Teheran erstickt
Eine Metropole mit 13 Millionen Einwohnern und 3 Millionen Autos. Eine gigantische Stadt, umgeben von Fabriken, vollgestopft mit Beton-Türmen, für die man fast alle Grünflächen abholzen musste. Experten warnen: Teheran steht vor dem ErstickungstodIn Teheran und Umgebung sind etwa 800.000 Industriebetriebe angesiedelt. Doch sie sind nicht die Hauptverursacher der gewaltigen Luftverschmutzung, unter der die iranische Metropole leidet. Nach Angaben staatlicher Institutionen stammen 80 Prozent der giftigen Partikel in der Luft aus Autoabgasen.
Laut Yousef Rashidi, Direktor des Amtes für die Kontrolle der Teheraner Luftqualität, werden täglich mehr als 1.000 Tonnen Luftschadstoffe produziert. Die Wichtigsten sind Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Kohlenwasserstoffe.
Statistiken des Teheraner Verkehrsamtes zufolge kommen zur Zeit täglich 1.700 Neuanmeldungen zu den bereits vorhandenen drei Millionen Kraftwagen. Das ist ein Zuwachs von jährlich 500.000 Autos.
Täglich fahren zudem mehr als zweieinhalb Millionen Motorräder durch die Stadt, etwa ein Drittel davon ohne Tüv. Sie verursachen nach Angaben des Verkehrsamtes 21 Prozent der Kohlenwasserstoffe in der Atemluft.
Auch die Ölraffinerie im Süden Teherans ist ein Gigant in Sachen Luftverschmutzung. Hossein Ali Shahryari, Vorsitzender des Hygiene- und Heilungsausschusses des Parlaments behauptet, 26 Prozent der Gifte in der Teheraner Luft würden aus den Schornsteinen der Fabriken kommen – sechs Prozent davon allein aus der Ölraffinerie.
Misslungene Pläne
In den 70er Jahren gab es erste Versuche, die Grünflächen in der Stadt zu erweitern. Doch die islamische Revolution von 1979 stoppte diesbezügliche Pläne für mehr als 20 Jahre. Erst Ende der 90er, nachdem die Reformer Teile der Machtzentren erobert hatten, wurde ein Zehnjahresplan zur Bekämpfung der Luftverschmutzung ausgearbeitet. Der Plan sah sieben Schritte vor: Neu produzierte Verkehrsmittel sollten mit umwelterträglichen Techniken ausgestattet, die alten Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden. Das öffentliche Verkehrsnetz sollte ausgebaut, die Qualität der Treibstoffe verbessert, eine technische Überprüfung für alle Fahrzeuge eingeführt werden. Der Verkehr in der Stadt sollte anders geregelt und eine längerfristige Aufklärungskampagne über Luftverschmutzung durchgeführt werden.
Doch das Gegenteil traf ein: Die Ziele wurden nicht erreicht, die Luftverschmutzung wuchs und hat die Grenze des Erträglichen überschritten. 2010, also im zehnten Jahr des vielversprechenden Umweltplanes, war das „Komitee zur schnellen Reaktion auf die Umweltverschmutzung“ gezwungen, Banken, Schulen, Universitäten und Ämter an manchen Tagen zu schließen, um die Menschen vor Schäden durch Luftverschmutzung zu schützen.
Teheraner atmen reines Gift
In den letzten Jahren warnt das Wetteramt immer häufiger Kinder und herz- und lungenkranke Erwachsene davor, das Haus zu verlassen. Nach Statistiken des Teheraner Amtes für Gerichtsmedizin sind allein im letzten iranischen Jahr (21. März 2010 – 20. März 2011) mindestens 3.600 Personen an den Folgen der Luftverschmutzung gestorben.
Mohammad Hadi Heidarzadeh vom Teheraner Umweltamt hat im Mai dieses Jahres vor inländischen Journalisten zugegeben, dass die Teheraner an manchen Tagen „reines Gift“ atmeten. Heidarzadeh behauptete zudem, die Regierung würde die Werte der Luftverschmutzung manipulieren. Er beschuldigte die Regierung, damit die Gesundheit der eigenen Bevölkerung aufs Spiel zu setzen.
Experten haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die iranischen Treibstoffe qualitativ schlecht und krebserregend seien. Masoumeh Ebtekar, Direktorin der Umweltkommission des Teheraner Stadtrates, forderte am 27. August die Regierung auf, die Qualität des heimischen Benzins zu verbessern. Die Regierung habe dies unlängst versprochen, doch bisher keine entsprechenden Schritte unternommen. Laut Ebtekar tanken auch die LKW minderwertigen Diesel. Sie beklagte zudem das Umrüsten gasbetriebener LKW auf Diesel. Dies sei eine Folge der Verteuerung des Erdgases.
In den letzten Jahren gab es viele zivile Versuche, die Luftverschmutzung zu stoppen. Nach Aussage des Leiters des iranischen Amtsgerichtshofes, Mohammad Jafar Montazeri, haben viele Teheraner Bürger gegen die Luftverschmutzung Klagen eingereicht.
Zwar beschäftigt sich das Parlament auf Druck der Öffentlichkeit angeblich seit sechs Jahren mit dieser tödlichen Entwicklung, doch Ergebnisse dieser Bemühungen wurden bislang nicht bekannt.
In den letzten Jahren haben Teheraner Bürgerinnen und Bürger mehrere Umweltorganisationen gegründet. Doch keine von ihnen war bis jetzt in der Lage, die Regierung mit ihrem Anliegen zu konfrontieren.
Es sieht tatsächlich so aus, als würde die iranische Hauptstadt langsam, aber sicher in ihrem eigenen Dunst ersticken.