Nukleare Kooperation – ein krimireifer Deal
Die Deutschen sollten das erste Atomkraftwerk im Iran bauen. Und hatten damit auch bereits begonnen – doch dessen Fertigstellung übernahmen dann die Russen. Geschichte und Hintergründe eines krimireifen Deals.
Von Behrooz Bayat
Der Grundstein für die iranische Nuklear-Technologie wurde 1957 von den Vereinigten Staaten, damals noch strategische Verbündete des Iran, gelegt. Grundlage war die im Rahmen der vom damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower bei einer Rede vor den Vereinten Nationen 1953 proklamierte friedliche Nutzung der Atomenergie, „Atoms for Peace“. Das führte dazu, dass im November 1968 in Teheran ein Forschungsreaktor – mit waffenfähigem, hoch angereichertem Uran betrieben – den Betrieb aufnahm.
Schah Mohammed-Reza Pahlevi hatte damals auf Empfehlung der USA den Weg der ökonomischen Erneuerung einhergehend mit einer Landreform beschritten. Spätestens seit Anfang der siebziger Jahre, in denen der Iran erhebliche Einnahmen aus dem Öl-Export erwirtschaften konnte, startete das Pahlevi-Regime eine ebenso ungezügelte wie unkoordinierte Modernisierung, die eine Mischung aus kaiserlicher Megalomanie, Repression im Inneren sowie militärischer Dominanz in der Region darstellte.
In dieser Atmosphäre entstand die Idee, den Iran mit Kerntechnik auszurüsten. Mit der Begründung, dass Öl erstens endlich und zweitens zu kostbar sei, um verbrannt zu werden, wandte sich der Schah einer Technologie zu, die damals bereits viel an Leuchtkraft eingebüßt hatte. Zu diesem Zweck findet das Regime in der Gestalt des in der Schweiz und in Frankreich ausgebildeten Nuklearingenieurs Akbar Etemad einen Experten, der – ausgestattet mit der Autorität eines Vize-Premierministers und erheblichen Finanzen – das Geschick der Nuklearpolitik des Landes bestimmen soll.
Die Geschwindigkeit des Aufbaus der iranischen Atomenergie-Organisation (AEOI) war schwindelerregend: Von 1974 bis 1977 stieg die Zahl der iranischen Nuklearwissenschaftler von 67 auf 862. 1977 arbeiteten für die AEOI bereits 3.800 Experten verschiedener Qualifikationen. Während das Volumen des Erdöl-Exports in dieser Zeit etwa 25 Milliarden Dollar pro Jahr betrug, hatte die AEOI ein Budget von bis zu 3 Milliarden Dollar pro Jahr.
Der rechtliche Rahmen
Bereits 1968 war der Iran dem Atomwaffensperrvertrag („Non-Proliferation Treaty“, NPT) beigetreten, 1974 dem ergänzenden, auf Spezifika des jeweiligen Landes zugeschnittenen sogenannten Safeguard Agreement der Internationalen Atombehörde IAEA in Wien.
Die Voraussetzung zum Erwerb von AKW in den USA war ebenfalls ein Vertrag zwischen den Regierungen der USA und des Iran. Verschiedene Administrationen der USA (Ford und Carter) insistierten, dass der Iran sich vertraglich festlegen und auf die Wiederaufbereitung der abgebrannten nuklearen Brennelemente, die zur Plutonium-Gewinnung führen könnte, verzichten müsste. Dieser Verzicht ist besonders dann mit Vehemenz gefordert worden, nachdem Indien im Jahre 1974 seine erste Atombombe gezündet hatte. Aber der Schah und sein Atom-Berater Etemad waren nicht bereit, diese Auflagen zu akzeptieren.
Die daraus resultierenden Differenzen zwischen beiden Ländern führten dazu, dass die USA einheimischen Firmen verboten, AKW in den Iran zu exportieren. Erst im Dezember 1977 wurde unter der Regierung von US-Präsident Jimmy Carter eine Einigung erzielt, in der der Iran sich dann doch dazu verpflichtete, auf Wiederaufbereitung zu verzichten. Zu der Zeit war die US-Firma Westinghouse einer der weltweit führenden Hersteller von AKW.
Kooperation mit Deutschland
Vor diesem Hintergrund suchte der Chef des iranischen Atomprogramms Akbar Etemad den Ausweg in der Kooperation mit deutschen und französischen Firmen, deren Regierungen weniger politische Hürden installiert hatten. Die Kooperation zwischen der AEOI und der deutschen Kraftwerk Union (KWU), damals ein Joint Venture von Siemens und AEG, hatte bereits 1974 begonnen. Die rechtliche und politische Absicherung erfolgte erst später durch einen Vertrag zwischen der iranischen und der deutschen Regierung.
Seitens der KWU bestand deutliches Interesse an der Zusammenarbeit mit dem Iran. KWU-Sprecher Joachim Hospe erklärte damals, die deutsche Atomwirtschaft benötige mindestens drei Projekte pro Jahr, um die Kapazitäten auszuschöpfen: „Aufgrund der Dominanz der USA einerseits und der Sättigung des europäischen Marktes andererseits muss Europa sich den Ländern der Dritten Welt zuwenden“, so Hospe.
Bereits Mitte der 70er Jahre begann die KWU mit dem Bau eines Atomkraftwerks im Iran – auf der Basis einer Absichtserklärung zwischen den künftigen Vertragspartnern, noch bevor im Jahre 1976 ein offizieller Vertrag zwischen AEOI und KWU zustande kam.
Die konkreten Gegenstände der atomaren Zusammenarbeit waren:
- die Exploration der Gelände zur Errichtung der Reaktoren,
- geologisch-geophysikalische Untersuchungen im Hinblick auf die tektonische Aktivität,
- Exploration des Uran-Vorkommens im Iran,
- Ausbildung des technischen Personals,
- optionale Kooperation bei der Uran-Anreicherung und der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente,
- Lieferung von Brennelementen für die Buschehr-AKW für 10 Jahre,
- Lieferung und Aufbau zweier AKW.
Exploration der Gelände
Der Iran bietet wenig räumliche Möglichkeiten für die Errichtung von Atomkraftwerken, da solche Anlagen viel Wasser für die Kühlung benötigen und es kaum große Flüsse gibt, die als Standorte geeignet wären. Daher nahm man von der Absicht des Schahs, 22 AKW zu bauen, zunächst Abstand und legte sich auf drei Standorte fest. Ein weiteres Problem ist die hohe tektonische Aktivität in weiten Teilen des Landes. In Zusammenarbeit von AEOI und KWU entschied man sich für die Halbinsel Buschehr am Persischen Golf, obwohl diese nah am Übergang tektonischer Platten liegt.
Geologisch-geophysikalische Untersuchungen
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