2011: Bewegung in Sachen Umweltschutz im Iran
Mangelndes Umweltbewusstsein aufseiten der Bürger und Missachtung der Umweltprobleme durch die Regierung: Schon lange beklagen iranische Umweltschützer dies als Hauptgründe für die rapide Zerstörung der Umwelt im Iran. Im Jahr 2011 konnten einige Ereignisse den Ernst der Bedrohung der iranischen Umwelt verdeutlichen und das Umweltbewusstsein bei Teilen der Bevölkerung wecken.
Es war im September 2011, als Tausende Menschen in den mehrheitlich von aserischstämmigen Iranern bewohnten Städten Oroumiyeh, Tabriz und Ahar im Nordwesten des Iran auf die Strasse gingen. Sie wollten ihrem Zorn über die Untätigkeit der Regierung bei der Rettung des Urmia-Sees Ausdruck verleihen, der auszutrocknen droht. Das war der erste große Protest in Sachen Umweltschutz im Iran.
Mit einer Fläche von 51.876 Quadratkilometern ist der Urmia-See der grösste See im Nahen Osten. Als Salzwassersee ist er eine seltene ökologische Kostbarkeit; bis vor kurzem bot er 212 Vogelarten, 41 Arten von Reptilien, sieben verschiedenen Amphibienarten und nicht weniger als 27 unterschiedlichen Säugetieren Lebensraum. Doch die Errichtung von Staudämmen an den 13 Flüssen, die den See mit Wasser versorgen, sowie der Bau einer Strasse mitten durch den See haben dessen rapide Austrocknung verursacht. Damit stieg auch der Salzgehalt des Sees, was dazu führt, dass er heute viele Tausende Zugvögel nicht mehr versorgen kann und auch viele seiner eigenen Bewohner verloren hat. Auch die Existenz der Anwohner rund um den Urmia-See ist – etwa durch Salzstürme – stark bedroht.
Deren Proteste für die Rettung des Sees wurden von der Regierung jedoch sofort unterdrückt, mehrere Protestler und Umweltschützer wurden verhaftet. Gleichzeitig kündigte die Iranische Umweltbehörde an, dass die Regierung etwa 650 Millionen Euro für den Kampf gegen die Austrocknung des Sees bewilligt habe. Wasser aus den anderen Flüssen des Landes solle in den Urmia-See umgeleitet werden.
Doch nach jüngsten Äußerung lokaler Behörden ist die Lage des Gewässers weiterhin kritisch. Die Rettungsprogramme der Regierung schreiten nur im Schneckentempo voran. Obwohl etwa 100 der bei den Protesten für die Rettung des Sees verhafteten Umweltschützer zu bis zum einem Jahr Haft und 70 Peitschenhieben verurteilt wurden, ist nicht auszuschließen, dass die Proteste der Bürger weitergehen werden.
Fukushima und die Folgen
Ein weiters Ereignis, das die iranischen Bürger und Medien 2011 mehr für Umweltprobleme sensibilisierte, war die Tsunami- und Atomkatastrophe in Japan. Kurz nach diesem Ereignis hatte der Vize-Chef der iranischen Atomenergieorganisation, Nasser Rastkhah, verkündet, dass das iranische Atomkraftwerk Buschehr erdbebensicher sei und eine Krise wie in Fukushima dort nicht geschehen könne. Zwar sei die Bauweise der Anlage in Fukushima der des Atomkraftwerks in Buschehr ähnlich. Doch sei das Risiko eines Lecks, aus dem radioaktive Strahlung ausströmen könne, in Fukushima gering, so Nasser Rastkhah.
Als die Entwicklungen in Japan eine andere Richtung nahmen, distanzierte man sich von einer allzu gefährlichen Ähnlichkeit zu Fukushima. Parallelen bei der Bauweise der Reaktoren wurden heruntergespielt, Unterschiede herausgestrichen. Das japanische Sicherheitssystem sei veraltet gewesen, das iranische in Buschehr entspreche dagegen höchsten Maßstäben, erklärte Präsident Mahmoud Ahmadinejad.
