung der iranischen Polizei mit der speziellen Aufgabe gegründet, das Internet und seine Nutzung im Iran zu kontrollieren.
Behehsti stirbt in Haft
„Sie haben mir gestern gedroht, wenn ich weiterhin kritisch schreiben würde, würde meine Mutter bald schwarz tragen.“ Dieser Satz stammt aus dem letzten Eintrag in Beheshtis Weblog, der kurz vor seiner Verhaftung erfolgte. Der Arbeiteraktivist und Blogger Sattar Beheshti war am 30.Oktober in seiner Wohnung in der Kleinstadt Robat Karim südlich von Teheran von der Internetpolizei festgenommen worden. Ihm wurden „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit in sozialen Netzwerken und Facebook“ vorgeworfen. Fünf Tage später wurde Beheshtis Familie von den Behörden aufgefordert, die Leiche des 35-Jährigen im Evin-Gefängnis abzuholen. Gleichzeitig wurde seinen Angehörigen nach Angaben von Beheshtis Schwester untersagt, Interviews zu geben. Das Online-Magazin Kalameh zitiert diese mit den Worten: “Mein Bruder hatte keinerlei gesundheitlichen Probleme, er war bei seiner Festnahme kerngesund.“ Die Behörden machen zu Beheshtis Todesursache keine Angaben.
Empörung Weltweit
Nachdem die Nachricht vom Tod des Bloggers über Webseiten der iranischen Opposition weltweit bekannt wurde, meldete sich der Chef der iranischen Organisation für Gerichtsmedizin, Ahmad Shojaei, zu Wort: Die genaue Todesursache Beheshtis sei unklar, aber „da Sattar Beheshti wegen einer Herzkrankheit Medikamente einnahm, ist nicht auszuschließen, dass er an einem Herzversagen durch Stress verstorben ist“, so Shojaei.
Diese offizielle Erklärung führte weltweit zu heftigen Reaktionen. Zahlreiche internationale Organisationen, unter anderem Reporter ohne Grenzen, forderten die iranischen Behörden dazu auf, die genauen Umstände des Todes des Bloggers aufzuklären. Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran, Ahmad Shaheed, sagte: “Es darf für Folter keine Toleranz geben. Es ist absolut zwingend, in derart grauenhafte Verbrechen potenziell verwickelte Täter vor Gericht zu bringen. Tut man dies nicht, befördert man eine Kultur der Straflosigkeit.” Und Christof Heyns, UN-Sonderberichterstatter für außerjuristische, willkürliche und Massenhinrichtungen, erklärt: “Stirbt ein Mensch an den Folgen von Verletzungen, die er in staatlichem Gewahrsam erlitt, muss angenommen werden, dass es eine Verantwortlichkeit des Staates gibt.” Auch drei iranische Arbeiterorganisationen forderten am 25.November die iranische Regierung in einer gemeinsamen Erklärung auf, den Fall des Bloggers untersuchen zu lassen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Zu Tode gefoltert?
Es wäre nicht das erste Mal, dass die iranische Justiz die Schuld am Tod eines Inhaftierten nicht offen zugibt und ihn statt dessen als „natürlichen Tod“ darstellt. Bis jetzt wurden von internationalen Menschenrechtsorganisationen etwa achtzehn solcher Fälle direkt verfolgt, unter anderem der der iranisch-kanadischen Fotografin Zahra Kazemi. Sie war 2003 in Teheran festgenommen worden, als sie das berüchtigte Evin-Gefängnis fotografierte. Kurze Zeit später wurde die 54-Jährige mit einer schweren Schädelverletzung ins Krankenhaus eingeliefert und starb an den Folgen der Folter.
Im Falle von Beheshti veröffentlichten 41 politische Gefangene eine Erklärung, der zufolge sie Anzeichen von Folter auf Sattars Körper gesehen haben: “Als er im Trakt 350 des Evin-Gefängnisses eintraf, zeigte Sattars gesamter Körper Spuren von Folter“, heißt es da. „Er hatte große körperliche Schmerzen und war psychisch schwer belastet. Sein Gesicht war voller Verletzungen und geschwollen, an Handgelenken und Armen waren deutlich Prellungen und Hämatome und die Folgen des Aufhängens an der Decke zu sehen.“