Bildung: Diskriminierung afghanischer Immigranten
Einwanderer aus Afghanistan sollen im Iran künftig keine Fächer mehr studieren dürfen, die mit einer Anstellungsverpflichtung des Staates einhergehen.
Atomphysik, Nuklear- und Chemietechnik oder Militärwissenschaften: Die iranische Regierung hat eine Liste mit Studiengängen verfasst, von denen im Iran lebende afghanische Staatsangehörige künftig ausgeschlossen sein sollen. Darunter fallen Studiengänge, mit denen eine Anstellungsverpflichtung für die Islamische Republik einhergehen würde. Die Liste wurde Anfang Juni von der halbamtlichen Nachrichtenagentur MEHR veröffentlicht.
Afghanen sollen sich zudem künftig nur an Universitäten bewerben dürfen, die außerhalb der für afghanische Staatsangehörige verbotenen Wohnbereiche liegen. Laut MEHR umfassen diese Wohnbereiche Dutzende Provinzen und mehrere Städte in unterschiedlichen Landesteilen.
Die neuen Restriktionen für afghanische Staatsangehörige im Iran haben zahlreiche Iraner verärgert und zu Protesten in sozialen Netzwerken geführt.
Protest der Filmemacher
Anfang Mai wurden iranische Offizielle mit Aussagen zitiert, denen zufolge im Iran lebende Afghanen der beliebten iranischen Ferienprovinz Mazandaran fernbleiben sollten. Iranischen Nachrichtenwebsites zufolge wurden afghanische Bewohner der Provinz aufgefordert, Mazandaran bis zum 20. Juni zu verlassen.
Der iranische Regisseur Asghar Farhadi kündigte daraufhin an, seinen oskarprämierten Film „Nader und Simin“ in Mazandaran vor afghanischen Flüchtlingen zeigen zu wollen. „So ein unangemessenes Verhalten gegenüber Immigranten im Iran – einem Land mit einer der höchsten Flüchtlingszahlen der Welt – ist bitter“, zitiert die Tageszeitung „Shargh“ den Regisseur.
Einige andere Filmemacher haben ebenfalls Solidaritätsaktionen angekündigt.
Doch die Diskriminierung der afghanischen Minderheit ist nicht auf bestimmte Provinzen begrenzt. Am 1. April wurde in Isfahan Afghanen der Eintritt in den Sofeh-Park untersagt, wo Feierlichkeiten zum nationalen „Tag der Natur“ stattfanden. Die offizielle Begründung: Die Maßnahme diene dem „Schutz der Familien vor Afghanen“, so der örtliche Polizeikommandant Ahmad Reza Shafiee. Angeblich würden Familien die Anwesenheit der Afghanen als Störung empfinden.
Proteste junger IranerInnen
Nachdem die Nachricht von der Diskriminierung der Afghanan in Isfahan veröffentlicht wurde, gab es Protestaktionen seitens junger IranerInnen in der ganzen Welt. In Isfahan protestierten junge Männer mit Plakaten gegen Rassismus im Sofeh-Park. Auf einem der Plakate stand: „Ich bin auch ein Afghane.“ Ein Foto davon wurde in den sozialen Netzwerken verbreitet und fand schnell die Unterstützung vieler NetzaktivistInnen (siehe Foto oben).
Gängige Vorurteile
In den vergangenen Jahren häuften sich auch Berichte über schlechte Behandlung der afghanischen Minderheit – vor allem der illegalen Einwanderer – durch die Bevölkerung. Manche Iraner beschuldigen die Afghanen, für die Zunahme von Kriminalität und die Verbreitung von Drogen verantwortlich zu sein. Andere werfen ihnen vor, Iranern in Zeiten rasch steigender Arbeitslosenzahlen die Arbeitsplätze streitig zu machen.
Ein Video, das auf YouTube die Runde macht, zeigt die Misshandlung von Afghanen durch iranische Soldaten. Sie werden gezwungen, sich auf den Kopf zu schlagen, Sit-ups zu machen und zu beteuern, dass sie „nie wieder in den Iran kommen werden“ – siehe unten!
Iranische Offizielle verweisen Kritiker solcher Diskriminierung gerne auf ihre Gastfreundschaft: Sie hätten in den vergangenen 20 Jahren mehr als 2 Millionen Afghanen ohne Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft Zuflucht gewährt. Im Iran leben mehr als eine Million afghanische Flüchtlinge und tausende illegale afghanische Migranten. Viele von ihnen emigrierten aufgrund der sowjetischen Besatzung Afghanistans und des Bürgerkriegs nach dem sowjetischen Abzug. Andere suchten nach der Machtübernahme der Taliban Zuflucht im Iran.
FP