Auf und Ab für das iranische Kino

Zum iranischen Neujahrsfest am 20. März werden wieder viele neue Filme die Besucher in die Kinos locken. Wie aber sieht die Wirklichkeit der Filmschaffenden hinter der Leinwand aus? Über die Situation der FilmemacherInnen im Iran. 
Wenigstens die zweite Hälft des mit dem iranischen Neujahrsfest am 20. März zu Ende gehenden Jahres hätte ein hoffnungsvolles und produktives Jahr für die Filmschaffenden im Iran werden sollen. Denn der gemäßigte Präsident Hassan Rouhani hatte im Wahlkampf versprochen, den KünstlerInnen mehr Freiheit einzuräumen. Und in der Tat gab es nach Rouhanis Amtsantritt einige positive Schritte: Zuvor verbotene Drehbücher von RegisseurInnen wie Rakhshan Banietemad, Kianoosh Ayyari und Ruhollah Hejazi wurden von der neuen Regierung genehmigt. Renommierte Regisseure gesellschaftskritischer Filme, die ins Ausland emigriert waren, wurden zur Rückkehr in ihre Heimat eingeladen. Und nicht zuletzt wurde die Wiedereröffnung des Berufsverbands der Filmschaffenden „Haus des Kinos“ genehmigt, der zwei Jahre zuvor vom Kultusministerium der Regierung Mahmud Ahmadinedschad ohne Gerichtsurteil geschlossen worden war.

Protestversammlung der iranischen Filmschaffenden gegen die Schließung "Haus des Kinos"  in Teheran
Protestversammlung der iranischen Filmschaffenden gegen die Schließung „Haus des Kinos“ in Teheran

Dschungel der Genehmigungen
Doch weiterhin haben Filmschaffende mit Hindernissen wie der Zensur zu kämpfen. Der Film „Ich bin nicht wütend“ des Regisseurs Reza Dormishian etwa wurde aus dem Wettbewerb des 32. Internationalen iranischen Filmfestivals im Februar 2013 kurzerhand gestrichen. Der Film, der die Geschichte eines Studenten erzählt, dessen Leben durch die politischen und wirtschaftlichen Umstände im Iran aus der Bahn gerät, war in fünf Kategorien für Auszeichnungen nominiert. Da er direkten Bezug auf die Unruhen nach der Präsidentschaftswahl 2009 nimmt, gab es scharfe Kritik und Drohungen von den Ultrakonservativen.
Es gibt also nach wie vor keine Sicherheit für iranische Filmschaffende. Die Kino-Webseite „Cinamaema“ listete kürzlich acht iranische Filme auf, die zum bevorstehenden Neujahrsfest in die Kinos kommen sollen. Unsicher ist das etwa bei dem Film „Hard Makeup“. Es gab bis jetzt keine offizielle Stellungnahme dazu, aber laut dem Produzenten Saeed Saedi sollen keine ausreichenden Vorführkapazitäten zur Verfügung stehen. Das Werk des Regisseurs Hamid Nematollah hatte beim internationalen Filmfestival Fajr im Februar 2014 in Teheran den Jury- Spezialpreis gewonnen. Der Film handelt von Betrug und krummen Geschäften. Fünf Personen versuchen eine Ladung Feuerwerk zu verkaufen, die ihnen nicht gehört. Sie scheitern an dem Geschäft bis auf den einen, der seinen inneren Kampf zwischen Gut und Böse überwindet.
Regisseur Jafar Panahi beschwerte sich Anfang Februar in einem offenen Brief bei Präsident Rouhani über die Zensur. Selbst wenn ein Filmemacher seinen Film nur im ‚Haus des Kinos’ seinen Kollegen vorführen wolle, brauche er dafür eine Genehmigung des Ministeriums für islamische Kultur und Führung, so Panahi. Der Regisseur war 2009 verhaftet und zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt worden.
Auch die junge iranische Filmemacherin Negar Tahsili kennt die Probleme gut. Selbst eine „mühsam ergatterte“ Drehgenehmigung reiche oft nicht aus, erzählte die 34-Jährige, zur Zeit Fellow an der Akademie der Künste der Welt in Köln, bei einem Vortrag dort: „Nach den Dreharbeiten brauchst du eine Genehmigung für die Aufführung des Films, weitere Genehmigungen für die Teilnahme an iranischen und internationalen Filmfestivals, und am Ende eine Extra- Erlaubnis, um den Film als DVD auf den Markt zu bringen.“
Iranische Regisseurin, Negar Tahsili an der Akademie der Künste der Welt in Köln
Iranische Regisseurin, Negar Tahsili an der Akademie der Künste der Welt in Köln

Tahsilis Kurzfilm “Wee-men or women?!” war 2009 auf den Arabisch-Iranischen Filmtagen in Berlin zu sehen. In dem Film beschäftigt sich die junge Regisseurin mit den Geschlechterrollen in der iranischen Gesellschaft. Ihr Dokumentarfilm „Rose and Nightingale“, mit dem sie 2013 an den Iranischen Filmtagen in Köln teilnahm, stellte moderne iranische Künstlerinnen vor. Tahsili möchte mit ihren Filmen das Leben der Menschen verändern: „Einen Film zu machen ist wie eine Revolution“, sagt sie. „Und wenn man eine gute Geschichte hat, die man mit der Welt teilen möchte, sollte man es auch tun.“
Underground-Kino
Iranischen Statistiken zufolge kamen von April 2013 bis Februar 2014 rund 59 im Iran produzierte Filme in die Kinos. 8,7 Millionen Menschen sollen in dem Zeitraum die Kinos besucht haben. Damit sank die Besucherzahl im Vergleich zu 2011, wo 14 Millionen Menschen im Kino waren, auf fast die Hälfte. Filmkritiker sehen die Ursachen dafür bei den gestiegenen Ticketpreisen, aber auch den Inhalten der Filme, die das Publikum nicht mehr ansprächen.
Daher gebe es neben den regulären Kinos immer mehr private Filmaufführungen im Iran, sagt Tahsili: eine Art Untergrund-Kino. Filme, die keine staatliche Vorführgenehmigung bekommen haben, würden in privaten Garagen für bis zu 60 Leute gezeigt. Zwar sei es schrecklich, wenn es die eigenen Filme es nicht auf Kinoleinwände schafften, so Tahsili, aber: „Du tust, was du gerne tust, und so, wie du es willst. Das ist eine Entscheidung.“
Parisa Tonekaboni
Forough Hossein Pour