Doch diese Beruhigungskampagne konnte nicht mehr verhindern, dass iranische Umweltschützer verstärkt Zweifel an der Sicherheit der iranischen Atomanlagen äußerten und sogar die Nutzung der Atomenergie im Iran selbst zum Thema wurde. Das führte dazu, dass 35 Jahre nach Baubeginn der Atomanlage in Bushehr nun das Schicksal der 4.000 Einwohner der zwei Dörfer, die in der Nähe der Reaktoren liegen, Sorge verursachte. Sogar über deren Umsiedlung wurde nachgedacht.
Empörung über Bärenjagd
Auch zwei Fälle von Bärenjagd haben im Iran im Jahr 2011 dem Thema Umwelt- und Tierschutz öffentliche Beachtung eingebracht. Besonders die brutale Tötung einer Bärin und ihrer zwei Jungen, die von den sichtbar erfreuten Jägern gefilmt und im Internet verbreitet worden war, verursachte große Empörung und Sorge um die vom Aussterben bedrohten Tiere.
Gefährliche Luftverschmutzung
Doch trotz allem ist die Entwicklung des Umweltbewusstseins im Iran immer noch in der Anfangsphase. Auch das tägliche stille Sterben von Duzenden Teheranern und Einwohnern anderer iranischer Großstadt an Atemproblemen hat die Bürger bisher nicht dazu gebracht, von der Regierung mehr öffentliche Verkehrsmittel, die Einstellung der Produktion einer tödlichen Benzinsorte und die Produktion von umweltfreundlicheren Autos zu verlangen.
Das Gesundheitsministerium verheimlicht die korrekte Zahl der an Luftverschmutzung gestorbenen Bürger. Doch nach den Angaben der Verantwortlichen von Teheraner Friedhof ”Beheshte Zahra” haben allein in den ersten zwei Monaten des Herbstes 2011 täglich durchschnittlich 310 Bürger ihr Leben aufgrund der starken Luftverschmutzung verloren. In den vergangenen Monaten entwickelte sich die Luftverschmutzung auch in Isfahan zu einem großen Problem. Auch dort kommt es mittlerweilse häufig zu Schließungen von Kindergärten, Universitäten und Schulen. Die Einwohner werden aufgerufen, ihre Häuser nur in Notfällen zu verlassen.
Zu den Gründen der starken Luftverschmutzung wird gezählt, dass viele iranische Industrieanlagen veraltet und nicht umweltschonend ausgerüstet seien. Zudem hat auch der Subventionsabbau bei Energiepreisen den verschwenderischen Umgang der Bürger kaum beeinflusst.
Wiedersprüchliche Wünsche
Es ist deshalb ein ständiger Wunsch der Einwohner vieler iranischer Großstädte, dass der Wind öftners weht, damit die Luftverschmutzung nachlässt. Nur die Menschen im Westen Irans wünschen paradoxerweise das Gegenteil. Denn seit einigen Jahren wird diese Gegend zunehmend von Sandstürmen heimgesucht, die aus dem Irak kommen. Sie bringen das Leben zum Erliegen und eine beachtliche Anzahl der Einwohner muss sich bereits wegen Atemproblemen medizinisch behandeln lassen. Im Jahr 2011 litten die Einwohner des Westirans ganz besonders unter solchen Sandstürmen.
Waldvernichtung im Jahre der Wälder
Entwaldung und Wüstenbildung, die im Irak die Ursache solcher Sandstürme sind, sind auch im Iran in vollem Gange. In den zurückliegenden 20 Jahren wurde dadurch die Waldfläche im Iran von 18 Millionen Hektar auf 14 Millionen Hektar reduziert. Weltweit beträgt die Waldfläche pro Kopf 0,8 Hektar, im Iran aber weniger als 0,2 Hektar. Die starke Zunahme der Bevölkerungszahl, das Missmanagement beim Schutz der Wälder, der Bau von Strassen und Öl- und Gaspipelines durch Waldflächen sowie die absichtliche Brandrodung zur Gewinnung von Grundstücken werden als Ursachen für die Waldvernichtung genannt. Auch im Jahre 2011, das von den Vereinten Nationen zum ”Jahr der Wälder” ernannt wurde, hat sich im Iran deren Vernichtung, wenn auch nicht so stark wie im Jahr davor, fortgesetzt.